aWay. Nic Jordan

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aWay - Nic Jordan

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verfallen, aber nun war ich tatsächlich etwas ungeduldig.

      Ich kann nicht zählen, wie viele dieser Abschiedsfeiern ich in meinem Leben schon hatte. Immer wieder war ich aufgebrochen und im Kreis durch Europa getrampt. So vieles hatte ich gesehen, so viel fremde Kultur aufgesaugt, im jungen Alter schon. Es fühlte sich fast schon wie eine Routine an, meinen Rucksack immer wieder ein- und auszupacken und mich, wie gejagt, von einem Ort zum anderen zu bewegen.

      Aber diesmal war alles anders, und ich ging die Sache ruhig an. Ich war nicht gehetzt, ganz im Gegenteil fühlte es sich fast schon wie in Zeitlupe an. In mir herrschte ein ungewohntes Gefühl der Gelassenheit. Aufmerksam versuchte ich, jede Etappe der Reisevorbereitungen zu genießen. Alles geschah bedacht.

      Zum gefühlt hundertsten Mal sah ich die Weltkarte und meine Route an. Sofort fühlte ich mich, als würde ich leuchten; das gleiche Leuchten hatte ich bei der Geburt dieser verrückten Idee verspürt. Kurz grunzte ich lachend auf, als mir klar wurde, was ich da eigentlich vorhatte. Ich konnte spüren, dass ich jedes bisschen Liebe und Hoffnung auf dieses Stück Papier vor mir projizierte.

      Fast keines der Länder, die ich durchqueren würde, hatte ich schon mal besucht. Jede Kultur war mir vorerst fremd, jeder Geruch undefinierbar und jedes Klima eine Herausforderung.

      Ich wurde dauernd gefragt: »Hast du denn keine Angst?«

      Meine Antwort war allerdings immer die gleiche: »Wovor denn? Vor der Welt, auf der wir alle zu Hause sind? Was ist schon das Schlimmste, was passieren kann? Dass ich sterbe?! Wieso sollte ich davor solche Angst haben, dass ich lieber meinen Traum wegwerfe und unglücklich vor mich hin existiere? Sterben … das werden wir alle irgendwann. Ich habe mehr Angst davor, dass ich sterbe, ohne mein Leben und meine Träume gelebt zu haben, ohne gesehen zu haben, was ich immer sehen wollte, ohne etwas zu fühlen, ohne dem Tod einmal ins Auge zu blicken, ohne Adrenalin zu spüren und zu wachsen. Ich habe Angst, mich lebendig tot zu fühlen, weil ich nichts Erfüllendes erlebt habe. Träumen ist ein schöner Zustand, aber Fühlen, Schmecken, Sehen und Riechen sind, was Leben bedeutet. Ich bin bereit dafür, alles zu riskieren, denn wenn mir etwas passiert, dann wenigstens während ich das tue, was ich liebe, und nicht während ich tue, wodurch ich mich lebendig tot fühle.«

      Es war so weit. Südlich von London stieg ich aus der Bahn und folgte dem Weg in Richtung Autobahn. Ich fühlte eine unvergleichliche Freiheit. Das Gefühl, alles machen zu können und überallhin gehen zu können. Keine Verpflichtungen, die mich nachts wachhielten, kein Job, dem ich nachgehen musste, keine Miete, die anfiel.

      An der Autobahnauffahrt angekommen, brannte die Sonne mir bereits um diese frühe Uhrzeit auf der Haut, mein Rucksack war schwer, und die Träger drückten auf meine Schultern. Ich war klatschnass vom Schweiß, aber all das störte mich nicht. Ich überquerte die Straße, um in einem Pub nach einem Stift und einem Stück Karton zu fragen. Die Frau an der Bar sah meinen Rucksack und lächelte. Meine gute Laune war nicht zu verbergen, und ich lächelte mit aller Euphorie zurück.

      In dem dunklen, mit Holz bekleideten Laden herrschte ansonsten Stille, man hörte nur einen leichten Wind durch die Türspalte sausen. Es war noch früh, außer einem älteren Mann konnte ich niemanden sehen. Nach einem kurzen, typisch englischen Small Talk verschwand die Frau hinter einer Tür, um Karton und Stift für mich zu holen. Bevor ich ging, gab sie mir noch ein Glas Wasser, da ich jetzt schon völlig dehydriert war. Wie würde das erst in Südostasien und im Outback Australiens werden?

      Ich schob den Gedanken beiseite und spazierte ganz entspannt zu der Tankstelle, die auf der Straße in Richtung Dover lag, von wo ich mit der Fähre nach Frankreich übersetzen wollte. Am liebsten trampe ich von Tankstellen los, da ich mir die Leute genauer anschauen kann und es in meiner Macht liegt, wen ich ansprechen möchte. Zudem sagen in einer Face-to-Face-Situation mehr Leute zu, wenn du sie darum bittest, dich mitzunehmen.

      Die erste Person, die ich an der Tankstelle ansprach, war eine circa fünfzigjährige Engländerin namens »Just call me Kate«. In ihrem pinken Kleinwagen hatte sie meine Aufmerksamkeit gewonnen. Ohne groß zu überlegen, war sie sofort dazu bereit, mich mitzunehmen. So war der erste Schritt in die Freiheit gemacht.

      Das nächste Auto, das anhielt, gehörte einer deutschen Künstlerfamilie, die durch den Tunnel bis nach Deutschland fahren wollte. Allerdings hatte ich mir die romantische Idee in den Kopf gesetzt, unbedingt mit der Fähre fahren zu wollen. Ich hatte mir bildlich ausgemalt, wie ich winkend auf einem Schiff stehe und England in der Ferne immer kleiner werden sehe. Mir kam es zu einfach vor, direkt mit einem Auto so eine lange Strecke zurückzulegen und am selben Tag schon in Deutschland anzukommen. Wo war da das Abenteuer? Zumindest in Frankreich wollte ich zwischenstoppen, am Meer ein Croissant zum Frühstück essen und mir die Sonne ins Gesicht scheinen lassen.

      Nach nur fünfzehn Minuten Fahrt bat ich die Familie, mich an der nächsten Raststätte rauszulassen. Unsicher, ob es die richtige Entscheidung war, kroch ich mit meinem schweren Rucksack und müden Schultern aus dem Wagen. Es hatte sich irgendwie nicht natürlich angefühlt, die Fahrt abrupt abzubrechen, und irgendwie die Energien verändert. Trotzdem blieb ich bei der Entscheidung und tat so, als wüsste ich genau, was ich da tat.

      Aber anscheinend hatte mir meine Sturheit einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auf einmal stand ich auf einem verlassenen Rastplatz und suchte in der heißen Mittagssonne nach wenigstens einem Auto, das ich fragen könnte, mich ein Stück mitzunehmen. Doch weit und breit kam nichts. Der Rastplatz war ein wenig abgelegen von der Hauptstraße und dadurch schlecht besucht.

      Ein Hungergefühl breitete sich in meinem Magen aus, und ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich nur noch vier Stunden bis zum Sonnenuntergang hatte. Wenig später kamen die ersten Autos und reihten sich an der Tanksäule ein. Hoffnungsvoll machte ich mich auf den Weg zu denen, die bereits ausgestiegen waren, und sprach die ersten zwei Leute an, die aber nicht in meine Richtung mussten.

      Hinter mir erklang eine aufgebrachte Stimme: »Excuse me, Miss, what are you doing here?«

      Als ich mich umdrehte, war es die Dame, die auf dem Rastplatz arbeitete und mir erklärte, dass ich hier nicht trampen durfte. Nach einer kurzen, sinnlosen Diskussion gab ich auf. Ich wusste, dass es keine gesetzlichen Vorschriften dazu gab, wollte mich aber auch nicht weiter streiten, um keine Kraft zu verschwenden. Kurz sah ich mich nach einer Lösung um und stellte mich dann mitten auf den gegenüberliegenden Kreisverkehr.

      Der Schweiß tropfte mir von der Stirn, und ich fühlte, wie mein Rücken nass an meinen Backpack gepresst war und noch mehr Hitze erzeugte. Mein Magen knurrte lauter und lauter. Dazu war ich verdammt durstig, die Hitze saugte jegliche Flüssigkeit aus mir, und die Abgase an den Straßen hinterließen einen staubigen Belag auf meiner Zunge. Meinen Platz wollte ich nicht verlassen, also unterdrückte ich all die menschlichen Bedürfnisse, die mich bereits jetzt in die Knie zu zwingen versuchten. Die unfreundliche Tankstellenmitarbeiterin glotzte immer wieder zu mir rüber, ihr schmeckte es sicherlich nicht, dass sie mir hier draußen nichts zu sagen hatte.

      Da, wo ich stand, gab es keinen richtigen Seitenstreifen, auf dem jemand für mich hätte halten können. Dadurch fuhren die meisten Autos entweder hupend oder mit verächtlichen Blicken an mir vorbei. Sie verstanden nicht, was ich von ihnen wollte, und ehrlich gesagt war ich mir selbst nicht ganz sicher, was ich da tat. Langsam kam mir der Gedanke, dass ich vorhin meine Glückssträhne ausgereizt hatte, als ich auf meinem Fährenplan beharrte.

      Etwa eine Stunde und gefühlte hundert hupende Autos später hielt ein Kleintransporter. Ein dicker Mann mit blassem Gesicht schaute kurz aus dem Fenster. Mehr konnte ich zunächst nicht erkennen, denn die Sonne schien mir direkt in die Augen. Mit einem unüberhörbar deutschen Akzent rief er: »Where do you go?«

      Ich antwortete: »Dover, ferry terminal! Are you German?«

      »Ja,

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