Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King. Andreas Suchanek
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»Mich ebenso, Lucian. Mich ebenso. Wir hören wieder voneinander.«
Lucian legte auf und sah auf das dunkle Display. »Davon bin ich überzeugt, verehrter Graf.«
*
Epilog III – 1984
Harrisons Dad betrat als erster das Polizeirevier, dicht gefolgt von seinem Sohn, dann Billy, und die letzten waren Jamie und Shannon. Jamie zitterte am ganzen Körper, und das lag nicht am Regen, der sie auf dem Weg hierher durchnässt hatte. Neben ihm schluchzte Shannon. Seit Minuten schon brachte sie nichts anderes mehr fertig als zu wimmern, und er konnte es ihr nicht verübeln. Er hielt ihre Hand so fest, dass seine Finger taub waren. Sein Hemd klebte nass an seinem Rücken, seine Haare hingen in Strähnen in sein Gesicht, und seine rechte Schulter schmerzte höllisch von dem Sturz im Putzraum. Marietta war tot. Tot! Das war absolut unmöglich. Wie konnte sie tot sein? Bis vor ein paar Stunden noch hatte er mit ihr geplaudert, gescherzt, gelacht. Sie hatten sich überlegt, wie gut sie morgen im Test mit den Prüfungsfragen abschneiden würden, und jetzt war sie einfach nicht mehr da. Marietta war tot.
Harrisons Dad stand am Empfangstresen und redete mit einem jungen Officer. Jamie konnte nicht hören, was sie sagten, aber kurz darauf stand der Typ auf und deutete einen Flur hinunter.
Jamie blickte zu den anderen. Harrison wirkte genauso verloren wie Jamie sich fühlte, Billy blutete immer noch, Shannon schluchzte unaufhörlich vor sich hin, und er selbst fühlte sich einfach nur leer und ausgelaugt.
»Sie ist tot«, sagte er zum wiederholten Mal. Vielleicht konnte er es eher begreifen, wenn er es nur oft genug sagte? Marietta ist tot. In dieser Sekunde wurde Jamie klar, was er noch für Marietta empfunden hatte. Er liebte sie noch immer, hatte er immer, würde er immer, und es gab keine Möglichkeit mehr, ihr das zu sagen.
»Folgt mir, bitte«, sagte ein junger Deputy. Sie gehorchten mechanisch. Jamie war froh, dass jemand die Führung übernommen hatte, dass er nur noch reagieren musste. Geh links, er ging links, geh rechts, er ging rechts.
Der Deputy zeigte auf einen Warteraum mit Glaswänden. Ein Wasserspender stand in der Ecke. Jamie hätte ihn am liebsten angesetzt und den ganzen Kübel auf einmal leer getrunken. »Willst du ein Glas Wasser?«, fragte er Shannon.
Sie nickte.
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte sie.
»Wir werden alle verhaftet und wegen Mordes angeklagt«, sagte Billy, der als letzter den Raum betrat. Er fuhr sich durch die Haare, lief einmal quer durch das Zimmer und sah aus, als wollte er gleich losschreien. »Du hast es doch gehört. Sie wollen einen Schuldigen, und da kommen wir gerade recht.«
»Mein Dad wird das hinbekommen«, sagte Harrison. »Er hat genügend Erfahrung mit solchen Dingen. Wir müssen ihm einfach vertrauen und das tun, was er sagt. Also erst einmal die Aussage verweigern. Hört ihr? Das ist wichtig.«
»Vor allem müssen wir uns absprechen, damit wir bei einer Geschichte bleiben«, sagte Billy.
»Was willst du denn absprechen?«, fragte Shannon. »Herrgott, Jamie und ich waren nicht einmal in der Nähe, als Marietta umgebracht wurde!«
»Nein, vermutlich habt ihr irgendwo rumgeknutscht.«
Shannon biss sich auf die Lippen, schlug die Hände vors Gesicht und fing wieder an zu heulen. Jamie legte den Arm um ihre Schulter und zog sie an sich. »Toll, Billy. Echt toll.«
»Ich sag nur, wie es ist.« Billy hielt vor einer Wand an und schlug so fest darauf ein, dass der Putz abbröckelte. »Verdammte Scheiße!«, schrie er.
Jamie hätte am liebsten mitgeschrien. Er konnte Billy verstehen. Alles was sie gewollt hatten, war eine Chance bei dem Wettbewerb morgen zu haben, und nun war eine von ihnen tot.
Er drückte Shannon fester an sich und betete, dass seine Eltern bald eintreffen würden. Vielleicht wussten sie, was zu tun war, denn er konnte keine Entscheidungen mehr treffen.
Ende des 2. Teils
III
Eine verhängnisvolle Erfindung
von Ute Bareiss
Barrington Cove, 1984
Rektorat der Barrington High
Das Sekretariat wurde nur vom Licht der Straßenlaternen und der mageren Funzel erhellt, die Marietta in der Hand hielt. Gespenstische Schatten tanzten an den Wänden. Billy wischte die vor Aufregung schweißfeuchten Hände an seiner Jeans trocken und versuchte erneut vergeblich, den Schlüssel, den Shannon hatte nachmachen lassen, im Schloss der Tür zum Rektorat zu drehen.
Verdammt! Irgendwie schien ihr ganzer Plan, die Prüfungsfragen für morgen kurz und unkompliziert abzugreifen, in die Hose zu gehen.
»Hast du eine Nagelfeile in deiner Tasche?«
Marietta reagierte nicht auf seine Frage, blickte nur gedankenverloren zur Tür, durch die Jamie und Shannon Arm in Arm verschwunden waren.
Er stupste sie an. »Hallo! Nagelfeile?« Sie feilte doch öfter im Unterricht unter dem Pult die Nägel, bestimmt hatte sie auch jetzt eine dabei.
Marietta zuckte zusammen, legte die Taschenlampe auf das Sideboard und machte sich daran, in ihrer bunten Stofftasche zu wühlen. »Glaubst du, das funktioniert?«
Billy zuckte die Schultern. »Einen Versuch ist es allemal wert. Ich denke, es wird nicht viel fehlen, dass er passt, die Kopie des Schlüssels kann ja nicht so falsch sein.«
Außerdem musste er sich irgendwie beschäftigen, während Jamie und Shannon nach dem Ersatzschlüssel suchten. Die nächtliche Stille im Schulgebäude, das Wissen um das Verbotene, das sie taten, die Schatten an den Wänden – das alles verursachte ein Grummeln in seiner Magengegend.
Auch Marietta wirkte nervös, ihre Hand zitterte, als sie ihm die Nagelfeile reichte.
Der Schlüssel wurde warm in seiner Hand. Billy wischte mit dem Daumen ein paar Metallspäne weg und hobelte mit der feinen Seite der Feile die Unebenheiten glatt.
Warum hatte Marietta den beiden so wehmütig nachgesehen?
»Macht es dir was aus, dass deine beste Freundin jetzt mit Jamie zusammen ist?« Am liebsten hätte er sich auf die Zunge gebissen – was war das denn für eine bescheuerte Frage?
Marietta kicherte fast schrill. »Wie kommst du denn darauf?«
Billy hoffte, dass die Hitze, die in seine Wangen schoss, im Halbdunkel nicht zu sehen war. Er beugte den Kopf und ließ die schulterlangen dunklen Locken über sein Gesicht fallen, während er eingehend die Schlüsselkanten prüfte. »Nur so. Du hast so geguckt.«
Marietta pustete ihren Pony aus dem Gesicht. »Quatsch. Im Gegenteil. Ich hoffe, die beiden werden glücklich.«
Billy