Mehr als ein Wunder. Steve de Shazer
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THERAPEUT: Okay, eine 4 für Sie – und eine 5 für Sie. Und Sie beide wollen, dass Sie die Situation bei der 8 haben, damit Sie sagen können, die Therapie war erfolgreich, richtig?
Diese Intervention hat zwei wesentliche Komponenten. Zum einen ist sie ein Instrument zur Beurteilung von Lösungen, d. h., wenn sie in jeder Therapiesitzung durchgeführt wird, können Therapeut und Klienten damit kontinuierlich ihren Fortschritt messen. Zum anderen ist sie per se ein wirkungsvoller Eingriff, weil sie dem Therapeuten erlaubt, auf frühere Lösungen und auf Ausnahmen zu fokussieren und auf Veränderungen während ihres Entstehens aufmerksam zu machen. Genauso, wie sich Dinge vielleicht schon vor dem ersten Therapiegespräch verändert haben, kann sich die Situation des Klienten auch zwischen den einzelnen Sitzungen in drei Richtungen entwickeln: (1) Die Situation kann besser werden; (2) die Situation kann unverändert bleiben; (3) die Situation kann sich verschlechtern.
Wenn die Klienten ihr Problem zunehmend höher skalieren und ihre Situation sich von Sitzung zu Sitzung bessert, gibt der Therapeut ihnen dafür Komplimente und Anerkennung und fordert sie zu einer ausführlichen Beschreibung auf, wie sie solche Veränderungen haben zustande bringen können. Dadurch werden nicht nur die Veränderungen bestärkt und konsolidiert, sondern auch deutliche Impulse an die Klienten gegeben, »das Begonnene fortzusetzen«. Wenn »die Situation unverändert geblieben ist«, kann der Therapeut den Klienten ebenfalls Komplimente und Anerkennung geben: entweder dafür, dass sie ihre vorgenommenen Veränderungen beibehalten haben, oder aber dafür, dass sie eine Verschlimmerung der Situation verhindert haben. Er könnte z. B. fragen: »Wie haben Sie es geschafft, dass die Situation nicht noch schlechter wurde?« Diese Frage motiviert den Klienten interessanterweise häufig zu einer Beschreibung von Veränderungen, die er herbeigeführt hat, und auch in solchen Fällen kann der Therapeut den Klienten gegenüber Komplimente und Anerkennung ausdrücken und sie darin unterstützen und ermutigen, weitere Veränderungen vorzunehmen.
THERAPEUT: Frau K., letzte Woche haben Sie sich auf der Skala für gute Kommunikation bei der 4 eingestuft. Darf ich fragen, wo Sie sich diese Woche einordnen?
EHEFRAU: [Pause] Ich würde sagen, bei der 5.
THERAPEUT: Eine 5! Klasse! Tatsächlich, in nur einer Woche.
EHEFRAU: Ja, ich glaube, unsere Verständigung hat in der vergangenen Woche besser geklappt.
THERAPEUT: Inwiefern war Ihre Verständigung in der vergangenen Woche besser?
EHEFRAU: Also, ich glaube, es liegt an Richard. Es kam mir so vor, als ob er mir in der vergangenen Woche besser zugehört hätte.
THERAPEUT: Das ist ja prima. Können Sie mir ein Beispiel nennen, wann er ihnen besser zugehört hat?
EHEFRAU: Na ja, gestern zum Beispiel. Meistens ruft er mich einmal am Tag im Geschäft an, und …
THERAPEUT: Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche, aber haben Sie gesagt, dass er Sie einmal am Tag anruft? Im Geschäft?
EHEFRAU: Ja.
THERAPEUT: Ich bin nur etwas überrascht, denn nicht alle Männer rufen ihre Frauen jeden Tag an.
EHEFRAU: Das hat er schon immer so gemacht.
THERAPEUT: Finden Sie das gut? Ist das etwas, von dem Sie sagen würden, er soll es nicht ändern?
EHEFRAU: Ja, natürlich.
THERAPEUT: Entschuldigung, fahren Sie bitte fort. Sie haben mir gerade von gestern erzählt, als er Sie anrief.
EHEFRAU: Nun ja, meistens ist es ein kurzer Anruf. Aber ich habe ihm gegenüber ein paar Probleme erwähnt, die ich gerade hatte, und er hat mir ganz lange zugehört, er schien sich Gedanken zu machen und gab mir ein paar gute Tipps. Das war schön.
THERAPEUT: Das war also ein Beispiel dafür, wie Sie es gerne hätten, wo Sie über etwas reden können, ein Problem, und er zuhört und gute Tipps gibt? Unterstützung?
EHEFRAU: Ja.
THERAPEUT: Herr K., wussten Sie, dass Ihre Frau es gern hat, wenn Sie sie anrufen und ihr zuhören? Dass es das war, was Sie beide in den Augen Ihrer Frau auf der Skala nach oben gebracht hat?
EHEMANN: Ja, ich denke schon. Ich habe mich diese Woche echt angestrengt.
THERAPEUT: Das ist ja prima. Was haben Sie sonst noch unternommen, damit die Verständigung in dieser Woche besser geklappt hat?
Dieses Beispiel zeigt, wie das Gespräch mit dem Paar über die Skalierung seiner Situation zu einem Instrument wird, mit dem der Fortschritt der Klienten festgestellt werden kann. Der Therapeut bzw. die Therapeutin sammelt immer mehr Informationen über die kleinen Veränderungen, die die Klienten aus eigener Kraft erreicht haben und auf der Skala höher bewerten. Der lösungsfokussiert arbeitende Therapeut würde dem Paar an dieser Stelle selbstverständlich vorschlagen, seine erfolgreichen Handlungen fortzusetzen, was in diesem Fall heißt: dass der Mann seine Frau weiterhin anruft und er ihr weiterhin aktiv zuhört, was sie als so hilfreich empfunden hat (weitere Details über »Skalierungsfragen« siehe nachfolgende Kapitel).
Lösungen und Ausnahmen konstruieren. Der nach dem SFBT-Konzept arbeitende Therapeut ist die meiste Zeit der Sitzung damit beschäftigt, darauf zu achten, ob es Indizien für frühere Lösungen, für Ausnahmen und Ziele gibt. Wenn solche Hinweise auftauchen, interpunktiert er sie durch bejahende und unterstützende Äußerungen. Danach bemüht er sich, dem Gespräch über Lösungen den Vorrang zu geben. Das verlangt natürlich eine ziemliche Bandbreite anderer Fertigkeiten als die, wie sie in herkömmlichen problemorientierten Therapien eingesetzt werden. Während der problemorientiert arbeitende Therapeut darum bemüht ist, keine Hinweise darauf zu übersehen, wodurch das Problem entstanden ist oder erhalten wird, bemüht sich der lösungsfokussiert arbeitende Therapeut darum, keine Hinweise auf Fortschritte und Lösungen zu übersehen.
MUTTER: Sie lässt mich einfach immer links liegen, tut, als ob ich nicht da wäre, kommt aus der Schule nach Hause und rennt direkt in ihr Zimmer; wer weiß, was sie dort macht.
TOCHTER: Du sagst, dass wir uns die ganze Zeit über streiten, also gehe ich eben in mein Zimmer, damit wir nicht streiten.
MUTTER: Sehen Sie? Sie gibt sogar zu, dass sie versucht, mir aus dem Weg zu gehen. Ich weiß nicht, wieso sie nicht einfach nach Hause kommen und mir ein bisschen von der Schule oder sonst etwas erzählen kann, wie sie das früher gemacht hat.
THERAPEUTIN: Eine Sekunde, wann war »früher«? Anita, wann war das, als du immer nach Hause kamst und deiner Mutter von der Schule erzählt hast?
TOCHTER: Ich habe das sehr oft getan; im letzten Schulhalbjahr war das.
THERAPEUTIN: Kannst du mir ein Beispiel nennen, wann du das zum letzten Mal gemacht hast?
MUTTER: Das kann ich Ihnen sagen – es war letzte Woche. Sie war total aufgeregt, weil ihr naturwissenschaftliches Projekt ausgewählt worden ist.
THERAPEUTIN: Können Sie mir sagen, welcher Tag das war, als …?
MUTTER: Ich glaube, letzten Mittwoch.
THERAPEUTIN: Und sie kam nach Hause …
MUTTER: