Christina, Band 1: Zwillinge als Licht geboren. Bernadette von Dreien
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Und siehe da, die Erfolge im Wettkampf stellten sich rasch wieder ein: Während der ersten sechs Monate lief ich zwar lediglich drei Rennen – drei Schweizer Meisterschaften, was den Druck zusätzlich erhöhte –, doch diese endeten äußerst erfolgreich: Gold über die Marathon-Distanz, Silber über die Halbmarathon-Distanz und Bronze über die Cross-Langdistanz. Meine persönlichen Bestzeiten konnte ich nochmals um etliche Minuten verbessern. Im Herbst 1999 lief ich im Elite-Feld anlässlich des Amsterdam-Marathons auf Rang 5, und es schien noch viel mehr sportliches Potenzial vorhanden zu sein, welches ich in den kommenden Jahren umzusetzen gewillt war.
Doch das Schicksal hatte andere Pläne mit mir – zum Glück! Im November desselben Jahres wurden wir in einen spektakulären Autounfall verwickelt, der von einem betrunkenen Lenker verursacht wurde und mehrere Fahrzeuge erfasste. Dieser Unfall und dessen Folgeerkrankungen machten für mich während Wochen mehrere Klinikaufenthalte notwendig, und an den Nebenwirkungen litt ich noch Monate danach. An Wettkämpfe war im Olympiajahr 2000 nicht zu denken, und so strich ich die gesamte Wettkampfsaison und nahm bewusst Abstand vom ganzen Sportgeschehen.
Offensichtlich wurde ich geradezu gezwungen, meinem Leben noch andere Farbtupfer zu verleihen. So entstand mein tiefer Wunsch, nun eine Babypause einzulegen, dem auch bald entsprochen wurde: Im Herbst 2000 wurde ich schwanger, und daraufhin nahm mein Leben eine komplette Wende, die ich im vorliegenden Buch beschreiben werde.
Seit diesen Prozessen kann ich, zumindest was meine persönlichen Erfahrungen betrifft, deutlich betonen: Zu einem erfolgreichen Spitzensportler wird man nicht allein nur über professionelles körperliches Training, sondern hauptsächlich durch innere Entwicklungsprozesse – sofern man bereit ist, sich wirklich auf sie einzulassen. Eine der in diesem Zusammenhang für mich wichtigsten Erkenntnisse war, dass man sich allzu oft selbst Grenzen setzen lässt durch die gut gemeinten Tipps und Ratschläge anderer. Doch andere können immer nur aus ihrem eigenen Erfahrungshorizont heraus sprechen, und keiner ist in der Lage, uns unsere persönlichen Lernprozesse abzunehmen.
Wer hingegen in Eigenverantwortung und mit Selbstvertrauen und intuitiver Intelligenz handelt, wer mutig neue Wege zu gehen bereit ist, der wird in jeder Extremsituation bestehen können. Aus sportlicher Sicht gesehen wird er womöglich über Jahre hinweg imstande sein, mit Topleistungen aufzuwarten, ohne dabei über Leichen zu gehen oder seine Gesundheit und seine tiefe Freude für den Sport preiszugeben. Wenn wir aus unseren Lernprozessen tatsächlich lernen, dann steigen auch unsere Belastungsfähigkeit, unsere allgemeine Freude und Gelassenheit im Leben, unsere Authentizität und Integrität.
Trotz der beiden folgenden Babypausen in den Jahren 2001 und 2003 blieb der Laufsport weiterhin mein geliebtes Hobby. Nach der ersten Phase zwischen 1996 und 2000 durfte ich zwischen 2007 und 2015 ein zweites Mal als Kaderathletin im Schweizer Wettkampfteam mitwirken.
Während dieser Jahre konnte ich nochmals insgesamt 18 Elite-Medaillen in diversen Laufdisziplinen (Marathon, Halbmarathon, 10’000m, Berglauf und Crosslauf) feiern. Das Marathonlaufen lag mit den schwierigen familiären Umständen und dem Geschäft kaum mehr drin, daher fokussierte ich mich in jenen Jahren insbesondere auf den internationalen Berglauf und lief insgesamt bei elf Europa- und Weltmeisterschaften, davon 8mal in die Top Ten. Parallel dazu feierten wir schöne Erfolge mit dem Schweizer Berglauf-Nationalteam (im Trio) und errangen insgesamt 7 EM- und WM-Medaillen für das Team Suisse, darunter auch den Europameistertitel im Jahre 2007. Gerade diese Erfolge mit dem Nationalteam stellten für mich großartige und wertvolle Team-Erfahrungen dar.
Doch der Sport war stets nur eines von mehreren Segmenten in meinem Leben. Privat und geschäftlich lief in diesen Jahren mindestens genauso viel. Dadurch, dass sich meine Selbstwahrnehmung veränderte und ich mich innerlich weiterentwickelte, veränderten sich auch meine Prioritäten und Lebensziele, was sich früher oder später auch auf unsere zwanzigjährige Partnerschaft auswirkte. Nach einer einvernehmlichen Trennung und Scheidung trennten sich im Jahre 2012 meine Wege von jenen meines Ehemannes. Ich blieb mit den beiden Kindern im Eigenheim wohnen und übernahm die Kindererziehung. So war die Situation bereits zuvor geregelt gewesen, und so ist sie für uns alle bis heute stimmig.
Die Kinder Christina und Mario waren zum Zeitpunkt der Scheidung elf bzw. neun Jahre alt und besuchten die vierte bzw. zweite Schulklasse. Sie kamen mit der neuen Situation rasch zurecht und pflegten auch nach der Trennung weiterhin einen guten Kontakt zu ihrem Vater, der in der Nähe wohnt.
Unser neuer Familienalltag zu dritt harmonisierte sich in der Folge sehr schön. Wenige Monate nach der Scheidung gab ich auch meine Tätigkeit im eigenen Betrieb nach 15 Jahren auf und ließ uns erst einmal ein halbes Jahr Zeit, um alles zu verarbeiten und die neue Situation möglichst stressfrei auf uns zukommen zu lassen, ohne mich beruflich schon neu zu positionieren. Klar war, dass ich später wieder in meinem angestammten Gebiet im Gesundheitswesen arbeiten wollte. Nebenbei trainierte ich als Kaderathletin noch sechs Trainingseinheiten pro Woche, die sich wie früher gut in den Alltag integrieren ließen. Ich stand also nach wie vor im Wettkampfmodus, allerdings im Bewusstsein, dass ich wohl demnächst vom gesamten Wettkampfsport zurücktreten würde.
Schon bald söhnte ich mich mit meiner Vergangenheit aus und begann im Februar 2013 an einer Fachschule für Alternativmedizin und Komplementärtherapie ein weiterführendes vierjähriges Studium mit einem angestrebten Abschluss als Dipl. Naturheilpraktikerin. Diese neue Ausbildung war für mich gut vereinbar mit dem Schulalltag der Kinder und mit dem Sport.
3
Januar 2015:
Veränderungen stehen an
Januar 2015. Im Moment ist unser Familienleben gerade richtig harmonisch, und jede Störung oder Herausforderung wäre eigentlich unwillkommen. Aber zum Glück stehen die Zukunft und unser Schicksal im wahrsten Sinne des Wortes in den Sternen. Da ich diese jedoch nicht zu deuten weiß, bin ich derzeit noch völlig unwissend darüber, welch bewegende Zeiten auf uns zukommen werden. Schon bald werde ich auf wundersame Weise erfahren, dass es keine Zufälle gibt und dass auf meinem Lebensweg noch so einiges eingeplant ist, das ich heute weder zu erahnen noch zu beeinflussen vermag.
Noch immer leben wir zu dritt im selben kleinen Ort in ländlicher Umgebung im schweizerischen Toggenburg. Unser Eigenheim bietet mit großzügigem Landanteil viel willkommenen Lebensraum für uns alle. Zur Familie gehören auch unsere drei pflegeleichten Alpakas, die beiden Hasen sowie die beiden Schildkröten, die uns allesamt viel Freude bereiten, mitunter aber auch Beschäftigung mit sich bringen.
Unser Leben verläuft derzeit also rundum normal – obwohl der Ausdruck «normal» im Grunde völlig nichtssagend ist, da jeder Mensch und jede Familie einzigartig sind, mit jeweils eigenem Charakter und eigenen Begabungen. Meine derzeitige Lebensaufgabe sehe ich in erster Linie darin, den beiden Kindern in einem möglichst optimalen Umfeld ihre persönliche Entwicklung zu ermöglichen, ohne mich selbst dabei zu übersehen.
Meine Tochter Christina war für mich schon seit ihrer Geburt ein wunderbares Beispiel dafür, wie vieles in unserem Leben nicht geplant werden kann. Ihre bisherige außergewöhnliche Lebensgeschichte hatte mir bereits seit ihrer Zeugung etliche Male Anlass zum Umdenken und zum Hinterfragen und Relativieren der gängigen Meinungen und der Strukturen in unserer Gesellschaft gegeben. Durch zahlreiche Extremsituationen sowohl in Familie und Beruf als auch im Leistungssport habe ich bereits gelernt, intuitiv zu handeln und Konzepte, Dinge und Menschen ohne Verlustängste loszulassen. Mir war stets bewusst, dass ich nicht hier auf diesem Planeten Erde bin, um mich willenlos irgendwelchen fremden und fragwürdigen Strukturen und Denkweisen unterzuordnen, die für mich im tiefsten Inneren nicht vereinbar sind und die mich innerlich nicht erfüllen.
Ein