Soziale Interventionen in der Psychotherapie. Группа авторов

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Soziale Interventionen in der Psychotherapie - Группа авторов

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Therapie gefordert, u. a. von Weizsäcker, Krehl, Richmond und Salomon. Die bekannt gewordene Studie zu den Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf die BewohnerInnen des Dorfes Marienthal zeigte bereits in den 1930er-Jahren, dass soziale Probleme wie der Verlust von Einkommen, Sozialstrukturen und Veränderungen des Selbstbildes komplexe psychische Beeinträchtigungen zur Folge haben können (Jahoda, Lazarsfeld & Zeisel, 1933/2014). Auch ohne zuvor bestehende Vulnerabilität können soziale Schwierigkeiten schwere seelische Erkrankungen auslösen (Montgomery et al., 1999).

      Die Wechselwirkung von sozialen Problemen und psychischen Erkrankungen funktioniert jedoch auch umgekehrt. Eine seelische Krankheit kann auch ein zusätzlicher Risikofaktor in der Bewältigung von sozialen Schwierigkeiten sein bzw. diese u. U. sogar verstärken (vgl. Bösel, Siegfarth, Schauenburg, Nikendei & Ehrenthal, 2014; Bösel, 2017). Insgesamt betrachtet wird der Zusammenhang zwischen sozialen Problemen und seelischen Erkrankungen immer relevanter. Die Auswertung der Fehltagestatistik der gesetzlichen Krankenkassen z. B. zeigt, dass psychische Erkrankungen an Position drei der Länge der Arbeitsunfähigkeitstage stehen und eine weitere Zunahme zu erwarten ist (vgl. Gesundheitsreporte 2014: DAK, 2014; TK, 2014). Nach Auswertung der DAK stieg die Anzahl der Fehltage aufgrund von psychischen Erkrankungen von 2012 bis 2013 um 4,6 % auf 212,8 Tage pro 100 Versicherte. Untersuchungen der Techniker Krankenkasse (TK, 2014) zeigten, dass psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen bei Männern 187 Tage pro 100 Versicherte betrugen und damit von allen Erkrankungen an Position drei lag. Bei den weiblichen Versicherten ergab die Statistik in der Krankheitsgruppe mit 315 Tagen pro 100 Versicherte 2013 die meisten Fehltage (ebd., S. 90).

      Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen verschiedener Bevölkerungsgruppen zeigen ebenfalls zahlreiche Zusammenhänge von sozialen Problemlagen und seelischer Erkrankung auf. Die Studie von Schubert und KollegInnen (2013) zeigt z. B., dass mehr als ein Drittel der Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen, von einer seelischen Erkrankung betroffen sind. Aber nicht nur Arbeitslosigkeit und Abhängigkeit von staatlichen finanziellen Hilfen führen zu einer Zunahme von Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgrund psychischer Belastungen. Fehlbeanspruchung, zunehmende Arbeitsverdichtung oder auch erhöhte Anforderungen an flexible zeitliche und inhaltliche Arbeitsbedingungen sind weitere Faktoren, die im Zusammenhang mit erhöhten Arbeitsunfähigkeitszeiten stehen (vgl. Oppolzer, 2010; Schubert et al., 2013; Bösel, (i. V.). In diesem Zusammenhang ist zu benennen, dass Menschen mit geringerer beruflicher Stellung häufig einer hohen physischen und psychischen Belastung ausgesetzt sind. In den geringer qualifizierten Berufsgruppen bestehen weniger Handlungsspielräume, Arbeitsbedingungen zu verändern, auch gibt es weniger Möglichkeiten der Weiterqualifikation und eine steigende Bedrohung, den Arbeitsplatz zu verlieren.

      Zusätzlich können geringere persönliche Ressourcen, wie eingeschränkte Problemlösungskompetenzen, geringer Selbstwert und negative Zukunftserwartungen sich ungünstig auf die Gesundheit auswirken (vgl. Ducki, 2006; Bamberg, Busch & Ducki, 2003). Eine Reihe internationaler Untersuchungen zeigt seit vielen Jahren auf, dass psychosoziale Faktoren die wichtigsten Mediatoren zwischen psychischer wie körperlicher Gesundheit und materieller Benachteiligung darstellen (vgl. u. a. WHO, 2001). Auf diese Weise kristallisiert sich als größter Einflussfaktor aller erfassten gesundheitlichen und sozialen Probleme weltweit soziale Ungleichheit heraus. Mangel an Respekt, Wertschätzung, Ansehen und sozialer Einbettung sind offenbar gewichtige Faktoren mit negativem Einfluss auf Gesundheit und Lebenserwartung (Wilkinson & Pickett, 2010). Das »abgehängte Prekariat« leidet unter der Exklusion nicht nur durch Armut, sondern diese geht – das belegen zahlreiche Untersuchungen (vgl. Franzkowiak, Homfeldt & Mühlum, 2011; Homfeldt & Sting, 2006) – mit gravierenden gesundheitlichen Risiken einher, denen das aktuelle Gesundheitssystem nicht gewachsen ist (vgl. Hanses, 2007).

      Die Bearbeitung von sozialen Problemlagen hat daher auch einen großen Einfluss auf das Gelingen von psychotherapeutischen Behandlungsprozessen bzw. macht diese teilweise erst möglich (Bösel et al., 2014; Bösel, 2017, i. V.). Die Praxis zeigt, dass gravierende soziale Probleme nicht nur betroffene PatientInnen, sondern auch BehandlerInnen häufig unter großen Handlungsdruck setzen. Viele der damit verbundenen Herausforderungen scheinen im Rahmen einer Psychotherapie nur schwer lösbar. Chronifizierungen sind die Folge. Eine Möglichkeit des Umgangs mit diesen Problemen liegt in der frühzeitigen Einbindung sozialarbeiterischer Kompetenzen in den Gesamtbehandlungsplan. Dafür bedarf es des Wissens um Möglichkeiten und Grenzen der (Klinischen) Sozialarbeit im Rahmen und in Zusammenarbeit mit der Psychotherapie. Aus dem Wissen heraus, dass bisher die Ausbildungsinhalte und auch die berufliche psychotherapeutische Praxis wenig auf die Vermittlung von Kompetenzen im Umgang mit sozialen Problemen ausgelegt war, soll der vorliegende Band einen grundlegenden Einblick in die Bedeutung der Einbeziehung von sozialarbeiterischen Kompetenzen in den psychotherapeutischen Prozess und die interprofessionelle Zusammenarbeit mit dem Bereich der Sozialen Arbeit geben.

      Den Herausgeberinnen erscheint es an dieser Stelle wichtig, die Notwendigkeit und die Bereicherung der Zusammenarbeit für beide Fachgebiete deutlich zu machen und damit auch eine Verbesserung des Verhältnisses der Professionen zu bewirken – zugunsten der gemeinsamen KlientInnen und PatientInnen. Dafür werden die Grundlagen von Diagnostik und Intervention der Klinischen Sozialarbeit sowohl theoretisch als auch anhand von verschiedenen Praxisfeldern vermittelt. In Teilen sollen PsychotherapeutInnen sich dadurch angeregt fühlen, einzelne soziale Interventionen in ihre Arbeit zu integrieren, zum anderen soll das Feld der Sozialen Arbeit, insbesondere der Klinischen Sozialarbeit, in seinem ganzen Umfang an PsychotherapeutInnen vermittelt und ihnen darüber für eine gelingende interprofessionelle Zusammenarbeit verdeutlicht und ans Herz gelegt werden.

      Das Buch ist zu diesem Zweck in drei Bereiche unterteilt. Im ersten Abschnitt liegt der Schwerpunkt auf der Erläuterung der Schnittstellen der Sozialen Arbeit und der Psychotherapie. Einleitend erläutert Helmut Pauls in seinem Artikel »Das biopsychosoziale Modell im Kontext sozialer Mitbehandlung« die Notwendigkeit eines multiprofessionellen biopsychosozialen Gesundheitsförderungs- und Krankheitskonzeptes. Das biopsychosoziale Modell gibt eine Anleitung, wie Leiden und Krankheit auf verschiedenen Integrationsebenen in der Behandlung des Einzelfalls im Zusammenwirken der sozialen Lebenslage, individueller Lebensweisen und Lebenskrisen sowie krankheitsbedingter Funktionsverluste angegangen werden können. Für die Intervention im Sinne sozial sensitiver psychotherapeutischer Behandlung bedeutet dies, soziale Prozesse mit psychischen bei der Aufgabenbewältigung zu synchronisieren, d. h., im Rahmen einer ganzheitlichen Diagnostik einen integrativen biopsychosozialen Behandlungsplan zu entwickeln. Der Beitrag plädiert für ein multiprofessionelles biopsychosoziales Gesundheitsförderungs- und Krankenbehandlungskonzept, in dem Medizin, Psychiatrie, (Klinische) Sozialarbeit und Psychotherapie und auch die Pflege einen selbstverständlichen Platz einnehmen.

      Maren Bösel, Silke Birgitta Gahleitner und Helmut Pauls gehen im darauf folgenden Beitrag »Soziale Arbeit und Psychotherapie – ein schwieriges, jedoch auch fruchtbares Verhältnis« auf die Entwicklung und den aktuellen Stand der Zusammenarbeit von Sozialer Arbeit und Psychotherapie bzw. die notwendige Verknüpfung des Sozialbereichs und Gesundheitsbereichs ein und zeigen dabei Grenzen und Potenziale auf. Basierend auf dem vorangegangenen Beitrag wird deutlich, dass eine ernsthafte Anwendung des biopsychosozialen Modells nicht bedeuten kann, die drei Integrationsebenen nur lose nebeneinander bestehen zu lassen oder eine Ebene durch eine andere zu ersetzen, sondern alle drei in der Versorgung zu verbinden, d. h., in ihrer wechselseitigen Verflechtung und Wechselwirkung zu diagnostizieren und ggf. interdisziplinär und kooperativ zu behandeln. Dafür jedoch benötigt es gemeinsame Wissensbestände unter den verschiedenen Disziplinen und Professionen, zu denen der vorliegende Artikel einen Beitrag leisten soll.

      Der erste Bereich wird abgeschlossen mit einem Beitrag von Dario Deloi, Helmut Pauls und Gernot Hahn, die sich in ihrem Beitrag »Klinische Sozialarbeit und Sozialtherapie – Expertise Sozialer Arbeit in der Behandlung von Menschen mit und in sozialen und gesundheitlichen Multiproblemlagen« mit den Möglichkeiten und Grenzen der Sozialtherapie als Intervention in der Behandlung von Menschen mit und in sozialen und gesundheitlichen Problemlagen auseinandersetzen. In der Sozialtherapie realisiert sich die soeben genannte Forderung, KlientInnen und PatientInnen nicht versäult aus den jeweiligen

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