Fürstenkrone Box 14 – Adelsroman. Marisa Frank
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»Wohin wollen Sie fahren, Prinzessin?«, fragte die Zofe scheu.
»Ich weiß es noch nicht. Aber Sie dürfen sich meinetwegen keine Sorgen machen, Barbara. Versprechen Sie mir das?«
Die Zofe nickte und lief fort, um Freder zu bitten, den Wagen des Fürsten vorzufahren.
»Sehen Sie, es wäre doch besser gewesen, ich hätte einen Führerschein gemacht, Barbara«, sagte Diana, als die Zofe wieder bei ihr war. »Dann wäre ich jetzt freier. Ich glaube, ich muss noch sehr viel lernen.«
»Sie wissen schon so viel. All die vielen Sprachen.«
»Das Leben lernen, meine ich, Barbara. Vom Leben verstehe ich sehr wenig.«
Der junge Bedienstete Freder kam. Er trug die beiden schweren Koffer ins Auto und hielt den Wagenschlag auf, damit Diana einsteigen konnte.
Die Zofe weinte, als der Wagen fortfuhr.
Diana hatte eine Hand auf ihren Leib gelegt, als könne sie durch die Berührung der Stelle, unter der ihr Kind heranwuchs, Kraft ziehen.
*
Freder hatte die junge Prinzessin auf ihre Bitte hin an dem kleinen Bahnhof, der zur Ortschaft Buchenhain gehörte, abgesetzt.
Er wollte unbedingt warten, bis der Zug kam, um ihr zu helfen, die Koffer ins Abteil zu laden. Diana verwehrte es ihm jedoch und schickte den Bediensteten zum Schloss zurück.
Der Bahnhofsangestellte glaubte seinen Augen nicht trauen zu dürfen, als er gleich darauf in der jungen Frau, die im dunklen Nerzmantel neben zwei schweren Koffern stand, die Prinzessin erkannte.
Er stotterte, als er sie fragte, wo sie hinreisen wolle und ob sie denn wirklich so ganz allein den Zug nehmen werde.
»Ja, sicherlich.«
»Der nächste ist ein Bummelzug, Durchlaucht. Der geht nur bis Hainbach. Das dauert eine Stunde, bis in Hainbach der Schnellzug kommt.«
»Der Schnellzug nach München, nicht wahr?«
»Ja. Wollen Sie denn wirklich so ganz allein nach München? Ich meine, Sie haben doch auch große Koffer.«
In diesem Augenblick kam der Bummelzug angefahren. Diana lächelte dem Beamten beruhigend zu. Der Zug hielt mit lautem Quietschen.
»Steigen Sie nur ein, Durchlaucht. Ich bringe Ihnen Ihre Koffer«, erbot sich der Beamte.
Der Zug fuhr an. Diana blickte zum Fenster hinaus. Wiesen und Wälder, die zum Besitz des Fürstentums von Buchenhain gehörten, zogen an ihr vorüber.
Bis nach Hainbach dauerte die Reise fast zwei Stunden. Eine weitere Stunde musste Diana auf den Schnellzug warten, der sie nach München brachte.
Sie kannte München von zwei kurzen Reisen her, die sie während ihrer Kindheit, kurz bevor sie ins Internat eingetreten war, mit ihrem Vater unternommen hatte, um Verwandte zu besuchen.
Die Hektik der lauten Großstadt ängstigte Diana, obwohl sie sich diese Angst nicht eingestehen wollte.
Sie fragte einen Taxichauffeur nach einem guten Hotel, und er nannte ihr drei oder vier Luxushotels.
»Bringen Sie mich bitte zum ›Bayrischen Hof‹«, bat Diana.
Im »Bayrischen Hof« mietete sie ein großzügiges Apartment, ohne nach dem Preis zu fragen. Da sie ausspannen wollte, ließ sie sich ein Abendessen auf ihr Zimmer bringen.
Nachdem sie gegessen hatte, legte Diana sich auf das breite Bett und überlegte, was sie nun zu tun hatte. Morgen früh würde sie versuchen, irgendeine Arbeit zu bekommen.
Voller Unruhe erhob Diana sich und trat ans Fenster. Fremde Menschen zogen dort unten auf der Straße vorüber. Limousinen hielten vor dem Eingang des Hotels. Gerade flammten die Straßenlaternen auf.
Diana wollte plötzlich teilhaben an diesem unbekannten Leben auf der Straße. Vielleicht würde sie in dem Gesicht eines der jungen Männer eine Ähnlichkeit mit Hubertus entdecken?
Hubertus! Von München aus wollte sie nach ihm suchen. Er hatte von einem Kusin berichtet, der in München studierte und mit dem Hubertus zusammen aufgewachsen war. Und wenn dieser Kusin nichts über Hubertus’ Aufenthaltsort wusste, so würde Diana nach anderen Spuren suchen.
Sie zog ihren warmen Mantel über und verließ das Hotel.
Ein kalter Herbstwind blies ihr entgegen, als sie auf die Straße trat. Diana schlug den Kragen ihres Pelzmantels hoch.
Ziellos durchquerte sie mehrere Straßen. Aus einigen Restaurants ertönte Musik.
Als sie Durst verspürte, betrat sie ein Kellerlokal. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie allein ein Restaurant oder eine Bierstube besuchte. Um was es sich bei dem Ort, in den sie gerade getreten war, handelte, wusste sie zuerst nicht zu sagen.
Zwei dralle junge Frauen trugen riesige Maßkrüge mit Bier zu den Tischen.
Es herrschte eine laute Fröhlichkeit, die Diana abstieß. Sie hatte auf einer der Holzbänke Platz genommen und ein Bier bestellt. Ein jüngerer Mann, der eine Lederjacke trug, rückte an sie heran, hob ihr seine Maß entgegen und sagte mit tiefer Stimme: »Auf dein Wohl, Madel!«
Diana wollte nicht unhöflich sein und hob lächelnd ihr Glas.
Der Fremde betrachtete ihren Pelzmantel, den Diana nicht ausgezogen hatte, rieb sich dann die Stirn und rückte noch ein Stück näher heran.
»Bist allein?«
»Ja – nein…«
»Na, wirst nicht lange allein sein. Ein so wunderhübsches Madel wie du bist.«
Abwehr gegen die plumpe Vertrautheit des fremden Mannes stieg in Diana auf.
Sie suchte in ihrer Handtasche aus Krokodilleder nach einer Münze, fand keine, legte dann einen Geldschein auf den Holztisch. Und ohne auf das Wechselgeld zu warten, verließ sie nach einem hastig gemurmelten Gruß die Bierstube.
Als sie wieder im Freien war, atmete sie tief die Luft ein. Von einem nahen Kirchturm schlug es zehnmal zu ihr herüber.
Diana entschloss sich, noch ein wenig die Straßen zu durchwandern und dann in den »Bayrischen Hof« zurückzukehren.
Sie kam durch eine schmale Gasse. Vierstöckige Häuser erhoben sich zu beiden Seiten. Nur wenige Laternen verströmten ein schwaches Licht.
Dianas Schritte hallten auf dem Straßenpflaster. Plötzlich hörte sie hinter sich andere Schritte. Nie gekannte Angst ließ sie erschauern. Nun erst nahm sie wahr, dass außer ihr und dem Menschen, der ihr so eilig folgte, kein Fremder zu sehen war.
Sie begann zu laufen und presste dabei ihre Handtasche an die Stelle, unter der ihr Herz wie rasend schlug.
Erzählungen von nächtlichen Überfällen fielen ihr ein.
Auch