Apotheker Melchior und das Rätsel der Olaikirche. Indrek Hargla

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Apotheker Melchior und das Rätsel der Olaikirche - Indrek Hargla Hansekrimi

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dazu bewog, jene Worte in die Revaler Gerichtschronik einzutragen, die allen Forschern bis heute ein Rätsel geblieben sind: »Der Frieden des Herrn sei mit denen, die unserer Stadt Gutes gewünscht haben. Die vor uns lebten, waren Gott näher. Mögen die Gräber schweigen und bleibe bestehen, was von allen am höchsten ist.« Wir wissen nicht, wen Melchior beschuldigt hat oder was aus ihm geworden ist. Der Apotheker Melchior wird in den Ratsbüchern nie wieder erwähnt.

      Prolog

       1409, Domberg 15. Mai, später Abend

      Henning von Clingenstain, der ehemalige Gebietiger des Deutschen Ordens auf Gotland, war sturzbetrunken.

      Eigentlich war er schon fünf Tage lang sturzbetrunken, und wenn der hiesige Komtur ihn nicht großzügig bewirtet hätte – aus der Küche der kleinen Festung des Dombergs wurde von früh bis spät Essen aufgetragen –, so wäre er schon längst umgefallen und eingeschlafen. Doch Reval schien eine reiche und freigiebige Stadt zu sein, ganz anders als Visby. Hier in Reval verstand man zu essen und zu trinken. Hier war es Brauch so zu prassen, wie früher das Volk auf den Stadtfesten von Clingenstains Heimatstadt Warendorf geprasst hatte, soweit er sich daran erinnerte. Und der hiesige Komtur von Spanheim schien der König aller Prasser zu sein. Fünf Tage und Nächte lang hatte sich der Tisch unter Bier, Wein und anderen Köstlichkeiten gebogen. Und es wäre Sünde gewesen, das alles abzulehnen. Wie es eigentlich auch Sünde war, sich volllaufen zu lassen und sich vollzustopfen, aber um diese Sünde hatte sich von Clingenstain schon am Nachmittag gekümmert und hatte vor dem Dominikanerprior die Beichte abgelegt. Und natürlich wurde ihm das Prassen und Saufen vergeben, selbstverständlich.

      Jetzt aber spürte Clingenstain, dass es tatsächlich genug war, seine Innereien revoltierten, sein Schädel brummte und seine Gedanken waren vollkommen durcheinander. Was Wirklichkeit und was nur das Ergebnis seiner Trunkenheit war, merkte er erst, als er nach einigem Umherirren im Nordflügel des Kastells endlich das Seitenportal fand, durch das man über den Wallgraben von der einen Festung in die andere gelangte, von der kleinen Festung in die große, die Bischofsfestung. Ein Knecht öffnete ihm die Tür und der Ritter schwankte in Richtung seiner Herberge. Verflucht, ich sehe schon Teufel, dachte er. Ein Soldat Christi durfte keine Teufel sehen.

      Er trat in die milde Mainacht hinaus und versuchte tief durchzuatmen. Die dunklen Mauern der Festung erschienen ihm wie Schatten aus dem Reich der Dunkelheit, die sich um ihn zusammenzogen. Noch hatte er die fröhlichen Lieder der Musikanten des Komturs im Ohr und in der Festung war das Fest sicherlich noch in vollem Gange. Jetzt aber ragten Pflastersteine aus dem Boden und stellten ihm ein Bein. Der Ordensgebietiger stolperte und stürzte. Wenn er es bis in seine Bleibe schaffen wollte, brauchte er Hilfe.

      »Jochen, du Hurensohn!«, brüllte er. Wo steckte sein Knappe nur wieder? Er sollte eigentlich wie ein treuer Hund an der Seite seines Herrn bleiben, nicht aber sich bei den Huren herumtreiben.

      »Jochen!«, brüllte er noch einmal. »Ich habe nur gezecht, aber du bist wieder mit einem Waschweib auf den Dachboden gekrochen. Jochen, elender Hurenbock!«

      Aber der Knappe war nirgends zu sehen, der Ordensgebietiger von Clingenstain stand allein auf dem Domberg. Auf der anderen Seite des Wallgrabens machten ein paar Ordensdiener ein Feuer, im Hintergrund erhoben sich schwarz die Mauern der Domkirche.

      »Morgen lass ich dir das Fell über die Ohren ziehen«, schwor von Clingenstain, rappelte sich auf und tappte weiter. Verdammt, so hilflos war er nun auch wieder nicht! Er kam auch allein zurecht! Er erinnerte sich wohl, wo er untergebracht war, das war nicht weit von hier, ein Haus direkt an der Festungsmauer, er kam schon allein zurecht.

      Während er zu seiner Unterkunft stolperte, bemerkte der Ordensgebietiger nicht, dass eine Gestalt aus einer dunklen Mauernische trat und ihm heimlich nachging. Er merkte nicht, dass ihm diese dunkle Gestalt bis zur Haustür folgte und sich dabei tunlichst verborgen hielt. Er merkte auch nicht, dass die Gestalt, als er nach langem Hantieren endlich die Haustüre aufbekommen hatte, neben ihm stehen blieb und den Fuß in die Tür stellte. Er blieb in der großräumigen Diele stehen und blinzelte in die Helligkeit. Jemand – wohl Jochen – hatte die Kerzen des Kandelabers angezündet. Der Ordensgebietiger stützte sich am Kamin ab und nahm dann den Kerzenleuchter vom Tisch: Irgendwo hier musste eine Tür sein, die ins Schlafzimmer führte, wenn er sich recht erinnerte und dort stand ein Bett. Er versuchte sich den Mantel abzustreifen, doch der blieb hängen und von Clingenstain wäre fast zu Boden gestürzt. Wenn doch nur dieser verdammte Knecht hier wäre, um ihm beim Ausziehen zu helfen!

      »Jochen!«, donnerte der Ordensgebietiger noch einmal. »Ah, da bist du ja, du Esel!«

      Verschwommen nahm er aus dem Augenwinkel wahr, dass jemand zur Eingangstür hereingekommen war. Das musste Jochen sein, wer sonst!

      »Das nächste Mal schneid ich dir die Ohren ab! Wo hast du dich herumgetrieben, du Hund?«

      Die dunkle Gestalt trat näher an den Ordensgebietiger heran, der kniff die Augen zusammen und ihm schoss gerade noch der Gedanke durch den Kopf, dass Jochen nicht so groß war und keinen solchen Mantel trug, aber das war auch alles, was er noch denken konnte, denn plötzlich ging der Fremde auf ihn los und warf ihn zu Boden. Von Clingenstain stürzte wie vom Blitz getroffen.

      »Räubergesindel!«, keuchte er. »Wie kannst du es wagen, du Schuft, ich gehöre dem Deutschen Orden an!«

      Der Fremde trat ihm mit dem Fuß gegen die Brust, der Ordensgebietiger krümmte sich vor Schmerz. Der Eindringling zog unter seinem Mantel ein Schwert hervor.

      Von Clingenstain spürte, dass er nicht imstande war, sich aufzurichten, geschweige denn zu kämpfen, doch durch die drohende Gefahr und den Schmerz war er schlagartig nüchtern. Beinahe konnte er die Gesichtszüge des Fremden unter der Kapuze ausmachen ...

      »Wer, wer ... bist du?«, wollte er wissen.

      »Jemand, der dafür gebetet hat, deine dreckige Seele ins Jenseits zu befördern,« antwortete ihm eine dumpfe Stimme.

      »Jochen, zu Hilfe!«, rief von Clingenstain, doch sein Hilferuf fiel kläglich aus und war durch die dicken Mauern kaum bis auf die Straße zu hören.

      Mit dem Schwert in der Hand packte der Fremde den Ordensgebietiger und hievte ihn auf den Tisch. Der Ritter versuchte sich zu wehren und sich loszureißen, war dem Eindringling jedoch nicht gewachsen.

      »Was willst du?«, brachte er schließlich hervor.

      »Gerechtigkeit«, lautete die Antwort. Der Mann drückte mit der einen Hand von Clingenstain auf den Tisch, mit der anderen umfasste er das Schwert noch fester. »Du sollst dich im Dreck wälzen und vor Angst um Hilfe flehen. Du sollst sterben, ohne deinen Frieden mit Gott gemacht zu haben und sollst alle deine Sünden mit ins Grab nehmen. Zur Hölle mit dir, von Clingenstain!«

      Ist das nun mein Tod? ging dem Ordensgebietiger durch den Kopf. Ein solcher Tod, nicht auf dem Schlachtfeld mit dem Schwert in der Hand, sondern hier in Reval im Hause eines gewöhnlichen Stadtbürgers, noch dazu sturzbetrunken und durch das Schwert eines Räubers! Heilige Jungfrau Maria, so hätte ich doch nie und nimmer sterben wollen! Nicht hier und jetzt, das habe ich nicht verdient ... Sein Verstand war klar, doch der Körper gehorchte ihm nicht.

      »Wer bist du?«, fragte er noch einmal.

      Statt einer Antwort hielt der Fremde ihm etwas vors Gesicht. Erst erschien der Gegenstand verschwommen, aber schließlich sah Clingenstain ihn deutlich. Und er sah auch, wie der Fremde seine Kapuze zurückschlug. Dieses Gesicht ... dieses Gesicht ... und der Gegenstand in seiner Hand, das

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