Apotheker Melchior und das Rätsel der Olaikirche. Indrek Hargla

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Apotheker Melchior und das Rätsel der Olaikirche - Indrek Hargla страница 8

Автор:
Серия:
Издательство:
Apotheker Melchior und das Rätsel der Olaikirche - Indrek Hargla Hansekrimi

Скачать книгу

hob langsam den Kopf. »Haben sie das auf dem Markt auch erzählt?«, fragte er mit unterdrückter Stimme und sah sich misstrauisch um.

      »Nein, das nicht, aber du hast doch selbst gesagt, dass er Clingenstain hieß, dieser Ritter von Gotland, und jetzt reden die Leute auf dem Markt, dass er in Stücke gehauen worden ist!«

      »In Stücke also?«, brummte der Goldschmied. Und fragte dann streng: »Du hast doch niemandem erzählt, dass ich dem Ritter eine Kette verkauft habe?«

      »Nein, Vater, ich habe nichts gesagt«, beteuerte das Mädchen.

      Casendorpe schob das Rechnungsbuch der Gilde, in das er gerade seine Eintragungen gemacht hatte, beiseite. »Wir könnten ein bisschen spazieren gehen, Hedwig«, sagte er dann. »Zum Beispiel in Richtung Markt und Apotheke.«

      »Ah, du willst die Neuigkeiten also auch hören. Vater, ich habe dir doch gesagt, dass er in Stücke gehauen wurde und ...«

      »Schweig still!«, befahl der Goldschmied seiner Tochter. »Das ist nichts, worüber junge Mädchen sprechen sollten. Warte vor dem Haus, ich mache mich gleich fertig.«

      Gerüchte, Marktgeschwätz – das waren gefährliche Geschichten, die man umgehend hören sollte. Besonders, wenn sie einen Mann betrafen, der eine von dir gefertigte Goldkette um den Hals trug und jetzt tot war.

      Dem Himmel sei Dank, dass er tot war.

      Kapitel 4

       Revaler Marktplatz 16. Mai, Morgen

      Der Oldermann der Bruderschaft der Schwarzhäupter, der Kaufmann Clawes Freisinger, hörte von der Ermordung des Ordensgebietigers Clingenstain ebenfalls auf dem Revaler Markt, wo er mit zwei Schaffern die schmackhaftesten Leckerbissen für das Bierfest am Abend zusammensuchte. Der Onkel des Milchmanns vom Domberg hatte der Tochter des Fischhändlers erzählt ... jemand hatte etwas gesehen, jemand hatte etwas gehört ... der Kopf war abgehauen worden ... eine furchtbare Geschichte ... dass diese Ritterherren auch nicht nüchtern bleiben konnten ... genau der Clingenstain, der schon mehrere Tage lang auf Kosten des Rates in Saus und Braus lebte ... eine schreckliche Schande für die ganze Stadt ...

      Freisinger spitzte die Ohren, aber Gerüchte waren eben nur Gerüchte. Eines war klar – es musste viel Blut geflossen sein.

      Im Gegensatz zum Goldschmiedemeister Casendorpe war der Schwarzhäupter Freisinger sehr neugierig. Im Kaufmannsberuf war kein Gerücht zuviel, im Gegenteil – über die Angelegenheiten, Pech und Unglück, Freuden und Feierlichkeiten einer Stadt Bescheid zu wissen, war einem Kaufmann immer von Nutzen. Ein Kaufmann, insbesondere ein ausländischer Kaufmann musste über die Angelegenheiten der Stadt mehr wissen als ein Ratsherr. Freisinger spitzte die Ohren, doch er hörte zu viele unterschiedliche Varianten. Aber Blut musste viel geflossen sein.

      Er musste mehr erfahren. Er lenkte seine Schritte in Richtung Apotheke, aber bemerkte dann, wie sich von ferne Goldschmiedemeister Casendorpe näherte, seine Tochter Hedwig am Arm. Freisingers Herz machte einen Freudensprung. Dort näherte sich sein zukünftiger Schwiegervater mitsamt der Braut. Für einige Zeit vergaß er die schrecklichen Bluttaten, die sich auf dem Domberg zugetragen hatten.

      Hedwig war Clawes Freisingers Freibrief zu den Reichen und Angesehenen dieser Stadt. Sie war die beste Braut, die in der Stadt zu finden war, zumal sie so hübsch war wie die heilige Ursula und so reich wie ... ja, eigentlich wie Goldschmiedemeister Casendorpe selbst. Hedwig bedeutete für Freisinger den Zugang zur Großen Gilde und den Abschied vom Stand der Schwarzhäupter. In Reval gab es natürlich auch viele, die ihn für den besten Bräutigam der Stadt hielten. Dass er arm war, konnte niemand sagen, dafür sorgte Clawes Freisinger jederzeit. Seine Mäntel und Umhänge waren aus den teuersten Stoffen und seine Hüte genauso prächtig und mit Federn geschmückt wie die eines Barons. Er sparte nie an Geld, wenn er seine Ringe und Ketten kaufte, an seinem Kragen prangte stets eine silberne Brosche und selbst im Winter hing auf seinem Pelzmantel aus den wertvollsten Fellen ein vergoldeter Anhänger.

      Genauso wenig konnte jemand sagen, dass er ungeschickt im Umgang mit Waffen war. Er saß so sicher im Sattel wie ein Ritter, schoss mit der Armbrust so genau wie ein englischer Bogenschütze, und wenn der Rat den Kriegstruppen der Schwarzhäupter befahl, ihre Ausrüstung vorzuzeigen, so war diese immer tadellos in Ordnung, die Harnische glänzten und die Hellebarden waren scharf wie Fleischermesser. Wenn die Gilden der Stadt Kriegsspiele veranstalteten, war es für Freisinger Ehrensache, dass die Schwarzhäupter die meisten Preise gewannen und dass sie bei allen als die tapfersten Soldaten galten.

      Natürlich waren sie nur Kaufleute und die meisten von ihnen zudem Kaufleute aus dem Ausland, aber das Abhalten von Turnieren verlieh allen Städtern das Gefühl, von Adel zu sein, und sei es nur für einen Moment. Und Freisinger war sich ziemlich sicher, dass es für ihn oder einen anderen gestandenen Schwarzhäupter ein Leichtes war, so manchen harrischen Vasallen mit der Lanze aus dem Sattel zu heben.

      Clawes Freisinger lebte seit nunmehr fünf Jahren in Reval und er hielt es für seinen Verdienst, dass die Schwarzhäupter, die vorher ein Schattendasein geführt hatten, nun in der ganzen Stadt bekannt und berühmt waren.

      Freisinger war ledig und in Reval ein begehrter Bräutigam. Er war es gewohnt, dass die Kaufmannsfrauen ihm nachsahen. Die Mädchen hatte er für ihre Gesellschaft niemals bezahlen müssen. All dies war auch für Fräulein Hedwig kein Geheimnis, ganz bestimmt nicht.

      Clawes Freisinger blieb stehen und wartete geduldig, bis das Mädchen ihn bemerkte. Dann nickte er ihm vorsichtig zu und machte mit dem Kopf eine Bewegung in Richtung Westseite des Marktplatzes. Dort würde es ihnen wohl gelingen, sich zu treffen und sich in einer verborgenen Ecke das zu schwören, was sie einander das letzte Jahr immer wieder geschworen hatten.

      Zu seiner eigenen Überraschung war Clawes Freisinger zu dem Schluss gelangt, dass er das Fräulein Hedwig Casendorpe aufrichtig und innig liebte und wohl bereit war, den Preis zu zahlen und den Schwarzhäupterstand aufzugeben, wenn er nur diesen Körper, den er im Moment unter den Kleidern des Mädchens nur erahnte, als rechtmäßig angetraut in sein Bett holen konnte.

      Ich sollte stärker als die Verlockung sein, dachte er, als er nun Fräulein Hedwig wie ein Schafhirte hinterher lief.

      Kapitel 5

       Dominikanerkonvent 16. Mai, Morgen

      Der Dominikanerprior Baltazar Eckell fühlte sich schon seit geraumer Zeit schlecht. Ihn plagten Schmerzen und Sodbrennen, er hatte keinen Appetit, ihm wurde schwindlig und schwarz vor Augen und manchmal, wenn es ihm besonders schlecht ging, glaubte er die Stimme des Erzengels Michael zu hören, der ihn rief und ihm mitteilte, dass er erwartet würde. Vielleicht war seine Zeit auf Erden tatsächlich bald zu Ende, obwohl er doch noch so viel zu tun hatte, vom Bösen verursachte Dinge wieder gut zu machen. Aber gestern war die Zeit auf Erden für einen Mann tatsächlich zu Ende gegangen, das hörte er jetzt von Cellerarius Hinricus, der es vom Koch des Klosters gehört hatte, und der wiederum hatte es auf dem Markt gehört.

      Henning von Clingenstain war auf dem Domberg ermordet worden. Ihm war der Kopf abgeschlagen worden. Der Herr sei ihm gnädig.

      Prior Eckell saß zusammen mit dem jungen Cellerarius im Skriptorium des Klosters. Die Kapitelversammlung war gerade zu Ende gegangen. Schon seit Jahren kam der Prior im Anschluss an die Kapitelversammlung ins Skriptorium, um über himmlische und weniger himmlische Dinge nachzudenken. Die Klosterbrüder waren um diese Zeit in der Stadt beim Predigen oder erledigten andere Dinge

Скачать книгу