David Copperfield. Charles Dickens
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Der trotz alledem bedauernswerte Dichter mußte übrigens sehr bald einsehen, daß er von der durch ihn selbst heraufbeschworenen Neuregelung der Dinge dennoch keinen inneren Frieden gewann. Die alte Unrast und Unbehaglichkeit, für deren einzigen oder doch hauptsächlichen Grund er die häuslichen Zustände gehalten hatte, kehrten nach der Trennung von seiner Gattin nicht nur wieder, sondern erhöhten sich in gesteigertem Maße, und zwar um so heftiger, je mehr er sich gegen die Einsicht sträubte, einen schweren Irrtum begangen zu haben. Dazu kam noch seit dem Jahre 1865 eine Kränklichkeit, der er durch das falsche Mittel zu trotzen versuchte, sich immer gesteigerte Anstrengungen zuzumuten. Von seinen jetzt noch erscheinenden Werken ist die Geschichte der zwei Städte das einzige, das noch das Gemüt innerlich beschäftigt; er hatte, wie er selbst berichtet, als Urstudie dazu seines Freundes Carlyle Revolutionsgeschichte einige fünfzig Male durchgelesen. Die anderen Romane zeigen in Aufbau und Handlung zwar noch immer die ursprüngliche Meisterschaft, doch es strömt einem aus ihnen nicht die Freude entgegen, die man aus seinen früheren Werken mit den herzerwärmenden Gestalten herausfühlte, weil das Leben, das der Dichter zeigt, sich ihm nicht mehr in der früheren Ungezwungenheit offenbart, sondern daß er es mit einiger Mühe suchen muß, um es zu zeigen.
Die erwähnte zweite amerikanische Reise, die ihm ungefähr eine halbe Million Mark einbrachte, hatte bei den unerhörten physischen und geistigen Anstrengungen seine Gesundheit stark angegriffen. Aber er wurde es kaum gewahr im Taumel der Begeisterung, die ihm von Stadt zu Stadt folgte. Bei einem großen, ihm zu Ehren gegebenen Festmahl in Neuyork sagte er den Amerikanern, daß sich in den letzten 25 Jahren dort alles auf das vorteilhafteste verändert habe und er darum nicht vergessen werde, dies bei einer neuen Ausgabe der Noten und des Chuzzlewit zu betonen.
Dickens starb plötzlich, durch einen Schlaganfall, inmitten der Abfassung eines neuen Romans »Das Geheimnis Edwin Droods«, der auf zwölf Monatshefte berechnet war, aber mit dem sechsten Hefte im Juni 1870 seinen vorzeitigen Abschluß fand. Aus seinen letzten Stunden erzählt Forster folgendes: »Er verließ das Schweizerhäuschen spät; aber vor dem Diner, das auf sechs Uhr bestellt war, da er nachher noch einen Spaziergang aufs Land machen wollte, schrieb er einige Briefe, darunter einen an seinen Freund Charles Kent, worin er eine Zusammenkunft mit ihm in London für den folgenden Tag verabredete, und das Diner hatte bereits angefangen, als Miß Hogarth mit Bestürzung einen eigentümlichen Ausdruck von Unruhe und Schmerz auf seinem Gesicht bemerkte.
»Seit einer Stunde«, sagte er ihr dann, »sei er sehr krank gewesen«, aber er wünschte, daß das Diner seinen Verlauf nehme. Dies waren die einzigen wirklich zusammenhängenden Worte, die er sprach. Es folgten ihnen einige Worte über ganz andere Dinge, die ihm unzusammenhängend entfielen: über eine bevorstehende Auktion im Hause eines Nachbars, darüber, ob Macreadys Sohn bei seinem Vater in Cheltenham sei und über seine eigene Absicht, sofort nach London zu gehen. Aber bei diesen letzten Worten war er aufgestanden und nur die Unterstützung seiner Schwägerin hinderte es, daß er da hinfiel, wo er stand. Sie bemühte sich dann, ihn nach dem Sofa zu führen, aber nach einem kurzen Kampfe sank er schwer auf seine linke Seite nieder. »Auf dem Boden«, waren die letzten Worte, die er sprach. Es war jetzt etwas mehr als zehn Minuten nach sechs Uhr. Seine beiden Töchter kamen noch an demselben Abend mit Mr. Beard, an den man auch telegraphiert hatte und den sie an der Station trafen. Sein ältester Sohn traf in der Frühe des nächsten Morgens ein, und am Abend folgte ihm (zu spät) sein jüngerer Sohn aus Cambridge. Alle mögliche ärztliche Hilfe war herbeigerufen worden. Der Arzt aus der Nachbarschaft war von Anfang an da, und außer Mr. Beard war noch ein anderer Arzt aus London eingetroffen. Aber alle menschliche Hilfe war vergeblich. Es hatte ein Bluterguß ins Gehirn stattgefunden, und obgleich ein röchelndes Atmen noch die ganze Nacht hindurch und bis 10 Minuten nach 6 Uhr am Donnerstag abend, den 9. Juni, fortdauerte, war während der vierundzwanzig Stunden nie ein Hoffnungsstrahl aufgedämmert. Er hatte ein Alter von 58 Jahren und 4 Monaten erreichte
Carlyle, der ihm bis zuletzt am nächsten gestanden hatte, schrieb: »Ich kenne ihn nun seit fast dreißig Jahren. Bei jedem neuen Zusammensein trat mir immer deutlicher der selten und große Wert dieses Menschenbruders entgegen, bis er mir zuletzt so nahe stand wie kein anderer Mann unserer Zeit. Ein herzlicher, aufrichtiger, klar blickender, ruhig entschiedener, gerechter und liebender Mann. Sein Tod ist ein Weltereignis: ein Unikum von Talenten plötzlich erloschen; mit ihm scheint die harmlose Fröhlichkeit der Nationen plötzlich verdunkelt. Der gute, freundliche, hochbegabte, edle Dickens; jeder Zoll an ihm ein anständiger Mann!« Und Julian Schmidt setzt hinzu: »Dieses Zeugnis eines würdigen Mannes muß man zu den Schilderungen Forsters hinzufügen, damit das Bild nicht schielend werde: was im Charakter von Dickens Unbefriedigendes bleibt, hängt aufs engste mit der Größe seiner Gaben zusammen und ruft mehr unser Mitleid als unseren Tadel hervor.«
Die Aufregung und der Schmerz bei seinem Tode sind noch in frischer Erinnerung der älteren Generation. Ehe die Nachricht auch nur die abgelegeneren Teile Englands erreichte, war sie schon über Europa hingeblitzt, war sie bekannt in den fernen Kontinenten von Indien, Australien und Amerika, und hatte nicht nur unter englisch redenden Völkern, sondern in jedem Lande der zivilisierten Erde Schmerz und Sympathie erweckt. In seinem eigenen Vaterlande war es, als wäre ein jeder von einem persönlichen Verluste betroffen worden. Die Königin telegraphierte aus Balmoral »ihr tiefstes Bedauern über die traurige Nachricht von Charles Dickens Tode«, und dies war die Empfindung aller Klassen ihres Volkes. Es gab keine englische Zeitung, die ihr nicht einen rührenden und edeln Ausdruck verlieh, und die Times war es, die zuerst die Ansicht aussprach, daß die einzig passende Ruhestätte für die Reste eines von dem englischen Volke so geliebten Mannes die Abtei sei, in der die berühmtesten Engländer bestattet sind.
Der Dekan von Westminster verlor keine Zeit, dem auf diese Weise ausgesprochenen allgemeinen Wunsche ein bereitwilliges Gehör zu schenken und machte schon am Morgen des Tages, an dem jener Artikel erschien, der Familie und deren Vertretern eine entsprechende Mitteilung. Die öffentliche Huldigung eines Begräbnisses in der Abtei mußte versöhnt werden mit Dickens' eigenen Verordnungen, daß er still, ohne vorhergehende Ankündigung der Zeit und des Ortes und ohne Denkmal oder Erinnerungszeichen begraben werden wolle. Er hätte selbst am liebsten in dem kleinen Kirchhofe unter der Schloßmauer in Rochester geruht, oder in den kleinen Kirchen von Cobham oder Shorne; aber es fand sich, daß alle diese geschlossen seien, und man war schon auf den Wunsch des Dekans und des Kapitels von Rochester, ihn in ihrer Kathedrale zu bestatten, eingegangen, als die Bitte des Dekans von Westminster und die rücksichtsvolle Freundlichkeit seiner edeln Versicherung, daß kein anderes Zeremoniell stattfinden solle, als ein solches, das mit allen Erfordernissen eines Privatbegräbnisses im Einklang stehe, die Annahme dieses Anerbietens zu einer wohltuenden Pflicht machte. Die Stätte war bereits von dem Dekan ausgewählt worden, und vor Mittag, am folgenden Morgen, Dienstag, den 14. Juni, war, unter dem ausschließlichen Mitwissen derer, die an dem Begräbnis teilnahmen, alles vollendet. Die Feierlichkeit hatte nichts verloren durch ihre Einfachheit. Nichts so Großartiges oder Ergreifendes hätte sie begleiten können als die Stille und das Schweigen der gewaltigen Kathedrale. Dann, später am Tage und den ganzen folgenden Tag, kamen freiwillige Leidtragende in solchen Scharen, daß der Dekan um Erlaubnis bitten mußte, das Grab bis Donnerstag offen zu halten; aber auch nachdem es geschlossen war, hörten sie nicht auf zu kommen, und »während des ganzen Tages«, schrieb Doktor Stanley, »war ein beständiges Gedränge nach der Stätte hin und viele Blumen wurden von unbekannten Händen gestreut, viele Tränen von unbekannten Augen vergossen.« Er bezog sich darauf in der ergreifenden Leichenrede, die von ihm am Sonntag morgen, den 19. Juni, in der Abtei gehalten wurde, indem er hinwies auf die von neuem gestreuten frischen Blumen (wie sie noch immer gestreut werden im vierten Jahre nach Dickens' Tode), und sagte, daß »diese Stätte hinfort eine heilige sein werde, in der Alten wie in der Neuen Welt, als die Ruhestätte des Repräsentanten der Literatur, nicht dieser Insel allein, sondern aller derer, die in englischer Zunge reden.« Der darauf gelegte Stein trägt die Inschrift: