David Copperfield. Charles Dickens

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David Copperfield - Charles Dickens

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es durch sprachliche Eigentümlichkeiten, sei es durch seltsame Gewohnheiten, voneinander abheben. – Gerade hierauf sei noch einmal als auf eine Eigenschaft hingewiesen, durch die sich Dickens wesentlich von seinem Rivalen Thackeray unterscheidet: Thackeray ergreift nur die inneren Vorgänge und läßt das äußere Akzidens lediglich aus sich selbst heraus erwachsen, Dickens legt das Hauptgewicht auf die Schilderung der umgebenden Außenwelt, und geht von dieser aus erst in zweiter Linie auf das Seelische ein. Diese Eigenheit ist zur Achillesferse der Dickensschen Muse geworden; denn als sich der Dichter in der Beobachtung und Schilderung der realen Welt erschöpft hatte (und selbst eine Dickenssche Beobachtung mußte sich endlich einmal erschöpfen), da war er gezwungen, seine Zuflucht zu Phantasiegebilden zu nehmen, die in seinen späteren Werken um so weniger lebenswahr oder auch nur lebensfähig ausfielen, jemehr sich seine ungezügelte Phantasie der Kontrolle der Verstandestätigkeit zu entziehen wußte.

      Das in vorstehendem kurz Dargelegte zeigt sich in allen Schöpfungen von Dickens, der schon 1837 das Fundament zu seinem Ruhme mit den Pickwickiern legte, die er im Verein mit dem Illustrator Hablot Browne herausgab und die in kürzester Zeit in 30 000 Exemplaren verkauft wurden und wodurch der Autor »the rage« wurde. Man könnte glauben, daß diese Geschichten aus fertigen Illustrationen hervorgegangen wären, doch ist dem nicht so; die Zeichnungen sind erst nach Angabe des Dichters entworfen. Obwohl ich den in den meisten dieser satirischen Zeichnungen obwaltenden glücklichen Humor durchaus nicht verkenne, muß ich die Bilder im Ganzen doch roh in der Erfindung und plump in der Ausführung nennen. Und ich muß mich, so oft ich sie betrachte, immer wieder wundern, daß Dickens mit all seinen verschiedenen Zeichnern im Wesentlichen stets zufrieden gewesen ist. Die Illustrationen müssen doch daher eine gewisse Ähnlichkeit mit den Personen gehabt haben, wie sich der Autor von ihnen in seiner Seele eine Vorstellung gemacht hatte: also charakteristisch, aber einseitig und etwas fratzenhaft. Der tollausgelassene Humor der Pickwickier kann auf allzu hohen künstlerischen Wert keinen Anspruch machen, weit mehr aber sein nächster Roman Nikolas Nickleby, während im Oliver Twist die geschilderten Vorgänge teilweis etwas an den Kolportage-Roman erinnern. Doch gerade in diesem letzten Roman hat Dickens im Sinne des praktischen Christentums gewirkt wie kein zweiter Romanschriftsteller.

      Schon früh öffnete ihm sein Ruf die beste Gesellschaft, und er wurde allgemach mit den berühmtesten Schriftstellern bekannt und befreundet. Vornan stand Carlyle, den er bei allen späteren Entwürfen und Arbeiten zu Rate zog, und namentlich Harte Zeiten und die Geschichte zweier Städte sind ganz unter dem Einflüsse der Gespräche und der Lektüre der Carlyleschen Werke geschrieben worden. Dann kamen Wilkin Collins, Bulwer, der sich immer sehr freundlich und anerkennend gegen ihn benahm, Ainsworth, Yates, Thackeray und zuletzt George Eliot, »Dies ist ein Umstand,« sagt Julian Schmidt, »um die wir die Engländer sehr zu beneiden haben; ihre hervorragenden Talente halten eng zusammen und zeigen in ihrem Verkehr nicht nur gegenseitige Achtung, sondern wirkliche Teilnahme.« Freilich haben wir noch einen anderen Grund des Neides: für den ersten Abdruck des »Barnaby Rudge« (1840) erhielt Dickens 60 000 Mark. Aber auch damit war der erfolgreiche Novellist nicht zufrieden, sondern suchte immer nach neuen Mitteln, einen höheren Ertrag zu erzielen. So schrieb er im Oktober 1840: »Es erfüllt mich mit Zorn, daß meine Bücher jedermann bereichern, nur nicht mich, daß sie dem Verleger ein ungeheures Vermögen, mir selbst aber nur eine klägliche, dürftige Summe eingebracht haben.« Man vergleiche dazu sein Testament, in dem er fast 2 Mllionen Mark nach unserem Gelde hinterließ und das doch nur aus Honoraren bestand.

      Die politische Gesinnung von Dickens war von jeher eine radikale gewesen, d. h. was die Engländer darunter verstehen: er suchte eine Partei, die sich gleich unabhängig von den Tories wie von den Whigs, hauptsächlich mit den Interessen der notleidenden Klassen beschäftigte. Sein Haß gegen das Manchestertum stammt von Carlyle her. Aber über das, was geschehen sollte, war er sich ebensowenig klar wie sein Vorbild; er suchte nur zu zeigen, daß die Lösung in keiner Weise befriedigen könne, die man bisher gefunden zu haben glaubte. Wenn er von politischen Grundsätzen im allgemeinen spricht, ist er ziemlich unbedeutend in dem, was er heranzubringen weiß. Dagegen hat er, wie ich schon oben bemerkte, auf bestimmte Schäden der Londoner Gesellschaft sehr nachdrücklich hingewiesen und zu ihrer Abhilfe in vielen Punkten beigetragen; ja es ließe sich wohl im einzelnen leicht nachweisen, welche bestimmten Reformen aus den oder jenen seiner Romane zurückzuführen sind. Man erinnere sich der Schuldgefängnisse in den Pickwickiern, in Copperfield und in Klein-Dorrit, man denke an die Satire auf die Kirchspielsverwaltung in Oliver Twist, man vergegenwärtige sich wieder das Verfahren des Kanzleigerichtshofes in Bleak House.

      Was hier auch in künstlerischer Hinsicht getadelt werden muß, z. B. die Einseitigkeit und Übertreibung, sowie das Abstrakte in der Zeichnung der tadelnswerten Charaktere, das wird reichlich wettgemacht durch die praktische Wirkung seiner Schriften, die sich noch im heutigen England bemerkbar macht, nämlich das rühmenswerte Bestreben, das Los der Armen und Enterbten nach besten Kräften zu erleichtern. Nicht frei von den soeben erwähnten Mängeln ist auch Humphrys Clock, ein 1842 veröffentlichter Roman, der überhaupt an Längen und Unklarheiten leidet, aber als Ersatz einige der ergreifendsten Szenen bietet, die dem liebenswürdigen Novellisten jemals glückten. Vor allem müssen wir hier der berühmten Figur der Kleinen Nell gedenken, die schon damals zahllose Leser in Tränen auflöste und sogar den greisen Kritiker Lord Jeffrey zu dem Ausruf hinriß, daß seit Cordelia keine so rührende Gestalt gezeichnet worden sei!

      So war denn auch der pekuniäre Erfolg gerade dieses Romans ein ganz beispielloser; außerdem wurde der junge Verfasser von der schottischen Nation als Ehrengast eingeladen und in Edinburg auf einem öffentlichen Festmahl gefeiert, so daß er mit einem Schlage eine europäische Berühmtheit wurde. Natürlich wollte, wie schon damals und noch heute, Amerika nicht zurückbleiben und lud den Dichter gleichfalls ein, was Dickens, wie er nachher erfahren mußte, zu seinem Leidwesen annahm, da eine gegenseitige Entfremdung die Folge war.

      Im Januar 1842 tritt er seine Reise nach Nordamerika an. Der Entschluß kam wie alle seine Entschlüsse plötzlich, ohne alle Vorbereitung, und er befand sich in dem gewöhnlichen Fieber, bis die der Ausführung entgegenstehenden Schwierigkeiten beseitigt waren. Die Frau begleitete ihn, die Kinder blieben bei einer befreundeten Familie zurück. Was er in Amerika erlebte und erfuhr, hat er in den American Note's und im Martin Chuzzlewit so vollständig beschrieben, daß den Briefen nur eine dürftige Nachlese übrigblieb, die sich in der Hauptsache auf die Aufzählung der festlichen Gastmähler beschränkt. Aber wir erfahren etwas gründlicher, was ihn damals verstimmte: wenn man ihn in der Gesellschaft seinem eigenen Urteile nach so glänzend empfing wie vorher nur Lafayette, so wurde er dagegen im Privatverkehre »unerhört begaunert«.

      Ferner mußte er auf Schritt und Tritt Rede stehen, was er über die Sklaverei denke, und da konnte er natürlich mit seinem gerechten Zorn nicht zurückhalten, sondern machte seiner Entrüstung darüber ungescheut Luft. Endlich hatte er gehofft, es durch seinen persönlichen Einfluß dahin zu bringen, daß ein Gesetz gegen den unberechtigten Nachdruck englischer Bücher erlassen würde, und damit fand er nirgend auch nicht den geringsten Anklang. Seine gründliche Verachtung gegen dies amerikanische Piratentum und gegen fast alle Einrichtungen des großen Staatswesens, sowie seinen Widerwillen gegen die Amerikaner an sich, gegen ihr Menschentum, ihren Snobismus, ihren teils recht verlogenen Lebenswandel und ihren ekelhaften Geschäftsgeist legte er in den erwähnten Noten zur allgemeinen Zirkulierung (1842) und in Martin Chuzzlewit (1843) nieder. Letzterer Roman enthält die wütendsten Ergüsse seiner ausfallenden Satire und die bissigsten Übertreibungen in der Karikierung seiner Personen, z. B. des Architekten Pecksniff und der Hebeamme Mrs. Gamp mit ihrem Idol Mrs. Harris. Es ist wohl das bitterste, was überhaupt gegen das Erblaster des heuchlerischen Cant geschrieben worden ist, und Mr. Pecksniff kann sich sehr gut neben Molières Tartuffe behaupten. Allerdings sah er bei seinem scharfen Auge und seiner blühenden Phantasie alles greller, als es in Wirklichkeit war, und vergebens widerrieten ihm gute Freunde den allzu lebhaften Ausdruck seines Widerwillens. In solchen Dingen war ihm aber schwer beizukommen. Das einzige, was sie erreichten, war die Unterdrückung des geplanten Mottos zu den Noten: »Auf eine Frage des Richters bemerkte der Bank-Advokat, diese Sorten Noten zirkulierten

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