David Copperfield. Charles Dickens
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Hatte sich früher, etwa bis zur Beendigung des Copperfield, seine innere Unruhe mehr darin gezeigt, daß er mit Vorliebe seinen Aufenthaltsort wechselte, so trat jetzt auch darin eine Veränderung ein. Die Erfindung sprudelte nicht mehr so leicht als früher hervor, was er schon bei der Beendigung von Bleak House gemerkt hatte, wo er diesem Mangel durch allerhand bis dahin verschmähte Mittel, wie Notizen und ähnliches, abzuhelfen suchte. Oft hatte er das beängstigende Gefühl, daß es ihm nicht gelingen werde, den weitausgespannten Rahmen seiner neuen Entwürfe genügend mit lebendigen Gestalten auszufüllen; dann wurde er ungeduldig, warf seine Arbeiten beiseite und stürzte sich mit Gier in Beschäftigungen, die außerhalb seines Talentes lagen, in Journalistik oder politische Agitationen. In dieser Stimmung wurde es ihm immer schwerer, zu entbehren; er sprach in Andeutungen von einer »so glücklichen und doch so unglücklichen Existenz«, und brach in die herzbewegliche Klage aus: »Wie seltsam es auch sein mag, niemals Ruhe, niemals Befriedigung zu finden, immer nach etwas zu suchen, was nie erreicht wird, sich immer mit Plänen, Entwürfen und Sorgen zu beladen, so ist es mir doch klar, daß es so sein muß, daß ich von einer unwiderstehlichen Macht getrieben werde, bis mein Tagewerk zu Ende ist. Für manche Menschen gibt es keine Ruhe.«
Später, im Frühherbst 1857, erwiderte er auf ernste Hinwendungen seines Freundes Forster folgendes: »Es ist zu spät zu sagen: Lege den Zaum an und stürme nicht die Berge hinauf! Du sagst es dem unrechten Manne. Meine einzige Befreiung liegt jetzt im Handeln. Ruhe ist mir unmöglich geworden. Ich bin vollkommen überzeugt, daß ich rosten, brechen und sterben würde, wenn ich mich schonte. Viel besser, tätig zu sterben. Zu dem, was ich auf diese Weise bin, schuf mich erst die Natur, und meine jüngste Lebensweise hat es leider bekräftigt. Ich muß den Nachteil – da es doch einmal einer ist – mit den Talenten, die ich habe, hinnehmen, und ich muß leben nach den mir vorgeschriebenen Bedingungen.«
Hierbei ist zu bemerken, sagt Forster, daß etwas von demselben traurigen Gefühl, auch im Zusammenhange mit dem Mangel an häuslicher Befriedigung und mit der Besorgnis, von Zeit zu Zeit während der vorhergegangenen drei Jahre (1853–56) Ausdruck gefunden hatte; aber ich schrieb dies anderen Ursachen zu und beachtete es wenig. Während seiner Abwesenheit auf dem Festlande in den Jahren 1854, 1855 und 1856, als seine älteren Kinder aus der Kindheit heranwuchsen und seine Bücher ihm weniger leicht wurden als im früheren Mannesalter, kamen in seinen Briefen schon Spuren jenes »unglücklichen Verlustes und Entbehrens eines gewissen Etwas« zum Vorschein, dem er im Copperfield eine durchdringende Bedeutung gegeben hatte.
In dem ersten jener Jahre machte er eine ausdrückliche Anspielung auf diese Art von Erfahrung, die er in jenem Lebenswerke beschrieben hatte, und identifizierte sie, im Hinweis auf die Nachteile seines eigenen Lebens, zum erstenmal mit seiner eigenen: »Nie so glückliche und doch so unglückliche Existenz, die ihre Wirklichkeiten in Unwirklichkeiten sucht und ihren gefährlichen Trost findet in einem beständigen Entrinnen aus den sie umgebenden Täuschungen des Herzens.« Und später schrieb er aus Boulogne: »Ich habe schreckliche Gedanken, ganz allein für mich irgend wohin fortzugehen – auf sechs Monate. Rastlosigkeit, wirst Du sagen! Was es auch sein mag, es treibt mich unaufhörlich und ich kann nichts dagegen tun ... Ich befinde mich in einem aufgelösten Zustande!... Wie kommt es, daß, wenn ich jetzt in trübe Stimmung verfalle, immer ein Gefühl über mich kommt wie bei dem armen David Copperfield, von einem Glück, das ich im Leben verfehlt, und von einem Freunde und Genossen, den ich nie gefunden habe?«
Immer wieder ist er bemüht, in einem bestimmten Verhältnis den Grund für seine Unbehaglichkeit zu suchen, bis er endlich gegen Forster mit der Sprache herausrückt: »Die arme Käthe und ich, wir sind nicht füreinander gemacht. Dem läßt sich nicht abhelfen. Es ist nicht nur, daß sie mich unbehaglich und unglücklich macht, ich mache sie ebenso und noch weit mehr. Was Freundlichkeit und Gefälligkeit betrifft, so ist sie noch ganz die alte, aber wir stimmen einmal nicht zusammen; Gott weiß, sie würde tausendmal glücklicher geworden sein, wenn sie einen anderen Mann geheiratet hätte. Es schneidet mir oft ins Herz, wenn ich daran denke, wie traurig es ist um ihrer selbst willen, daß ich ihr in den Weg kam. Würde ich heute krank, sie würde das größte Mitgefühl mit mir haben, aber der Augenblick, daß ich gesund wäre, würde das alte Elend wieder hervorrufen. Nichts in der Welt kann sie dahinbringen, mich wirklich zu verstehen. Auch ihr Temperament stimmt nicht zu dem meinigen. Ich habe es lange kommen sehen, niemand kann mir helfen. Warum ich das schreibe, weiß ich kaum, aber es ist immer eine Art erbärmlicher Trost, mich einmal aussprechen zu können.« Darauf hat ihm Forster anscheinend ernstliche Vorstellungen gemacht, denn Dickens antwortet ihm: »Ich weiß sehr gut, daß ein großer Teil meiner Rastlosigkeit mit dem imaginativen Leben zusammenhängt, das ich führe. Für die Freuden dieses Lebens, das mich mit den höchsten Empfindungen beglückt, bin ich nicht undankbar; ich habe mir wiederholt gesagt, man müsse davon auch die Schattenseite hinnehmen. Ich will in keiner Weise behaupten, daß ich keinen Tadel verdiene. Ich kenne meine tausend Ungewißheiten, Launen und Gemütsschwierigkeiten. Aber damit wird die Sache nicht besser. Für uns beide wird mit den Jahren das Mißverständnis immer schwieriger zu ertragen, und ich sehe kein Ende ab. Aber nur eines wird all dies ändern und das ist das Ende, das alles ändert.«
Es wird den meisten nicht scheinen, daß hier etwas vorlag, was nicht unter glücklicheren Umständen einer umsichtigen Erledigung fähig gewesen wäre. Aber alle Umstände waren ungünstig, und der mäßige Mittelweg, auf den die Eingeständnisse in jenem Briefe hinwiesen und den sie vollständig gerechtfertigt haben würden, wurde unglücklicherweise nicht eingeschlagen. Alle Einflüsse, die dem einen Gedanken, der ihn jetzt beherrschte, hätten entgegenwirken können, waren so geschwächt, daß sie beinahe machtlos waren. Seine älteren Kinder waren keine Kinder mehr; seine Bücher hatten damals die Bedeutung verloren, die sie früher vor allen Dingen in seinem Leben gehabt hatten, und in sich selbst besaß er nicht die Hilfsquellen, die man bei einem Manne wie ihn hätte erwarten mögen, wenn man ihn von der Oberfläche aus beurteilte. Nicht nur sein Genie, sondern seine ganze Natur war allzu ausschließlich aus der Sympathie für das Wirkliche in seiner intensivsten Gestalt zusammengesetzt, um gegen die Mängel der ihn umgebenden Wirklichkeiten hinreichend gerüstet zu sein. Es gab für ihn keine »Stadt des Geistes« zu innerem Schutz und Trost gegen alle äußeren Übel.
Von da an verbohrte er sich immer tiefer in den Gedanken, daß etwas geschehen müsse! Immer lautere Aufregungen suchte er und fand doch keine Befriedigung darin, immer wieder suchte er in und aus dem Wirklichen noch die Freiheit und Befriedigung eines Ideals, und eben durch seine Versuche, der Welt zu entrinnen, sah er sich immer nur wieder in ihr Gedränge zurückgetrieben. Aber was er dort hätte suchen mögen, gewährt sie niemandem, und das Bemühen, das Unendliche aus etwas so endlichem zu gewinnen, hat schon manches stärkere Herz gebrochen.
Zuletzt erfaßte ihn ein glühender Haß gegen den Gedanken an Haus und Heim. Nach 22jähriger Ehe, die ihn mit neun Kindern beschenkte, kam es im April 1858 zur Trennung. Der älteste Sohn blieb bei der Mutter, die anderen Kinder blieben beim Vater, dem von jetzt an seine Schwägerin Georgine den Haushalt führte. Im übrigen war es den Kindern unbenommen, mit der getrennten Mutter in jeder gewünschten Weise zu verkehren.
Forster fügt dieser »Anordnung streng privater Natur« mit Recht die Bemerkung hinzu, das das Weitere das Publikum nichts anginge. Er beklagt auch lebhaft, daß sich Dickens einmal, durch allerhand böswilliges Geschwätz verleitet sah, in seiner Zeitschrift, den Household Words, etwas darüber zu sagen. Indessen war das Los, das die beiden Ehegatten traf, kein ganz gleiches; denn während Dickens selbst nach wie vor im öffentlichen Leben stand und glänzte, führte seine Frau ein dunkles, einsames Leben. In seinem Testamente fordert er die Kinder dringend auf, ihrer Tante die größte Verehrung und Liebe zu bewahren, während von ihrer Mutter nur insofern die Rede ist, als daß sich Dickens gegen den etwaigen Verdacht zu rechtfertigen sucht, daß er sie in pekuniärer Hinsicht nicht reichlich genug