Die Todgeweihten. F. John-Ferrer

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Die Todgeweihten - F. John-Ferrer

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tritt wild auf die Bremse. Der Wagen schleudert. Die Pneus radieren auf dem Asphalt. Dengler flucht wie ein kanadischer Holzfäller, als er den Fiat in den Straßengraben schaukelt und aus dem windschief hängenden Vehikel springt. Keine Sekunde zu früh.

      Die Jabos sind da. Die erste Maschine hüpft über die Chaussee hinweg, legt sich auf die Seite, kurvt über dem Meer ein und kommt zurück. Eine dünne Rauchfahne weht hinter ihr her. Jetzt dröhnt die zweite und sofort hinterher die dritte Maschine heran.

      Haben die Briten den Wagen gesehen? Er hängt im Straßengraben unter einem alten Olivenbaum. Die beiden Insassen liegen etwas davon entfernt und pressen sich in den Graben hinein.

      Jetzt dröhnt der erste Jabo heran; er fliegt die Chaussee entlang, hinter ihm her die beiden anderen. Weg sind sie. Aber jetzt … Es kracht ein paarmal, scharf und kurz. Fast gleichzeitig hört man das Knattern der Bordwaffen.

      Brandt und Dengler heben den Kopf, robben zum Grabenrand hoch und schauen nach vorn. Etwa drei Kilometer entfernt, vielleicht auch etwas näher, liegt eine Ortschaft. Dort blitzt es und kracht es. Rauch steigt auf, Flammen …

      »Diese Hunde«, sagt Dengler, »dort vorne haben sie was fertig gemacht.«

      Die Jabos kreisen über dem Dorf. Fliegen noch zweimal an. Die Bordkanonen knattern. Schwärzlicher Rauch kennzeichnet die Stelle, wo irgendetwas zusammengeschossen wurde. Ein Haus? Ein deutsches Militärfahrzeug?

      »Komm«, sagt Brandt und springt auf.

      Brandt schwingt sich in den Wagen, startet, ruckt an, karrt den Fiat endlich aus dem Graben und jagt auf die Rauchwolke zu.

      Die Jabos sind abgeflogen. Am Ortseingang brennt ein Omnibus. Lichterloh steht er in Flammen. Eine lebendige Fackel stürzt heran, fällt nieder und wälzt sich auf der Straße.

      Mit wildem Ruck hält Brandt den Wagen an und springt heraus. Dengler hinterher. Ein Bild des Grauens bietet sich ihnen. Der Omnibus ist mit Marinesoldaten besetzt. Niemandem ist es gelungen, aus dem zerschossenen und brennenden Wrack herauszukommen. Man sieht das große Fahrzeug kaum. Beißend dicker und rußender Rauch hüllt alles ein. Ein Glutgürtel liegt um das Fahrzeug und verhindert jede Hilfeleistung. Im fressenden Rot sieht man ein paar Gestalten in den Fenstervierecken hängen, tot, verbrannt, ehe sie herauskonnten. Etwas weiter vorne liegt eine Gestalt auf der Straße, die Arme weit von sich gestreckt, das Gesicht auf die Erde gedrückt. Der Fahrer. Tot. Erschossen.

      »Hier gibt es nichts mehr zu helfen«, sagt Dengler. »Alles hin.«

      Das Omnibuswrack verschmort mit hässlichem Geräusch. Kein Hilferuf mehr, kein Jammerschrei. Die Jabos haben ganze Arbeit geleistet. Niemand ist dem Tod entkommen. Die Flammen verzehren die Reste von dem, was einmal Menschen waren.

      Brandt und Dengler können hier nicht helfen. Nur die beiden Toten, der eine verbrannt, der andere von einem Dutzend Kugeln getroffen, werden beiseitegeräumt und in den Straßengraben gelegt. Die Hitze ist unerträglich.

      Brandt und Dengler laufen wieder zum Wagen zurück. Brandt setzt sich hinter das Steuer und taxiert den schmalen Raum zwischen dem brennenden Wrack und dem Straßengraben, gibt entschlossen Gas und jagt den Fiat durch den Wall sengender Hitze.

      Sie kommen durch, ohne dass der Wagen Feuer fängt.

      »Vielleicht ist im Dorf ein Telefon«, meint Dengler.

      Brandt schweigt. Mit finsterer Miene fährt er in die Ortschaft ein. Sie besteht nur aus einer Handvoll ärmlicher Häuser. Kein Mensch ist zu sehen. Erst als Brandt auf die Hupe drückt, tauchen ein paar Gesichter auf, angstverzerrt.

      Auf Brandts Frage, ob es hier ein Telefon gebe, kommt eine verneinende Antwort. Der schlohweiße Alte, der befragt wurde, schaut entsetzt zum Ortseingang, wo der Bus brennt, und bekreuzigt sich.

      »O mio dio«, murmelt er.

      »Keinen Zweck«, sagt Dengler. »Schauen wir zu, dass wir weiterkommen, sonst haben wir die Jabos noch einmal auf dem Hals.«

      Einsam ist die Straße. Kein Fahrzeug begegnet ihnen. Erst kurz vor der nächsten Ortschaft taucht ein Sanka auf, der nach Ancona fährt.

      Brandt informiert den mitfahrenden Unterarzt.

      »Sie können nicht mehr helfen«, sagt er. »Keiner ist herausgekommen. Benachrichtigen Sie bitte die Kommandantur von Ancona.«

      Sie tauschen noch ein paar Worte. Dann setzt Brandt sich neben Dengler und fährt weiter.

      »Die werden immer frecher«, sagt Dengler zu Brandt. »Möchte wissen, wo unsere großdeutsche Luftwaffe ist? Herr Meyer in Berlin ist wohl wieder auf der Bockjagd!«

      Brandt antwortet nicht; er starrt die Chaussee entlang. Das, was eben passiert ist, passiert mittlerweile überall. Vom der deutschen Luftwaffe ist nicht mehr viel zu sehen. Ist man vielleicht dem großen Ende näher, als man denkt? Wie lange dauert dieser Irrsinn noch? Warum setzt man sein Leben noch einmal aufs Spiel?

      »Sei ehrlich, Jok«, sagt Dengler. »Weißt du überhaupt noch, wie ’ne deutsche Me 109 oder Focke-Wulf aussieht? Ich nicht. Man könnte meinen, es gebe nur noch Tommies und Amis auf der Wiese des lieben Gottes, und uns gehört nur noch ein Stückchen Deutschland, so groß wie das Kornfeld meiner Tante Fini in Dorsten.«

      »Halt endlich den Schnabel!«, belfert Brandt.

      »Zu Befehl, Herr Leutnant«, grinst Dengler, nimmt Haltung an und beginnt mit dem Kopf zu wackeln und zu singen:

      »Deutschland, Deutschland, armes Deutschland,

      langsam kommst du auf den Hund …«

      Es klingt boshaft und traurig zugleich.

      Es ist dunkel geworden. Der kleine Fischerort San Giorgio verrät seine Existenz nur mit ein paar dünnen Lichtstrahlen, die durch verschlossene Fensterläden fallen. In den schmalen Gassen, die vom winzigen Marktplatz zum Hafen hinunterführen, liegt der Geruch von Fisch und geteerten Booten.

      Langsam schiebt sich ein Wagen durch die schmale Straße und hält vor dem kleinen Municipio. Wie ausgestorben ist der enge Platz. Denn gleich ist der Zeitpunkt da, an dem »Pipo«, der Nachtjäger, seinen Kontrollflug längs der Küste abkurvt und liebend gern auf Lichtquellen Bomben wirft oder kurz die Bordwaffen rütteln lässt.

      »He!«, ruft eine Stimme aus dem haltenden Wagen. »Wo ist die Villa Flora?«

      Eine Gestalt tritt näher und gibt halblaut Antwort.

      »Grazie, amigo«, sagt Brandt. Dann schnurrt der staubbedeckte Fiat wieder zum Städtle hinaus, biegt links ab und hoppelt einen schlechten Weg hinan, der schließlich vor einem großen, schmiedeeisernen Tor endet.

      »Wer da?«, ertönt es drinnen, und der abgeblendete Strahl einer Taschenlampe tastet Fahrzeug und Besucher ab.

      »Kommando Seeadler«, erwidert Brandt. »Wir werden erwartet.«

      »Va bene«, ertönt es hinter dem eisernen Zierat. Kreischend öffnet sich ein Torflügel. Zwei Posten bewegen sich im Halbdunkel.

      Brandt winkt Dengler und geht dem Wagen voran auf eine zwischen großen Bäumen liegende Villa zu. Der Putz ist an verschiedenen Stellen schon abgebröckelt, und große, wie riesige schwarze Augen glotzende

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