Auf den Flügeln der Liebe. Barbara Cartland
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Auf den Flügeln der Liebe - Barbara Cartland страница 5
Er hatte geahnt, daß für seinen Vater jegliche Gesellschaft, und sei sie auch noch so alltäglich, besser war, als allein dazusitzen und auf eine Stimme, die nie mehr ertönen würde zu lauschen oder auf Schritte, die sich nie wieder nähern würden, oder auf das Rascheln eines Kleides, das seine Besitzerin nie wieder tragen würde.
Auch er hatte dieses schmerzliche Verlangen nach etwas, das für immer aus seinem Leben entschwunden war, kennengelernt. Auch er hatte sich gefragt, ob das Leben wohl je wieder so wie früher sein werde, ohne den Menschen, der es so ausgefüllt, der es zu so etwas Wundervollem, Aufregendem gemacht hatte.
Seine Mutter war sehr hübsch gewesen, und er wußte, daß er ihr sehr ähnelte, mehr als seinem Vater, und daß sie mit gutem Grund so oft gelacht und ihn »mein kleines französisches Baby« genannt hatte.
Im ersten Jahr nach ihrem Tod konnte er es nicht einmal ertragen, an sie zu denken. Er sprach nicht mehr Französisch, und hörte auch nicht zu, wenn irgendjemand Französisch sprach; doch als der erste, schlimmste Schmerz über den Verlust verklungen war, lernte er jede Erinnerung an sie, jedes ihrer Worte, das er noch wußte, schätzen und wie einen Schatz hüten.
Und jetzt fiel ihm alles wieder ein - ihre Sätze, ihre Ausrufe, die faszinierenden und amüsanten kleinen Redewendungen, die sie immer gebrauchte und die ihn jedes Mal wieder zum Kichern brachten.
Während er über das weite Land dahinritt, in dem sie geboren war, hatte er das Gefühl, als begleite sie ihn und führe ihn durch dieses größte Abenteuer, auf das er sich je eingelassen hatte.
Nach zehn Tagen gelangte Armand in die Nähe von Paris. Das Wetter war herrlich warm, doch eine sanfte Brise wehte über das Land, so daß es sich selbst um die Mittagszeit gut weiterreiten ließ.
Inzwischen wartete Armand ungeduldig auf den Moment seiner Ankunft am Ziel. Er hatte keine Pläne, keine Vorstellungen, was geschehen sollte, sobald er in Paris eintraf, und doch war er von dem Drang beseelt, auf schnellstem Wege dorthin zu gelangen.
Er wollte die Aufgabe, die er übernommen hatte, beginnen, wollte sich an die Arbeit machen. Die Reise hatte ihm Gelegenheit gegeben, sich gut vorzubereiten, auf alles - und sei es noch so seltsam, noch so unerwartet - gefaßt zu sein.
An einem Mittwochabend ritt er die lange, gerade Straße entlang, die zu dem Dorf St. Denis führte. Die ersten Sterne erschienen am Himmel, der Mond ging auf. Armand zog seine Uhr aus der Tasche, es war bereits Viertel vor zehn.
Er war ebenso müde wie sein Pferd. Eigentlich hätte er schon fünfzehn Kilometer vorher zu Abend essen und sich in einem Gasthof zum Schlafen einquartieren sollen, aber er steckte voller Ungeduld. Jetzt jedoch, da er in St. Denis war und wußte, daß es nur ungefähr siebenunddreißig Kilometer von Paris entfernt lag, beschloß er, die Nacht über hierzubleiben.
Die Landschaft war wunderschön - überall wuchs grünes Gras, und üppige, hohe Bäume säumten die Straßen und den wellenförmigen Berghang.
Armand erreichte den Dorfgasthof, der, wie nicht anders erwartet, klein und spärlich möbliert war. Doch alles wirkte sauber, und der Wirt beeilte sich, das Abendessen und eine Flasche Wein für Armand zu holen. Beides war so appetitlich, daß er sich nicht lange bitten ließ. Als sein Hunger gestillt war, ging er zum Stall, um nachzusehen, ob sein Pferd ordentlich gestriegelt und mit Streu versorgt war.
Als er wußte, daß alles seine Ordnung hatte, schlenderte er gemächlich die Dorfstraße entlang. Nach dem langen Tagesritt tat es gut, sich die Beine zu vertreten, und bald bog Armand von dem gepflasterten Weg ab in einen schmalen Feldweg, der, wie er feststellte, von einer hohen Mauer begrenzt war.
Die Mauer war von gewaltigen Ausmaßen, mindestens zehn Meter hoch, und von Eisenspitzen als unübersehbares Abschreckungsmittel für etwaige Eindringlinge gekrönt. Doch sie stellte gar kein so unüberwindbares Hindernis dar, wie es im ersten Moment schien, denn ein Stück weiter unten war sie teilweise zusammengebrochen, so daß ein Loch entstanden war, durch das man leicht mit Pferd und Wagen hätte eindringen können.
Neugierig spähte Armand zwischen den Bäumen und Büschen hinter der Mauer hindurch und entdeckte in der Ferne etwas silbrig Glitzerndes.
Da er ohnehin nichts Besseres zu tun hatte, kletterte er über die am Boden liegenden Steine und wagte sich über einen weichen Teppich aus Kiefernnadeln und Moos, zwischen Bäumen hindurch, weiter ins Innere des Gartens hinein.
Hinter der zusammengestürzten Mauer hatte er ein verfallenes Château erwartet, wie er es nur zu oft auf seiner Reise von der Küste hierher gesehen hatte; aber obgleich er ein gutes Stück Weg zurücklegte, entdeckte er nirgends ein Gebäude; die Bäume lichteten sich, doch dahinter lag ein kleiner See, der von einem künstlichen Wasserfall gespeist und von hohen Bäumen überschattet wurde.
Dies also war der silberne Schimmer, den er aus der Ferne gesehen hatte. Einen Augenblick lang stand er wie angewurzelt da, fasziniert von dem wunderbaren Anblick.
Dort, wo Armand aus dem Wald hervortrat, plätscherte ein Wasserfall herab; oberhalb davon lag vermutlich ein See und darüber vielleicht noch einer.
Links von dem Wasserfall stand ein kleiner griechischer Tempel aus Marmor, der früher einmal elfenbeinweiß gewesen sein mußte, mit der Zeit jedoch verwittert und mit einer bunt schillernden Patina überzogen war, und an dessen Säulen Geißblatt und Rosen üppig emporrankten.
Der Mondschein flutete auf den kleinen, von dunklen Bäumen eingesäumten Tempel, von dem aus Stufen aus Stein hinunter zum See führten. Alles lag still da, nur das leise Plätschern des Wasserfalles und die zauberhaften, sanften nächtlichen Geräusche des Waldes waren zu hören.
Armand stand unbeweglich da. Es war nicht nur die Schönheit dieses Ortes, die ihn bannte. Fast schien ein Zauber auf ihm zu liegen, er spürte, daß dieser Augenblick unsagbar wichtig war, er ahnte, daß sich hier etwas Entscheidendes ereignen würde.
Während er so dastand, erfüllt von einer seltsamen, unerklärlichen Vorahnung, schritt eine Frau, fast ein Mädchen noch, die Stufen vom Tempel herab. Sie bewegte sich sehr langsam und war in ein weißes, durchsichtiges Tuch gehüllt, das sie vorn zusammenraffte. Sie erreichte die letzte Stufe, die vom Tempel ins Wasser führte, blieb dort stehen und sah sich um, als atme sie tief die Schönheit der Natur ein. Dann ließ sie das Tuch, das sie trug, langsam sinken - so langsam, daß es fast aussah wie ein Nebel, der der Morgensonne weicht; es glitt auf ihre Taille hinab und dann zu ihren Füßen.
Sie warf den Kopf in den Nacken und wandte ihr Gesicht dem Mond entgegen, der über den Bäumen schien. Völlig nackt, von einer unbeschreiblichen Schönheit, stand sie da, weiß und vollkommen, und doch leuchtend wie eine Perle vor dem Hintergrund des grauen Gesteins. Sie erinnerte an eine antike griechische Statue.
Doch ihre wogenden, runden Brüste, die langen, schlanken Beine und die stolze, kräftige Linie ihres Rückens hatten nichts Antikes oder Lebloses an sich.
Ihre Taille ließ sich mit zwei Händen umfassen, und ihr langer, anmutiger Hals verlieh ihrem hübschen Kopf etwas Vornehmes, das selbst aus dieser Entfernung erkennbar war.
Eine Sekunde stand sie noch so da, dann tauchte sie in das Wasser ein. Sie schwamm über den See, drehte, schwamm zurück und erklomm erneut die Stufen. Glitzernd stand sie im Mondschein, Wassertropfen fielen schillernd auf den Boden zu ihren Füßen.
Ihr Haar hob sich dunkel von ihren Schultern ab. Sie nahm es und schlang es mit einer unendlich langsamen, sanften