Mansfield Park. Jane Austen
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«Das war wirklich arg. Arme Miss Sneyd! Obwohl ich keine jüngere Schwester habe, fühle ich mit ihr. Vorzeitig übergangen zu werden – das muß sehr ärgerlich sein. Doch es war ausschließlich die Schuld der Mutter. Miss Augusta hätte sich zu ihrer Gouvernante halten müssen. Solche Halbheiten tun nie gut. Aber jetzt müssen Sie meine Neugier betreffs Miss Price befriedigen. Besucht sie Bälle? Ist sie nur zu meiner Schwester gekommen, oder wird sie auch in andere Häuser zum Essen eingeladen?»
«Nein, ich glaube, sie war noch nie auf einem Ball», erwiderte Edmund. «Meine Mutter geht selten in Gesellschaft und speist niemals auswärts, außer bei Mrs. Grant, und Fanny bleibt mit ihr zu Hause.»
«Oh, dann ist die Sache ganz klar. Miss Price ist nicht eingeführt.»
6. Kapitel
Mr. Bertram reiste ab, und Miss Crawford machte sich darauf gefaßt, eine große Lücke in ihrem Kreis zu finden und ihn bei den jetzt fast täglich stattfindenden Begegnungen der beiden Familien schmerzlich zu vermissen. Als sie kurz nach seiner Abreise alle zum Essen nach Mansfield Park geladen waren, nahm sie ihren gewohnten Platz am unteren Ende der Tafel mit recht melancholischen Erwartungen ein. Sie war sicher, daß die Mahlzeit äußerst langweilig verlaufen würde. Edmund, der an Stelle seines Bruders den Hausherrn spielte, würde im Gegensatz zu diesem nichts zu sagen haben. Er würde die Suppe ganz temperamentlos austeilen, den Wein ohne Lachen und nette Scherze einschenken und die Rehkeule tranchieren, ohne eine einzige lustige Anekdote über einen früheren Wildbraten oder eine unterhaltsame Geschichte über «meinen Freund Soundso» zum besten zu geben. Ihr einziges Amüsement würde wohl darin bestehen, aufzupassen, was am oberen Ende der Tafel vor sich ging, und Mr. Rushworth zu beobachten, der heute zum erstenmal seit dem Eintreffen der Crawfords in Erscheinung trat. Er war bei einem Freund in der benachbarten Grafschaft zu Besuch gewesen, und da dieser Freund kürzlich seine Parkanlagen von einem Fachmann hatte umgestalten lassen, war Mr. Rushworth jetzt ganz von diesem Gegenstand erfüllt und höchst begierig, seine eigene Besitzung auf die gleiche Weise zu verschönern. Obwohl er nicht viel Zweckmäßiges vorbrachte, konnte er von nichts anderem reden. Das Thema war bereits im Salon abgehandelt worden und wurde nun im Eßzimmer wieder aufgegriffen. Mr. Rushworth wünschte offensichtlich vor allem, Miss Bertram dafür zu interessieren und ihre Meinung zu hören; und obwohl sich in ihrer Haltung eher das Bewußtsein ihrer Überlegenheit als Anteilnahme an seinen Bestrebungen verriet, erfüllten sie die Erwähnung von Sotherton Court und die damit zusammenhängenden Aussichten mit einer Selbstzufriedenheit, die sie davor bewahrte, ausgesprochen ungnädig zu wirken.
«Ich wollte, Sie könnten Compton sehen», sagte Mr. Rushworth. «Es ist wirklich vollkommen. Ich habe nie im Leben eine solche Veränderung gesehen. Ich habe zu Smith gesagt, ich wüßte gar nicht, wo ich wäre. Die jetzige Zufahrt ist etwas Großartiges. Das Haus präsentiert sich ganz überraschend. Ich muß sagen, wie ich gestern nach Sotherton zurückkam, sah es aus wie ein Gefängnis – ein düsteres, altes Gefängnis.»
«Oh, schämen Sie sich!» rief Mrs. Norris.
«Wahrhaftig, ein Gefängnis! Sotherton Court ist der vornehmste alte Landsitz der Welt.»
«Aber es muß verschönert werden, gnädige Frau, es muß unbedingt verschönert werden. Ich habe nie im Leben einen Platz gesehen, der so dringend eine Verschönerung gebraucht hätte. Und es sieht so hoffnungslos aus, daß ich gar nicht weiß, was man damit anfangen kann.»
«Kein Wunder, daß Mr. Rushworth gegenwärtig so denkt», bemerkte Mrs. Grant lächelnd zu Mrs. Norris. «Aber keine Sorge – Sotherton wird bald in jeder Beziehung verschönert sein, wie es seinem Herzenswunsch entspricht.»
«Ich muß versuchen, etwas daraus zu machen, aber ich weiß nicht was», erklärte Mr. Rushworth. «Ich hoffe, daß meine Freunde mir dabei helfen werden.»
«Ich stelle mir vor, daß in diesem Fall Ihr bester Freund Mr. Repton wäre», bemerkte Miss Bertram ruhig.
«Ja, daran denke ich auch. Nachdem er sich bei Smith so bewährt hat, sollte ich ihn vielleicht sofort engagieren. Sein Honorar beträgt fünf Guineen täglich.»
«Und wenn es zehn wären, bedeutet das für Sie kein Hindernis!» rief Mrs. Norris. «Die Kosten spielen keine Rolle. Ich an Ihrer Stelle würde nicht an die Kosten denken, sondern alles im besten Stil und so gut wie möglich ausführen lassen. Ein Platz wie Sotherton Court ist des Besten würdig, was Geld und Geschmack zu leisten vermögen. Sie haben Raum für alle erdenklichen Anlagen und ein Grundstück, aus dem sich etwas machen läßt. Ich für mein Teil, wenn ich nur ein Fünfzigstel eines solchen Besitzes hätte, würde ihn ständig umgestalten und verschönern, denn das tue ich für mein Leben gerne. Mit dem winzigen Stückchen Land, das ich jetzt habe, wäre es lächerlich, etwas Derartiges anzustreben – die reine Farce. Aber wenn ich mehr Platz hätte, wäre es mein höchstes Vergnügen, ihn zu verschönern und zu bepflanzen. Im Pfarrhof haben wir ja in dieser Hinsicht allerlei vollbracht, wir haben den Platz zur Unkenntlichkeit umgewandelt. Ihr jungen Leute erinnert euch nicht, wie es früher war; sofern unser lieber Sir Thomas hier wäre, könnte er euch erzählen, welche Verbesserungen uns zu verdanken sind. Wir hätten noch viel mehr getan, wenn mein armer Norris nicht so leidend gewesen wäre. Der Arme, er war ja kaum jemals imstande, vor die Tür zu gehen, um sich daran zu erfreuen, und das hat mir natürlich auch die Lust genommen, die verschiedenen Pläne auszuführen, die Sir Thomas und ich besprochen hatten. Wäre das nicht gewesen, hätten wir die Gartenmauer weitergeführt und die Sträucher angepflanzt, die den Blick auf den Friedhof ausschließen, wie Dr. Grant es getan hat. Trotzdem haben wir ständig etwas verbessert. Ein Jahr vor dem Tod meines armen Norris haben wir noch den Aprikosenbaum an der Stallmauer gepflanzt, der jetzt zu einem so prächtigen Baum herangewachsen ist und immer noch schöner wird, Sir», schloß sie, zu Dr. Grant gewandt.
«Der Baum gedeiht, das ist nicht zu leugnen, Madam», versetzte Dr. Grant. «Der Boden ist gut. Und ich gehe nie vorbei, ohne zu bedauern, daß die Früchte von so schlechter Qualität sind, daß sie kaum das Einernten lohnen.»
«Aber, Sir, es ist ein Moorpark, wir haben ihn als Moorpark gekauft, und gekostet hat er uns – das heißt, es war ein Geschenk von Sir Thomas, aber ich habe die Rechnung gesehen und weiß, daß er sieben Shilling gekostet hat, weil es ein echter Moorpark ist.»
«Da hat man Sie angeschmiert, Madam», erwiderte Dr. Grant. «Diese Kartoffel hier besitzt eher das Aroma einer Moorpark-Aprikose als die Früchte von jenem Baum. Es ist im besten Fall ein fades Obst, aber eine gute Aprikose ist zumindest genießbar, was man von denjenigen in meinem Garten nicht behaupten kann.»
«Die Wahrheit ist nämlich», flüsterte Mrs. Grant über den Tisch hinweg Mrs. Norris angelegentlich zu, «daß Dr. Grant gar nicht weiß, wie unsere Aprikosen schmecken. Er bekommt sie kaum jemals zu kosten. Die Früchte sind so gut verwendbar, und die