Chinesische Medizin gegen Krebs. Georg Weidinger
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Nicht für jede Formel chinesischer Kräuter in diesem Buch gibt es heute schon eine klinische Studie. Aber in der Praxis ist jeder Therapievorschlag hundertfach erprobt! Die westliche Medizin fordert im Sinne der EBM, der Evidenzbasierten Medizin, also der «beweisbasierten Medizin», für jede medizinische Behandlung klar definierte Studien. Doch Studien kosten viel Geld und dieses wird jener zur Verfügung stellen, der sich davon einen Profit erhofft. So gibt es die pharmakologischen Studien bei uns, die durch die Pharmaindustrie selbst bezahlt werden. So laufen viele Studien an chinesischen Einrichtungen für Chinesische Medizin mit der Hoffnung auf den Geldsegen aufgrund der Ergebnisse. Das große Problem bei den Studien mit chinesischen Kräutern ist, dass die Therapie meist stark an den Patienten angepasst werden muss. Wir sprechen von «individualisierter» Therapie. So wird es schwierig, genügend Patienten für eine Studie zur Verfügung zu haben, wenn jeder dann eine andere Kräutermischung bekommt.
Ich spreche in diesem Buch nicht von «Traditioneller Chinesischer Medizin», sondern von «Chinesischer Medizin». Die Chinesische Medizin inkludiert das alte Wissen aus China der dokumentierten letzten 2 300 Jahre UND die neuen Erkenntnisse der Chinesischen Medizin sowie der traditionellen Arzneien in China, den USA und Europa. Dabei werden neue Ansätze entwickelt und ausprobiert, Mischungen aus chinesischen Kräutern in Kombination mit westlichem Wissen erprobt und es wird versucht, eine Art «Weltmedizin» zu formen, die allen Menschen zur Verfügung stehen soll. Übrigens verwende ich in dem Buch die Diktion «die Chinesen sagen», oder «chinesisch bedeutet das» und meine damit «in der Chinesischen Medizin sagen wir» oder «in der Chinesischen Medizin bedeutet das». So spreche ich auch zu meinen Studenten und meinen Patienten, wie es eben ein europäischer «Chinesendoktor» tut.
«Medizin ist keine Wissenschaft! Medizin ist ausprobieren und schauen, was passiert!», hat schon mein Vater, der Internist und ärztlicher Leiter eines Wiener Spitals war, gesagt. Wir nennen das «empirische Wissenschaft». Und das ist im Endeffekt auch das, was zählt: Es wirkt oder es wirkt nicht! Denken Sie an all unsere Medikamente, die gerade am Markt sind. Damit ein Medikament zugelassen wurde, mussten die Unternehmen klar definierte Studien vorlegen, welche die Wirksamkeit und die überschaubare Nebenwirksamkeit beweisen. Und dann sehen Sie sich Metastudien an, die man nach Jahren der Anwendung eines bestimmten Medikaments macht, um zu sehen, ob all die Versprechen der Wirksamkeit und sinnhaften Anwendung erfüllt wurden, oder ob nicht vielleicht durch die Anwendung ganz andere neue Erkrankungen entstanden sind. Sehen Sie sich solche Studien zum Beispiel bei Osteoporose-Mitteln, Cholesterinsenkern oder Blutdrucksenkern an! Und sehr schnell werden Sie bemerken, warum bei uns medizinisches Wissen von vor zehn Jahren oft als bereits komplett veraltet gilt.
Ist es nicht herrlich, dann mit einer Medizinform zu arbeiten, die sich über die Jahrtausende bewährt hat? Ist es nicht vermessen, dann für jede Anwendung eine Studie zu fordern, wenn sich diese in der Praxis der letzten Jahrhunderte tausendfach bewährt hat, und das ganz ohne Nebenwirkungen?
Unser Umgang mit dem Wissen der Welt erinnert mich oft an den Stil des mitteleuropäischen Kolonialismus der letzten Jahrhunderte: Man nimmt sich das, was man brauchen kann, und den Rest entwertet man mit der Bezeichnung «vorsintflutlich» oder «hinterwäldlerisch». Doch dann macht sich ein Arzt, eine Ärztin, ein Institut, eine Klinik, die Mühe und leistet sich den finanziellen Aufwand einer Studie, bestätigt mit dieser das uralte Wissen der Chinesischen Medizin und siehe da, auf einmal hat man es «eh schon immer gewusst» und kann nun das uralte Wissen als neueste Therapieform verkaufen … So sind wir hier im Westen …
Diagnostik
Es ist mir ein großes Anliegen, mit diesem Buch Betroffene zu erreichen, die den Kampf gegen ihren Krebs aufgenommen haben und zusätzliche Wege suchen, ihren Körper zu unterstützen. Gleichzeitig möchte ich auch allen Ärzten ein lehrreiches Buch in die Hände legen, damit sie ihre Patienten mit dem Wissen und aus Überzeugung auch über die Möglichkeiten der Chinesischen Medizin während und nach einer Krebstherapie beraten können. Aus Erfahrung tun sich westlich geschulte Ärzte viel schwerer, unser chinesisches Denkgerüst anzunehmen als Patienten oder Laien. Das liegt wohl daran, dass uns, und da muss ich mich einschließen, das sogenannte wissenschaftliche Denken Sicherheit vermittelt, Sicherheit, die wir über die Jahre des medizinischen Alltags immer wieder Gefahr laufen zu verlieren, aber dann doch umklammern und als «Wahrheit» annehmen, in Ermangelung einer Alternative. Wie herrlich einfach ist das Leben, wenn man das System, das man in seinem Beruf tagtäglich praktiziert, nie in Zweifel ziehen muss! Wie herrlich, wenn ein Weg keine Abzweigungen, Umleitungen oder Alternativwege kennt! Sie stellen das Navigationsgerät ihres Berufslebens auf einen Ort ein und ein Weg erscheint vor Ihnen auf dem kleinen Monitor, welcher Ihnen dann auch noch mit freundlicher Stimme vorgesagt wird. Herrlich, oder?
Dabei fällt mir eine liebe Freundin ein, die vornehmlich im Frühjahr und Herbst über eine verstopfte Nase und juckende Augen klagte. Die Beschwerden waren nicht dramatisch, aber doch lästig. Und so wollte sie wissen, ob eine Allergie dahintersteckte. Sie ist daher in ein Allergieambulatorium gegangen und der zuständige Arzt hat sie mit Haut- und Bluttests auf allerlei Allergene getestet. Nachdem sämtliche Ergebnisse vorlagen, traf sie den Arzt zu einem Gespräch. «Also, die Untersuchungen haben ergeben, dass Sie nichts haben. Sie sind völlig gesund», sprach der Arzt. «Aber meine Beschwerden? Die volle Nase, die juckenden Augen?», so meine Freundin. Und der Arzt fasste es so zusammen: «Sie können keine volle Nase haben und Ihre Augen können nicht jucken! Da ist nichts! Sie sind gesund!» Und so entließ er sie, mürrisch, weil sie seine Zeit vergeudete.
So erlebe ich es in der Schulmedizin leider immer wieder. Wenn Ihre Symptome nicht in die schulmedizinische Wirklichkeit passen, existieren sie dort nicht. Im freundlichsten Falle wird man dann vielleicht noch zum Psychologen oder Psychiater geschickt, weil die Erkrankung ja wohl «psychisch» oder «eingebildet» sein muss, oder man bekommt den Vorwurf zu spüren, dass man simuliere, weil man sich soziale und damit ökonomische Vorteile erhoffe.
Der Untersucher und dessen Methode wird zumeist nicht hinterfragt. Um beim Beispiel der vollen Nase meiner Freundin zu bleiben, wäre es ja möglich, dass sie auf etwas reagiert, auf das sie nicht getestet wurde, oder dass eine «Idiosynkrasie» vorliegt, also eine Imitation der Allergiesymptome. Vielleicht wurden die Beschwerden auch durch Allergene getriggert, ohne nachweisliche Allergenreaktionen auf Haut und im Blut. Es könnte sich auch um etwas anderes handeln, zum Beispiel um eine lokale Gefäßmissbildung in der Nase mit überschießender Kontraktionsreaktion auf Wind oder was auch immer. «Ich kann nichts nachweisen, also existiert es nicht» ist der falsche Ansatz. «Ich kann nichts nachweisen, also muss ich weitersuchen» wäre wohl die korrekte Reaktion. «Ich kann nichts nachweisen, also muss ich noch viel lernen», das wäre wohl der zielführende Ansatz, um weiterzulernen.
Und so möchte ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der westlichen Medizin (zumal ich weiß, dass die meisten Patientinnen und Patienten mir vertrauen und ich mir hoffentlich ihr Vertrauen verdiene), ein einfaches Beispiel beschreiben, wie wir chinesisch mit unserem Diagnosesystem zu einer korrekten Therapie kommen.
Basis unserer Diagnostik ist, neben dem Gespräch mit dem Patienten und dem sorgfältigen Beobachten seines Verhaltens und seines Körpers, das Ertasten des Pulses, zumeist in der Position der Arteria radialis beidseits, der Unterarmarterie auf Höhe des Handgelenks, und das Betrachten der Zunge. Der Einfachheit halber betrachten wir hier einmal nur die Zunge.
Stellen Sie sich einen chinesischen Arzt zur Zeit von Konfuzius, also etwa 500 vor Christus unserer Zeitrechnung, im alten China vor. Unser Arzt lebt in einem ländlichen Dorf, abgeschieden von großen Städten, in denen wohl die weisen bekannten Ärzte der Zeit leben. Unser Arzt ist jung und seine Erfahrung gering. Eines Tages kommt sein erster Patient zu ihm, ein Dorfbewohner, der über starke Bauchschmerzen und Durchfälle