Mami Bestseller Staffel 3 – Familienroman. Jutta von Kampen
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Urte spürte einen nadelfeinen Stich in der Herzensgegend. Sie wußte nicht, was sie antworten sollte. Aber der Professor bemerkte gar nicht, daß sie schwieg.
»Ich glaube«, meinte er schließlich, »daß nur eine Frau meinen Sohn wandeln könnte. Eine vernünftige Frau, nicht eine dieser aufgeputzten Puppen.«
Urte lachte leise, obwohl eine seltsame Wehmut sie erfüllte. »Sehr schmeichelhaft ist Ihr Urteil nicht gerade für die Dame.«
Der Gelehrte winkte ab. »Aber treffend! Leider, das ist es ja! Welch vernünftige Frau würde das Risiko eingehen, sich mit einem Mann zu befassen, der so einen Lebensstil vorführt wie mein Herr Sohn. Wenn er nicht bald zur Vernunft kommt, dann ist Hopfen und Malz verloren, fürchte ich.«
»Aber vielleicht will er sich gar nicht wandeln. Sicher fühlt er sich sehr wohl.«
»Das ist es ja. Was soll man machen? Er ist erfolgreich, er ist ein moderner Mensch. Aber ob er sich in seinem Privatleben glücklich fühlt, das wage ich zu bezweifeln. Der Mann ist erst ein Ganzes, wenn er die zu ihm passende Hälfte gefunden hat.«
Urte sah den Professor aufmerksam an. »So kann man nur aus eigener Erfahrung sprechen!«
»Stimmt genau. – Die meisten Menschen spötteln darüber und wissen gar nicht, daß sie damit ihre eigene Gefühlsarmut offenbaren. Aber leider ist es auch so, daß nur wenige Menschen dem richtigen Partner zur rechten Zeit begegnen!«
Urte seufzte tief auf. »Ja, das stimmt!«
Jetzt lächelte der Professor. Es war ein wissendes Lächeln. »Kein Grund zur Verzweiflung, mein Kind. Man muß warten können – das ist das Geheimnis.«
Diese Feststellung hatte etwas Tröstliches. Die Wehmut paarte sich mit der Hoffnung, und Urtes Herz wurde etwas leichter.
Für den Rest des Weges schwiegen beide und ließen den Abendfrieden auf sich wirken. Gegen den hellen Nachthimmel stand die mittelalterliche Silhouette wie ein Scherenschnitt. Urte spürte, wie die geheimnisvolle Aura der vergangenen Jahrhunderte sie anwehte.
*
Am nächsten Morgen schreckte Urte aus einem Alptraum auf. Sie stand am Rande eines Kraters aus Eis und plötzlich brach eine Feuersäule aus, die sie weit fortschleuderte. Sie fiel rasend schnell und dann hörte sie ein bekanntes Lachen. Sie sah die Frau mit den kupferroten Haaren und den eisblauen Augen.
»Das ist mein Revier!« rief die Mondäne. »Merk es dir!« Und dann wieder dieses Lachen.
Urte war erwacht. Das Lachen kam von Veronika. Das kleine Mädchen saß am Fußende des Bettes.
»Du bist zusammengezuckt, Urte!« Es lachte wieder.
Urte spürte noch heftiges Herzklopfen. Sie fuhr sich über die Stirn. »Ich bin im Traum gefallen.«
Veronika nickte verständnisvoll. »So was habe ich auch schon geträumt. Da kriegt man einen schönen Schreck, nicht?«
»Kind, du wirst dich wieder erkälten, komm unter die Decke!«
Wie ein Kätzchen huschte Veronika unter die angehobene Bettdecke. Sie kuschelte sich eng an Urte und seufzte zufrieden.
Urte spürte die Wärme des kleinen Körpers und alle Beschützerinstinkte wurden in ihr wach. Je länger sie sich mit dem Kind beschäftigte, um so schwerer würde es ihr fallen, sich von ihm zu trennen. Was sollte nur werden?
»Ich glaube, du hast heute kein Fieber mehr«, sagte Urte und legte die Hand auf die Stirn des Kindes.
»Nein – muß ich nun fort von hier?« In den Vergißmeinnichtaugen stand die nackte Angst, und das Gesicht des Kindes wirkte plötzlich schmal und eingefallen.
»Aber nein!« Urte drückte den kleinen Körper an sich. »Zuerst einmal mußt du dich richtig erholen. Du darfst heute auch noch nicht aufstehen, sonst bekommst du einen Rückfall.«
»Im Bett ist es aber so langweilig, wenn du nicht da bist. Bleibst du hier?«
»Natürlich, Ika. Vielleicht gehe ich einmal kurz in die Stadt und hole dir ein Spiel, irgend etwas, womit du dich beschäftigen kannst. Was möchtest du haben?«
»Einen Goldhamster!« kam es wie aus der Pistole geschossen. Veronika hielt vor Erwartung den Atem an.
»Ach du liebe Güte, ich weiß gar nicht, ob es hier so etwas gibt!«
»Ich hab’ mal welche im Schaufenster gesehen!«
»Hier in Rothenburg?«
Jetzt hob das Kind unsicher die Schultern. »Ich weiß nicht genau, ob es hier war.«
»Denk doch mal nach, wie der Ort hieß, in dem du vorher warst!« bohrte Urte.
Veronika zog sich zurück wie eine Schnecke in ihr Haus.
»Weißt du es nicht, Ika?«
Sie schüttelte den Kopf und wieder standen Tränen in ihren Augen.
»Aber du erinnerst dich doch an die Frau, die dich versorgt hat, nicht wahr? Wie hieß sie denn?«
»Tante Anni!« Veronika biß sich auf die Lippen. Sie hatte es eigentlich nicht sagen wollen. Es war ihr so herausgerutscht.
»Na also! Allmählich kommt die Erinnerung wieder! Damit können wir zwar noch nicht viel anfangen, aber sicher fällt dir noch mehr ein.«
Veronika war erleichtert. »Ich möchte so gern bei dir bleiben!«
Die Worte schnitten Urte immer mehr ins Herz, je öfter sie wiederkehrten.
»Aber sicher will dich doch diese Tante Anni auch wiederhaben!«
»Nein, sie mag mich nicht. Sie hat ja auch noch so viele andere Kinder. Sie ist auch gar nicht meine richtige Tante!« sprudelte Veronika heraus. Im Eifer, Urtes Bedenken zu zerstreuen, vergaß sie ihre Schweigsamkeit, hinter die sie sich zu ihrem Schutz geflüchtet hatte.
»Du warst wahrscheinlich in einer Pflegestelle«, kombinierte Urte nachdenklich. »Aber nicht hier, denn sonst würde die Polizei etwas davon wissen.«
»Tante Anni will mich gar nicht wiederhaben!« trumpfte Veronika noch einmal auf. »Sie mag mich nicht, und die anderen mögen mich auch nicht. Sie schubsen und puffen mich immer.«
»Armes Häschen!« Heißes Erbarmen mit dem mutterlosen Kind stieg in Urte auf.
Fast den ganzen Tag verbrachte sie am Bett des kleinen Mädchens. Sie erzählte Märchen, die alten aus dem Gedächtnis, und aus dem Stegreif erfand sie neue. Sie spielte mit Ika alle Fingerspiele, die sie noch aus ihrer eigenen Kindheit in Erinnerung hatte, kramte alte Reime hervor, die in ihrem Bewußtsein schlummerten, aber dann war sie mit ihrem Latein am Ende.
Die Sonne stand bereits tief am Horizont, als Urte sagte: »Wenn ich dir einen Goldhamster besorgen soll, wird es jetzt Zeit. Die Geschäfte machen bald zu.«
Mit einem Kuß auf Veronikas Wange verabschiedete sie sich.