Mami Bestseller Staffel 3 – Familienroman. Jutta von Kampen
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»Damit wurden die Damen an den Pranger gestellt.« H.G.B. hob ein aufklappbares Holz auf, indem es Löcher für den Hals und für die Handgelenke gab. Ehe Urte es sich versah, hatte der Mann ihr das Marterwerkzeug umgelegt und geschlossen.
»Machen Sie mich sofort los, Sie unverschämter Kerl, sonst schreie ich laut um Hilfe.«
»Tun Sie das. Ich gönne anderen Leuten auch einen Spaß.«
»Ach Sie…, ich…, ich könnte Sie…« Urte fehlten die Worte.
»Na, was?« fragte er. »Was könnten Sie?« Er grinste vergnügt. »Ich bin gemein, nicht wahr? Aber es dient alles nur meinem Selbstschutz.«
»Habe ich Sie denn angegriffen?« fauchte Urte. Ihre Augen loderten.
»Nein. Aber Sie würden es in den nächsten Sekunden tun, wenn ich
Sie hier nicht eingespannt hätte.« Hans-Günther nahm ihren Kopf in die Hände und küßte sie auf den Mund.
Vergeblich versuchte Urte, das Gesicht zur Seite zu drehen. Sie war dem Mann völlig ausgeliefert. Sie preßte die Zähne zusammen. Aber gleichzeitig spürte sie, daß ihre Wut nicht echt war.
H.G.B. gab sie einen Moment frei, und in seinem Blick war eine große Zärtlichkeit.
Urte öffnete den Mund zu einem Schrei der Empörung, aber der Mann verschloß ihn mit einem zweiten Kuß. Der Schrei erstickte und Urtes Widerstand schwand wie ein Tautropfen an der Morgensonne. Sie fühlte sich auf einmal sehr leicht, und ein tiefes Glücksgefühl durchströmte sie.
Als der Mann den Holzkragen endlich löste, war sie völlig verwirrt und durcheinander. Wie eine Verfolgte hetzte sie durch das Gewölbe, um Anschluß an die Gruppe zu finden.
Doch sie fand keine Menschenseele mehr. Sie lauschte. Alles blieb still.
Dann fand sie eine Tür und faßte nach dem Drücker. Die Tür war verschlossen.
Urte stemmte sich mit aller Kraft dagegen in der Hoffnung, die Tür klemmte nur. Nichts rührte sich.
Eingeschlossen!
Eingeschlossen im Folterkeller! Das ist ja wie im Alptraum! schoß es Urte durch den Sinn.
Sie hörte die Schritte des Mannes hinter sich. Mit den Fäusten begann sie gegen die Tür zu hämmern. Die schwere Eichentür verschluckte die schwachen Laute.
Plötzlich hielt jemand ihre Handgelenke fest. Hans-Günther Buss war hinter sie getreten. »Was machen Sie denn da, Urte?«
Eine Sekunde lang gab sie der Schwäche nach und lehnte sich an die Männerbrust. Nur eine Sekunde lang, dann riß sie sich gewaltsam los und fuhr ihn an: »Wir sind eingeschlossen, begreifen Sie das nicht? Und Sie sind schuld!«
»Großartig! Das habe ich mir schon immer gewünscht – mit der Frau meiner Träume im Folterkeller!« Er griff nach ihrer Hand.
Sein Blick war eine einzige Liebeserklärung.
Urte fühlte wieder diese seltsame Schwäche. Mit raschen Schritten ging sie an dem Mann vorbei. »Sagen Sie mir lieber, wie wir hier herauskommen. Ich habe wenig Lust, die Nacht in diesem schaurigen Gewölbe zu verbringen.«
»Ich nehme an, daß die nächste Führung gleich stattfindet.«
»Hoffentlich haben Sie recht.« Urte hockte sich auf die Türschwelle und stützte ihren Kopf auf die Hände. Angestrengt vermied sie, den Mann anzusehen.
Es kam Urte vor, als säße sie schon eine Ewigkeit hier, eingekerkert mit den Schatten der Vergangenheit. Ihr war hundeelend zumute.
Und als der Mann wieder vor ihr stand, kam sie sich völlig entblößt vor. Sie hatte ihn nicht kommen gehört und suchte zu spät nach einem Taschentuch.
H.G.B. sah ganz bestürzt aus. »Aber Urte! Was ist denn?«
Sie schwieg. Was hätte sie auch antworten sollen? Sie war sich ja selbst nicht klar darüber, warum sie weinte.
»Mein Gott, Urte, wenn ich dich so sehe! Ich komme mir wie ein Schuft vor. Dabei habe ich das wirklich nicht gewollt!«
Urte sah auf. Der Mann wirkte zerknirscht und schuldbewußt. Er war nicht mehr der Draufgänger, der Kam-sah-und-siegte-Typ.
Urte erhob sich.
»Natürlich haben Sie es nicht gewollt«, sagte sie mit belegter Stimme. »Ich bin eine dumme Gans.«
Ihr Taschentuch war schon völlig durchnäßt. H.G.B. zog sein Taschentuch hervor und betupfte zärtlich ihre noch feuchten Augen.
Ein kleines Lächeln huschte wie ein Sonnenstrahl über das Gesicht des Mädchens.
»War das der Regenbogen, das Zeichen der Versöhnung?« fragte Hans-Günther weich.
Urte nickte, und wieder blühte ein Lächeln auf.
Der Mann betrachtete hingerissen das gelöste Gesicht. Langsam beugte er sich nieder. Dann zögerte er. Er sah sie fragend an.
Unmerklich kam ihm der Mund des Mädchens entgegen.
Und dann lag Urte zum ersten Mal gelöst in seinen Armen. Alles war ihr mit einemmal gleichgültig. Wenn er auch ein Playboy war oder vielleicht sogar noch etwas Schlimmeres!
Die Woge des Glücks, die sein Kuß auslöste, schwemmte alle Bedenken fort. Was blieb, waren die Augen und die zärtlichen Hände des Mannes.
»Wie du dich verändert hast in diesen wenigen Minuten! Wo ist all deine Kratzbürstigkeit geblieben?« fragte Hans-Günther. Ein großes Staunen war in seiner Stimme.
»Ach, eigentlich war ich nur wütend auf mich selbst!«
»Warum?«
»Weil ich mich sofort in dich verliebt hatte.«
»Und das wolltest du nicht?«
»Nein. Eigentlich will ich es noch immer nicht. Aber das Schicksal ist anscheinend gegen mich.« Urte ließ ergeben die Arme sinken.
»Warum wehrst du dich so heftig gegen die Liebe?«
»Ist es Liebe?« Ihr Gesicht bekam plötzlich einen sehr ernsten, gespannten Ausdruck.
H.G.B. stutzte. Dann lachte er. »Natürlich ist es Liebe! Wie würdest du es sonst nennen?«
Urte zuckte die Achseln. »Es gibt viele Ersatzbezeichnungen: Flirt, Liebelei, ein kurzer Rausch.«
»Warum machst du es so kompliziert, Urte? Es ist immer das, was man im Augenblick empfindet. Nicht die Dauer, sondern die Tiefe des Gefühls ist entscheidend. Die Rückschau ist meist nicht ehrlich. Aus Enttäuschung, Wut, innerer Leere oder verletzter Eitelkeit erfindet man dann die anderen Bezeichnungen.«
»Du hast recht, H.G.B.. Bei mir ist es die Angst vor der Leere, die folgen wird.«
»Kleines