Dr. Norden Box 10 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Das Wimmern seiner Tochter war mehr, als Daniel Norden verkraftete. Er schickte Dési einen verzweifelten Blick, in den er ein Versprechen legte. Das Versprechen, sie aus dieser Hölle unversehrt zu befreien. Koste es, was es wolle!
»Keine Angst, Süße, dir wird nichts passieren!« Es war Danny, der dieses Versprechen laut aussprach.
Antwort gab aber ein anderer.
»Raus hier!«, schrie Urs noch einmal aus Leibeskräften.
Diesmal kamen Daniel, Danny und Janine seinem Befehl nach und schlossen die Tür hinter sich.
*
Nachdem Felicitas Norden im Büro ihres Bruders angerufen und von Andrea Sanders, vertröstet worden war, hatte sie unverzüglich mit den Recherchen im Fall Trostmann begonnen. Wenn sie geahnt hätte, welches Drama sich in diesem Moment in der Arztpraxis abspielte, wäre sie nicht so ruhig an ihrem Schreibtisch gesessen. So aber beugte sie sich über die Unterlagen, die sie zu Tuberkulose und der wesentlich selteneren Neurotuberkulose gefunden hatte, und suchte nach nützlichen Hinweisen zur Behandlung dieser seltenen Form der Krankheit.
»Meine Güte«, seufzte sie schließlich und klappte einen dicken Wälzer zu, in dem sie gelesen hatte. »Wenn Urs wirklich Tuberkulose hat, kann er froh sein, wenn sie sich nicht in andere Organe ausbreitet.« Sie zog das nächste Buch zu sich heran und schlug es auf. »Ich bin gespannt, was Dan feststellen wird.«
Sie blätterte noch durch die Seiten auf der Suche nach dem richtigen Kapitel, als es klopfte. Sofort musste Fee an Volker Lammers denken und machte sich auf das Schlimmste gefasst. Als sie aber Mario sah, der den Kopf durch die Tür steckte, lächelte sie.
»Und ich dachte schon, mein Erzfeind kommt mich mal wieder besuchen…« Felictias lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.
Ihre Augen waren rot vor Anstrengung, und sie fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.
»Dieses Vergnügen hab ich dir abgenommen.« Mario Cornelius kam herein.
Er schloss die Tür hinter sich, ehe er zu seiner Schwester kam und sich auf die Schreibtischkante setzte. Voll böser Vorahnung sah seine Schwester ihm dabei zu.
»Sag bloß, er ist mir zuvorgekommen und hat dich heimgesucht?«
»Wenn du es so nennen willst, dann ja. Daraufhin hab ich die Akte Trostberg kommen lassen. Außerdem war ich bei dem Jungen und hab ihn untersucht«, fackelte Mario nicht lange. »Und ich muss zugeben, dass auch mir die Entscheidung schwer fällt. Ich weiß nicht, welcher der richtige Weg ist.«
Felicitas Norden traute ihren Ohren nicht. Sie rutschte ein Stück vor und stützte die Ellbogen auf die Tischplatte. Dabei ließ sie ihren Bruder nicht aus den Augen.
»Ich bitte dich, Mario! Wenn du dir den Jungen angesehen hast, weißt du doch Bescheid. Er ist völlig apathisch und sehr schwach. Meiner Ansicht nach würde er eine Operation nicht überleben.«
»Aber Lammers ist bekannt für seine Eingriffe am Limit. Wenn es zu riskant wird, bricht er ab.«
»Dann kommt er nicht weit. Allein die Narkose wäre zu viel für Kevin«, wehrte sich Fee mit allen Mitteln.
»Was, wenn du dich irrst und sich Kevins Zustand durch eine Operation schneller verbessert als durch eine konservative Therapie?« Der Einwand ihres Bruders war berechtigt.
Trotzdem schüttelte Felicitas in aller Entschiedenheit den Kopf. Ihr Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, wippte im Takt dazu.
»Ich will dieses Risiko nicht eingehen.«
»Und Lammers will das Risiko nicht eingehen, noch länger abzuwarten«, gab Mario zu bedenken. »Ich selbst kann keine Entscheidung treffen.«
»Und jetzt?« Fee war sichtlich ratlos. Es ging ihr nicht darum, recht zu haben. Sie dachte einzig und allein an das Wohl des Kindes. Den richtigen Weg kannte nur der Himmel. »Wollen wir deine Glaskugel befragen?«, konnte sie sich eine Spur Sarkasmus nicht verkneifen.
Doch Mario brachte kein Lächeln zustande.
»Ich denke, wir sollten die Eltern mit ins Boot holen und ihnen die Entscheidung überlassen«, sprach der stellvertretende Klinikchef ein salomonisches Urteil aus.
Fee saß am Tisch und dachte nach. Viel zu oft war sie als Mutter schon vor so einer Entscheidung gestanden und hatte über Wohl und Wehe eines ihrer Kinder entscheiden müssen. Ihr ganzes Mitgefühl gehörte Kevins Eltern. »Gut, dann machen wir es so«, stimmte sie Marios Vorschlag schließlich zu. »Rufen wir die Eltern an. Sie sollen so schnell wie möglich in die Klinik kommen.«
Damit war Dr. Cornelius zufrieden und rutschte von der Tischkante.
»Ich werde alles Nötige veranlassen, damit wir uns in der nächsten Stunde treffen können. Andrea sagt dir noch Bescheid, ob das klappt.« Er nickte seiner Schwester zu und verließ ihr Büro ohne ein weiteres Wort.
Felicitas Norden saß an ihrem Schreibtisch und sah ihm nach, nichtahnend, dass nicht nur Kevin Trostbergs Leben an einem seidenen Faden hing.
*
Nach Urs Hansens Rauswurf hatte sich das gesamte Team der Praxis Dr. Norden zu einer Lagebesprechung am Tresen eingefunden.
»Ich habe bereits die restlichen Termine für diesen Nachmittag abgesagt«, erklärte Wendy. Als sie Désis Schrei gehört hatte, war ihr sofort klar gewesen, dass etwas Schlimmes passiert sein musste. Zum Glück hatte nur ein Patient im Wartezimmer auf seine Behandlung bei Danny gewartet.
Während Janine losgelaufen war, hatte Wendy sich eine Ausrede einfallen lassen und Herrn Weber, versorgt mit einem neuen Termin, aus der Praxis komplimentiert. Dann hatte sie sich ans Telefon gesetzt und die restlichen Termine verschoben. Sie hielt den Hörer noch in der Hand, als sich ihre drei Kollegen sichtlich aufgelöst zu ihr gesellten.
»Rufen Sie die Bank an, ich brauche sofort eine Viertelmillion Euro. Egal, woher!«, befahl Dr. Norden in der ersten Verzweiflung.
Doch Danny schüttelte den Kopf.
»Zuerst rufen Sie bitte bei der Polizei an. Sie soll sofort kommen. Wenn möglich ohne großes Tamtam. Nicht, dass Urs noch nervöser wird als ohnehin schon und etwas tut, was er später bereuen wird.«
»Das wird er so oder so tun«, knurrte Dr. Norden senior und ballte die Hände zu Fäusten.
»Ganz ruhig, Dad!«, versuchte Danny, auf seinen Vater einzuwirken. »Dési ist nicht geholfen, wenn wir jetzt die Nerven verlieren.«
Daniel atmete ein paar Mal tief ein und aus.
»Schon gut. Es geht schon wieder.« Das war eine glatte Lüge, und er begann, mit auf dem Rücken verschränkten Händen im Flur auf und ab zu gehen.
»Die Polizei ist in ein paar Minuten hier«, verkündete Wendy und legte den Hörer auf.
Auch sie war nervös wie selten zuvor in ihrem Leben. Sie stand auf und ging zur Garderobe.
»Was haben Sie vor?«, fragte Danny.
»Ich gehe raus und warte dort auf die Beamten.«