TAG DER ABRECHNUNG (Shadow Warriors 2). Stephen England
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Hinter ihnen fädelte sich der Toyota in den fließenden Verkehr ein. »Ich hab sie«, meldete der Mann über die kabellosen Kopfhörer seines Handys. Er zog die Glock aus der Seitentasche der Tür und legte sich die Waffe aus Polymer mit schwitzigen Fingern in den Schoß. Er verfluchte seine Angst. »Sie fahren die Route Drei entlang, dieselbe wie vor zwei Tagen. Was soll ich tun?«
»Bleib einfach an ihnen dran«, hörte er die ruhige Stimme sagen. »Ich erkläre dir unterwegs alles. Alles wird gut.«
06:43 Uhr
Ein Appartement
Manassas, Virginia
Sein verschwommenes Bild im Spiegel war das erste, was Thomas Parker an diesem Morgen erblickte. Plötzlich drehte sich alles um ihn herum und er streckte die Hand aus und klammerte sich an den Rand des Waschbeckens.
Eine Welle aus Übelkeit war über ihn geschwappt. Er würgte. Ihm war schlecht, sehr schlecht. Er griff nach dem Wasserhahn, drehte das kalte Wasser auf, ließ es sich über seine Hände laufen und spritzte sich etwas davon ins Gesicht. Über seinen schmerzenden Kopf.
Es wäre leichter für ihn gewesen, wenn er tatsächlich krank gewesen wäre. Das Wissen, dass seine Kopfschmerzen und seine Übelkeit von zu viel Alkohol in der letzten Nacht herrührten, half jedoch wenig, dass er sich besser fühlte.
So oder so musste er aber einen klaren Kopf bekommen, sonst würde er zu spät kommen. Die CIA wusste nichts von seinem Alkoholproblem, und dabei wollte er es auch belassen. Schließlich gehörte er einer Spezialeinheit an, und da wurden Fehler nicht toleriert. Denn Fehler konnten tödlich enden.
Sein Blick wanderte zu dem Klebezettel an dem Spiegel und der Telefonnummer, die darauf notiert war. Der Nummer von Harrys Pfarrer. Nichols, sein Teamführer, wusste um sein Problem, und das war seine Lösung dafür gewesen.
Thomas schnaubte verächtlich. Ja, und was für eine tolle Lösung! Als überzeugter Agnostiker, der er sein ganzes Leben über gewesen war, sah er keinen Sinn darin, seine Meinung diesbezüglich jetzt zu ändern. Der Verrat von Hamid Zakiri hatte seinen Zynismus nur noch stärker werden lassen. Genau wie sein Verlangen nach Alkohol.
Sie hatten sich ein Appartement geteilt, er und Hamid, was eine gute Möglichkeit gewesen war, die Lebenshaltungskosten in den Außenbezirken von Virginia niedrig zu halten. Das war hauptsächlich Zakiri zugutegekommen, nicht ihm. Er war in den Jahren vor dem elften September Manager einer Fortune-500-Technikfirma gewesen und hatte sein Geld klug angelegt.
So ziemlich die einzig kluge Sache, die er in seinem Leben getan hatte.
»Thomas?« Ihre Stimme hörte sich heute Morgen schriller an. Er blickte in den Spiegel und sah eine Brünette mit zerzausten Haaren und in einem seiner Hemden in der Badezimmertür stehen.
Betrunken hatte sie auch besser ausgesehen, realisierte er verärgert. An ihren Namen konnte er sich nicht mehr erinnern, wie überhaupt nur an sehr wenig von letzter Nacht. Die Agency würde ihm die Hölle heißmachen, wenn sie davon erfuhren.
Die CIA, die mit Argusaugen über die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften wachte, war von One-Night-Stands noch weniger erbaut als die meisten Eltern. Was das anging, glich die Agency einem Elternpaar mit einem millionenschweren Sicherheitsbudget.
Er senkte seinen Blick wieder in Richtung Waschbecken und versuchte ihre Stimme aus seinem Kopf zu verbannen. Er würde noch zur spät zur Arbeit kommen …
06:51 Uhr
Virginia
»Ziel nähert sich, noch etwa fünfhundert Meter. Bist du bereit?«
Sie spionieren uns hinterher, wir spionieren ihnen hinterher, pflegte der Mann zu sagen. Sie nehmen uns ins Visier … und wir sie. Alles, wovor Jones schon immer in Bezug auf die Schattenregierung gewarnt hatte, entsprach der Wahrheit. Die Tyrannen in Washington töteten seit Jahren Menschen … aber nun waren sie an der Reihe. Der Fahrer des Toyotas nickte nervös und überspielte seine Angst mit einem Lachen. »Ja. Ja, ich kriege das hin.«
»Dann sei leise und konzentriere dich«, lautete die ruhige Antwort. »Ich werde dich leiten. Dreihundert Meter.«
Für einen kurzen Moment nahm der Fahrer seinen Blick von dem Zielfahrzeug zwei Wagen voraus und sah noch einmal nervös auf die Glock hinunter. Er hatte noch nie einen Menschen getötet – aber hier ging es schließlich um Gerechtigkeit …
»Zweihundert Meter«, verkündete die Stimme in seinem Ohr. Der Fahrer setzte den Blinker, trat hart aufs Gas und schoss auf die Überholspur.
Defensives Fahren gehörte nicht zu den Trainings während der berüchtigten Hell Week der SEALS, aber der Secret Service hatte Ramirez alles beigebracht, was es darüber zu wissen gab.
Ein Fluch drang über seine Lippen, als er den Toyota im Außenspiegel auf der Fahrerseite erblickte, der rasch zu ihnen aufschloss. Eine mögliche Bedrohung.
Alarmiert von dem Wutausbruch seines Bodyguards sah Lay zu dem Rückspiegel auf. Die kleine Limousine füllte in diesem Moment sein Sichtfeld schon so gut wie aus, und er wusste, was das bedeutete. Sie waren hier …
Ihm blieb keine Zeit zu reagieren, keine Zeit für Schuldzuweisungen oder Zweifel. Alles passierte viel zu schnell.
Ramirez riss das Lenkrad hart nach rechts und trat aufs Gas, in dem Versuch, auf den Standstreifen ausweichen zu können.
Zu spät.
Die Limousine stieß heftig gegen die Fahrerseite des SUV und ließ ihn gegen die Leitplanke am rechten Straßenrand schlittern.
Aufprall.
Mit der Wucht eines Fausthiebes sprangen David Lay die Airbags entgegen und warfen ihn gegen die Rückenlehne. Benommen tastete er nach dem Verschluss des Sicherheitsgurtes. Ihm blieb nur wenig Zeit. Er hatte keine Vorstellung, wie wenig.
Die Männer in dem liegengebliebenen Durango beobachteten aus mehreren hundert Metern, wie sich die Kollision ereignete.
Der Fahrer nahm sein Hochleistungsfernglas von den Augen und warf einen Blick auf das Handy, das offen auf dem Sitz neben ihm lag. Ein einfaches Prepaid-Klapphandy, auf dessen Display bereits eine Nummer angezeigt wurde.
Ein grimmiges Lächeln huschte über sein Gesicht, dann streckte er seinen Zeigefinger aus … und drückte auf die Wähltaste.
Nein. Das war nicht der Plan gewesen, dachte der Mann und hieb auf die Airbags ein, die ihn gegen den Sitz des Toyotas pressten. Die Glock … wo war sie abgeblieben?
Durch das Beifahrerfenster und über den aufgeblähten Airbag hinweg konnte er die Leitplanke erkennen, in die er geprallt war, direkt vor dem SUV. Er fluchte, weil er wusste, dass jede Sekunde, die er hier herumstrampelte, seine Chancen auf Erfolg schmälerte. Dass sie erneut gewinnen würden …
Einen Moment später explodierte seine Welt in einem blendend weißen Lichtblitz. Flammen und Feuer …
Schweigend verfolgte der Fahrer des Durango, wie der im Fahrgestell