William Lovell. Ludwig Tieck
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Der alte Graf Melun muß irgendeinen Anschlag im Schilde führen, er hat vielleicht gar die Idee, mich von neuem zu einer Heirat zu bereden – und zwar – so glaub ich wenigstens, und Sie werden gewiß mit mir lachen – zu einer Verbindung mit ihm selbst! – Doch davon mündlich, nur machen Sie, daß ich Sie bald sehe, sonst sollen Sie zur Strafe von diesen Vorfällen nichts erfahren. – Adieu. –
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Rosa an die Comtesse Blainville
Paris.
Wenn ich einen Hang zur Eifersucht hätte, so würde ihn Ihr Brief wahrlich nicht vermindern; ich bemerkte schon neulich, daß Ihnen Lovell nicht mißfiel. Doch – warum ich Sie so lange nicht besucht habe? – Eine Unpäßlichkeit – eine Bekanntschaft – sehen Sie, wie ich mich zu rächen weiß – doch, auch davon mündlich.
Wenn Sie den seltsamen Lovell bekehren können, so wünsch ich Ihnen und ihm Glück; mir scheint es fast unmöglich, denn seine Vorurteile sind zu tief mit ihm verwachsen – doch, was ist den Weibern unmöglich? Sie lösen die schwersten Probleme, und auf die leichteste und einfachste Art von der Welt. Ich werde mich freuen, mit dem jungen Engländer an einem Siegeswagen zu ziehen; dulden Sie es nicht, daß er ein so schwerer Verbrecher an Ihrer Schönheit wird, strafen Sie seine Kälte, sie mag nun erzwungen oder natürlich sein, auf eine exemplarische Art, und ich werde noch mehr sein
der innige Verehrer Ihres Verstandes und
Ihrer Reize.
11
William Lovell an Eduard Burton
Paris.
Ja Eduard, auch in meiner Seele haben sich nun schon so manche Träume entwickelt, wie ich einst glücklich, mit Dir glücklich leben will. – So nahe bei Dir – vielleicht an Amaliens Seite, im Schoße einer ländlichen Einsamkeit – ich verliere mich seit Deinem lieben Briefe so oft in diesen Traum und tausend Vorsätze spinnen sich dann leise in meiner Seele aus. – Mit einem kindischen Wohlbehagen verweil ich bei meinen Planen und wünsche die Zukunft schon herbei, um sie wirklich zu machen.
Es ängstigt mich, Eduard: mein Vater ist krank und hat mir einen sehr melancholischen Brief geschrieben; er liebt mich gewiß mit der innigsten Zärtlichkeit, aber ich kann nicht an Amalien denken, ohne mich mit Wehmut meines Vaters zu erinnern: sooft mir sein Bild vorüberschwebt, werf ich einen schwermütigen Blick auf Amaliens schnell nachfolgendes; diese nebeneinandergestellten Ideen zerschneiden meine Seele. Ich hasse mich, Eduard, wenn ich daran denke, daß durch Amaliens Besitz meines Vaters Tod weniger schmerzen könnte – aber ich schwöre Dir, es soll, es wird nicht sein. Zu diesem unedlen Eigennutze wird Dein Freund nie hinabsinken. –
Ein böser Dämon verfolgt mich in der Gestalt eines Engels, um Amaliens Bild aus meinem Herzen zu reißen; aber dieser Versuch wird in Ewigkeit nicht gelingen, ich bleibe ihr und meinen ersten, meinen schönern Gefühlen treu. – Ich spreche von der Comtesse Blainville, der Nichte des Grafen Melun; sie ist das Modell einer griechischen Grazie, ein Zauberreiz begleitet jede ihrer Bewegungen, sie darf nur lächeln, um die Göttin der Liebe zu sein – ein sanfter Blick ihres Auges – und sie ist das schönste Bild der Schwermut. – Ich kann sie nicht betrachten, ohne zu erröten, und sooft ihr Blick dem meinigen begegnet, schlägt sie ihn sogleich furchtsam nieder, sie sucht meine Gesellschaft und scheint sie doch vermeiden zu wollen; so viel Herzensgüte, Sanftmut und Verstand hab ich noch bei keinem Mädchen gefunden. Ihre Schönheit ist auffallender, ihr Auge größer und sprechender, und ihr ganzes Wesen hat, möcht ich sagen, einen gewissen Zauber durch Bizarrerie und Pracht, wogegen Amaliens stille Schönheit für die Phantasie gleichsam in den Schatten tritt. Nie wird sie aber in meinem Herzen auch nur den kleinsten Sieg über jene himmlische Erscheinung davontragen; aber darum kann ich mir ja doch gestehn, daß sie liebenswürdig ist, daß sie zu den Ersten ihres Geschlechts gehört. Auch empfindet sie wirklich tief, ihre zarte Seele ist nicht durch jenen witzigen Weltton der Franzosen verdorben; sie ist ein einfaches Kind der Natur, ohne alle Prätension und Verstellung, ich habe sie beim Anblicke des Elends gerührt gesehn.
Ich schließe; Mortimer bringt mir soeben einen Brief. – O Eduard, er ist von Amalien! – Nein, ich bin ein Elender, wenn ich sie vergessen könnte! – Welche Freude hat dann noch der Garten aufzuweisen, wenn dieser schönste Baum in mir verdorrt? – Ich bleibe ewig der ihrige, so wie der Deinige.
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Karl Wilmont an Mortimer
Bondly.
Ich muß Dir endlich schreiben und sollte auch mein ganzer Brief nichts als die Wiederholung der Phrase enthalten, daß ich Dir nichts zu schreiben weiß. Ich schäme mich meiner Nachlässigkeit und meine ungelenkigen Finger haben das Schreiben indes verlernt; oratorische Wendungen, Tropen, Metaphern und alle Arten von Figuren hab ich rein vergessen, und ich selber spiele hier an meinem Schreibpulte eine höchst armselige Figur, indem ich die Feder beiße und mir mit der linken Hand in den Kopf kratze, um mich zu besinnen, was ich Dir wohl zu sagen haben könnte. Ich möchte den Brief gar gern ins Feuer werfen, aber es reut mich dann, daß ich ihn einmal angefangen habe, und einen Brief mußt Du doch irgendeinmal von mir bekommen, daher will ich nur einen dreisten Trott fortreiten, ohne mich um die Künste eines Schulpferdes zu bekümmern. Wenn es nur Worte sind, so hab ich die Rechnung bezahlt, und ich habe mir einmal vorgenommen, daß das, was ich hier angefangen habe, ein Brief werden soll, und nun soll er auch wahrhaftig zustande kommen, und sollt ich mich genötigt sehn, einige rührende Betrachtungen über die Entfernung zweier Freunde mit einfließen zu lassen.
Ich fange an, mir hier in Bondly zum Teil weniger, zum Teil besser als ehedem zu gefallen. Der gänzliche Müßiggang behagt mir nicht recht, und doch würd es mir schwer werden, ihn aufzuheben. Der Mensch ist ein wahres Kind, er weiß nie recht, was er eigentlich will, er schreit und heult, und eine blecherne Klapper kann ihn zufrieden und glücklich machen; im folgenden Augenblicke wird sie wieder weggeworfen, und er sieht sich um, was er denn nun wohl wünschen könne. Glücklich ist dabei noch immer der, der einer Klapper oder einer Rosine habhaft werden kann: mischt sich aber die liebe Langeweile ins Spiel und ein gewisses nüchternes Gefühl, das einem im Leben so oft zur Last fällt, kann man keine Hoffnung und keinen Wunsch in seinem Gedächtnisse auftreiben; ist das Steckenpferd lahm, oder gar zu Tode geritten – o wehe dir dann, armer Sterblicher! entweder mußt du dann ein Philosoph werden, oder dich aufhängen. Diese Langeweile hat schon mehr Unglück in die Welt gebracht, als alle Leidenschaften zusammengenommen. Die Seele schrumpft dabei wie eine gedörrte Pflaume zusammen, der Verstand wächst nach und nach zu, und ist so unbrauchbar wie eine vernagelte Kanone; alles Spirituöse verfliegt – da sitzt man denn nun hinter dem Ofen und zählt an den Fingern ab, wann das Abendessen erscheinen wird; die Stunden sind einem solchen Manne länger, als dem, den man am Pranger mir Äpfeln wirft; man mag nichts denken, denn man weiß vorher, daß nur dummes Zeug daraus wird; man mag nicht aufstehn, man weiß, daß man sich gleich wieder niedersetzt, das drückende Gefühl geht mit, wie das Haus mit der Schnecke. – O Mortimer, Linsen durch ein Nadelöhr zu werfen, ist dagegen eine geistreiche Beschäftigung – und wie viele Menschen vergähnen auf dieser Erde nicht so ihr Leben? – Die magnetische Anziehungskraft erlahmt ohne Übung, ungeschlagen springt kein Funke aus dem Stahle, ungerieben zeigt sich keine Elektrizität an der Glasscheibe – kein Verstand, kein Gefühl am Menschen ohne Tätigkeit, Mitteilung und Freunde. Diese