Der kleine Fürst Jubiläumsbox 6 – Adelsroman. Viola Maybach
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Читать онлайн книгу Der kleine Fürst Jubiläumsbox 6 – Adelsroman - Viola Maybach страница 20
Sie griff nach ihrem Buch, legte es jedoch bald wieder beiseite. Es war viel schöner, sich die Zukunft noch ein wenig auszumalen – jetzt, da Charly endlich entdeckt hatte, dass sie außer ihrer wilden Seite noch eine andere hatte, eine weiche, weibliche, die ihr sehr gut stand.
Es klopfte leise, eine der Schwestern kam herein. »Ist alles in Ordnung, Frau von Isebing – oder kann ich noch etwas für Sie tun?«
»Danke, Schwester Gisela, mir geht es gut, ich werde wohl bald schlafen. Ich habe gerade mit Robert telefoniert, meiner Enkelin geht es offenbar gut.«
»Das freut mich zu hören, Frau von Isebing. Bitte, melden Sie sich, wenn Sie etwas brauchen. Gute Nacht.«
»Gute Nacht«, murmelte Helena, und die Schwester verschwand. Mit geschlossenen Augen gab sich Helena daraufhin erneut ihren erfreulichen Zukunftsfantasien hin.
*
»Von deiner Großmutter habe ich heute Abend das erste Mal gehört«, stellte Rosalie fest. Alle anderen schliefen bereits, nur Peter und sie saßen noch in der Küche und unterhielten sich.
»Wir kennen uns eben noch nicht lange genug«, stellte er fest. »Ich habe dir von meinen Eltern und Geschwistern erzählt – als nächstes wäre ich auf meine Großmutter zu sprechen gekommen.«
»Dein Vater sagte, dass es ihr jetzt, wo deine jüngste Schwester bei ihr ist, sehr viel besser geht.«
»Ja, aber das ist kein Dauerzustand, denn Charly wird auf jeden Fall hierher zurückkehren, auf das Gut.«
»Und dann?«
»Das wissen wir noch nicht. Von uns Geschwistern ist Charly schon immer am besten mit unserer Großmutter ausgekommen. Sie ist nicht ganz leicht zu nehmen.«
»Ich könnte es ja mal versuchen«, sagte Rosalie nachdenklich.
Er verstand sie nicht auf Anhieb, dann jedoch wurden seine Augen groß. »Du meinst…?«
»Ich kann meine Übersetzungen überall machen, Peter, ich bin örtlich nicht gebunden. Und wenn deine Großmutter vor allem Gesellschaft braucht…«
»Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dir das vorzuschlagen«, sagte er leise.
Sie lächelte. »Ich weiß. Aber vielleicht wären wir einander sympathisch, und dann könnte das zumindest eine Zeitlang eine Lösung sein, oder nicht? Ich hänge nicht so sehr an meiner Wohnung, dass ich sie auf keinen Fall aufgeben würde, weißt du? Und zu viel zu tun habe ich auch nicht gerade. Da bleibt immer noch viel Zeit, um mit einer alten Dame zu reden, sie auszufahren, ihr vorzulesen – was immer sie sich wünscht.«
Er gab ihr einen Kuss. »Wenn das ginge, Rosalie, das wäre einfach großartig.«
»Abwarten«, sagte sie ruhig. »Vielleicht findet sie mich schrecklich – oder ich sie. Dann ist die Idee schon gestorben.«
»Dich kann kein Mensch schrecklich finden«, erklärte er voller Überzeugung. »Und meine Großmutter ist auch nicht schrecklich, das wirst du schon sehen.«
Sie schmiegte sich in seine Arme. »Sag mal, Peter, und all die attraktiven Studentinnen, die so für dich schwärmen – was ist mit denen?«
Er lachte leise. »Sie schwärmen weiter – und eines Tages hören sie damit auf, weil es dann einen neuen jungen Dozenten gibt, zu dem sie weiterziehen. So geht das, weißt du? Man darf nur nicht den Fehler machen, diesen Zirkus ernst zu nehmen. Mir schmeichelt das, aber ich finde es auch lästig. Meine Arbeit ist mir nämlich wichtig – und es gefällt mir besser, wenn die Studenten wegen der Themen, die ich anbiete, in meine Vorlesungen kommen, als wegen meiner Person.«
»Wenn ich das nächste Mal in deine Vorlesung komme, dann nur wegen deiner Person«, erklärte sie mit einem Lächeln. »Ich hoffe, das ist nicht schlimm?«
»Bei dir möchte ich es nicht anders haben«, erwiderte Peter und küsste sie.
*
Als Charlotta auf dem Weg zu ihrer Suite war, stellte sie fest, dass Armin auf sie gewartet hatte. »Ich kann sowieso nicht schlafen«, sagte er, »und da dachte ich, wir könnten vielleicht noch ein wenig miteinander reden?«
Sie stand dicht vor ihm, im Dämmerlicht des Flurs wirkten ihre Augen fast schwarz. Ihre Haare dufteten schwach nach Äpfeln, und er sah, dass sie lächelte, denn ihre Zähne schimmerten weiß in der Dunkelheit. »Reden?«, fragte sie. Es hörte sich an, als unterdrückte sie gewaltsam ein Lachen. »Wir haben den ganzen Abend miteinander geredet. Sind Sie sicher, dass Sie nicht an etwas ganz Anderes denken, Armin?«
»Ich… äh… wie kommen Sie denn auf die Idee?«
Jetzt lachte sie tatsächlich, es war ein leiser, glucksender Laut, der ihm sehr vertraut erschien. »Ja, wie bin ich wohl darauf gekommen?«, fragte sie. »Vielleicht lag es an den Blicken, die Sie mir den ganzen Abend über zugeworfen haben? Oder an Ihrer Hand, die mehrmals meinen Unterarm streifte? Oder…«
Er dachte nicht nach, sondern zog sie einfach in seine Arme, bevor sie weiterreden konnte. »Es stimmt«, bestätigte er, »ich denke tatsächlich an etwas Anderes – den ganzen Abend schon. Und wenn ich ganz ehrlich sein soll, dann habe ich das auch vorher schon getan, auf Gut Isebing, aber da habe ich diese Gedanken schnell verdrängt.«
»Schade«, flüsterte sie, »sonst hätten wir das Kriegsbeil vielleicht schon früher begraben können.« Ihre Arme schlangen sich um seinen Hals, als wäre es selbstverständlich, dass sie einander mit einem Mal so nahe waren. Er spürte ihren Körper, der sich an seinen schmiegte, und dann trafen sich ihre Lippen, noch bevor er richtig verstanden hatte, was gerade vor sich ging. Hatte sie ihn tatsächlich geküsst? Oder hatte er sie geküsst? Er wusste es nicht, aber es war auch nicht mehr wichtig. Wichtig war allein, dass sie hier standen und einander endlich gefunden hatten.
»Wenn du wüsstest«, flüsterte er nach einer halben Ewigkeit, »wie zornig ich auf dich war.«
»Das hat man dir aber nicht angemerkt«, flüsterte sie zurück. »Du hast den Überlegenen gespielt und damit mich zornig gemacht, das weißt du hoffentlich?«
»Das war meine Absicht«, gestand er. »Ich wollte dir nicht zeigen, dass ich längst angefangen hatte, mich für dich zu interessieren.«
»Genauso war es bei mir.«
Sie küssten sich erneut, selbstvergessen und der Welt entrückt, wie man es nur am Beginn einer großen Liebe tut.
*
»Armin hat eine Frau bei sich«, sagte Marianne am nächsten Tag zu ihrem Mann. »Das ist ja seltsam, Ludwig.«
»Eine Frau?« Ludwig zog die Augenbrauen in die Höhe. Sie hatten noch viel Arbeit vor sich, Armin und er, eine Frau konnte da nur stören. Er spähte aus dem Fenster, musterte die elegante Gestalt, die an Armins Seite auf das Haus zulief und stutzte. »Das ist doch…«, murmelte er. »Nein, unmöglich…«
»Was ist unmöglich?«, fragte Marianne und folgte seinem Blick. Das junge Paar war nur noch wenige Meter vom Haus entfernt. Ihre Augen weiteten sich. »Charly!«, rief sie. »Das ist Charly!«
Mit diesen Worten stürzte sie