Der kleine Fürst Jubiläumsbox 6 – Adelsroman. Viola Maybach
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*
»Ich freue mich sehr, Sie wiederzusehen, Rosalie«, sagte Peter nach seiner Rückkehr in die Stadt. »Ihr Bruder ist ein sehr sympathischer Mann.«
»Seltsam«, lachte Rosalie, »Armin hat das Gleiche von Ihnen gesagt.«
»Das freut mich«, erklärte Peter. »Was hat er denn sonst noch gesagt?«
»Dass Ihre Schwester seinetwegen zu Ihrer Großmutter geflohen ist. Könnten Sie mir das mal ein
bisschen genauer erzählen? Er will nicht so richtig heraus mit der Sprache.«
»Nicht seinetwegen, eher wegen einer dummen Bemerkung meiner zweitjüngsten Schwester. Sie hat Charlotta vor Ihrem Bruder bloßgestellt, das war nicht nett von ihr.« Er beschrieb die Szene, die zu Charlottas Abreise geführt hatte.
»Das war wirklich nicht nett«, fand Rosalie. »Weshalb hat Ihre Schwester Sara sich so verhalten? Mag sie Charlotta nicht?«
»Manchmal denke ich, es ist Eifersucht, weil Charlotta das Küken ist und noch bei unseren Eltern wohnt. Außerdem ist sie diejenige, die am engsten mit dem Gut verwachsen ist. Vielleicht wollte sich Sara aber auch nur wichtig machen – sie hat einen Hang dazu. Und ich glaube, dass Ihr Bruder ihr gefällt.«
»Und er? Wie reagiert er auf sie?«, fragte Rosalie neugierig. »Davon hat er nämlich nichts erzählt.«
Peter dachte nach. »Also, mir ist nichts aufgefallen«, gestand er endlich. »Ich glaube, er hat überhaupt nicht auf sie reagiert.«
»Überhaupt nicht?«, fragte Rosalie ungläubig. »Ist sie hübsch? Sara, meine ich?«
»Sehr hübsch, ja. Und sie weiß, wie sie das zur Geltung bringen muss, sie arbeitet in einem exklusiven Modeladen.«
»Interessant. Also, mir gegenüber hat er nichts von ihr gesagt.«
»Und wie ist es Ihnen am Wochenende ergangen?«, wollte Peter wissen.
»Ich habe gearbeitet«, erklärte Rosalie wahrheitsgemäß. »Ich hatte am Freitag überraschend noch einen Auftrag für eine eilige Übersetzung bekommen, und die habe ich am Wochenende gemacht – ich hatte ja leider nichts Besseres vor.«
»Kommen Sie nächstes Mal mit mir nach Isebing? Ich schätze, Ihr Bruder ist dann noch da. Meine Eltern habe ich schon gefragt – ohne Wissen Ihres Bruders selbstverständlich – und sie würden sich sehr freuen, Sie kennenzulernen.«
»Aber wir beide kennen uns doch noch gar nicht«, wandte Rosalie ein.
Peter blieb stehen und sah sie an. »Das wird sich aber bis zum nächsten Wochenende noch ändern!«, erklärte er und nahm sie in die Arme.
»He, was machen Sie denn da?«
Er lachte leise. »Wie würden Sie es denn beschreiben?«
»Sie umarmen mich und…« Weiter kam sie nicht, denn er verschloss ihr den Mund mit einem Kuss. Als er sich von ihr löste, wollte sie etwas sagen, doch mit einem weiteren Kuss hinderte er sie daran – und danach hatte sie kein Bedürfnis mehr zu reden.
Sie überließ sich einfach dem Glück, das so überraschend zu ihr gekommen war.
*
»Hallo!«, sagte Sara zur Armin, als sie am nächsten Wochenende auf Gut Isebing eintraf. »Ich habe schon gehört, dass Sie noch hier sind.«
Er lächelte ihr zu. »Ja, Ihr Vater und ich sind noch nicht ganz fertig geworden mit unseren Plänen, also bleibe ich noch.«
»Es war wahrscheinlich schön ruhig hier – jetzt, wo Charly nicht da ist«, bemerkte Sara in der Hoffnung, ihn zu einer kritischen Bemerkung über ihre jüngere Schwester zu bewegen.
Doch den Gefallen tat er ihr nicht, im Gegenteil. »Ihrem Vater fehlt sie, glaube ich, sehr bei der Arbeit, aber das gibt er nicht zu, weil er froh ist, dass seine Mutter Gesellschaft hat und ihr das offenbar gut tut.«
Das war nicht das, was Sara hatte hören wollen, und so wechselte sie eilig das Thema. »Hätten Sie Lust, mit mir auszureiten – irgendwann an diesem Wochenende? Schließlich können Sie ja nicht immer nur arbeiten.«
»Ich arbeite gern«, erwiderte Armin lächelnd. »Ja, ich würde gern ausreiten, aber das muss ich leider davon abhängig machen, wie Ihr Vater und ich vorankommen – ohne ihn kann ich keine Pläne machen.«
»Oh, keine Sorge, ich rede gleich mit ihm«, sagte Sara und nahm ihre für ein Wochenende beachtlich große Reisetasche aus dem Auto. »Bis später dann!« Sie lief zum Haus, wo sie ihre Eltern begrüßte. »Wir wollen ausreiten, Herr von Thaden und ich«, sagte sie danach zu ihrem Vater. »Es spricht doch nichts dagegen, oder? Er braucht ja auch mal eine Pause, Papa!«
»Natürlich spricht nichts dagegen«, antwortete Ludwig.
Mit hoch gezogenen Augenbrauen sah er Sara nach, die bereits nach oben verschwand, um ihre Sachen auszupacken. »Was sollte das denn?«, fragte er seine Frau. »Meinst du, Armin hat sich bei Sara beschwert, dass er hier zu viel arbeiten muss?«
Marianne schüttelte den Kopf. »Das ist auf Saras Mist gewachsen, da könnte ich wetten«, sagte sie. »Ich glaube, sie hat ein Auge auf ihn geworfen.«
»Auf Armin?«, fragte Ludwig entgeistert. »Die beiden passen doch überhaupt nicht zueinander!«
»Ich glaube nicht, dass Sara das so sieht. Sie findet ihn attraktiv – was er ja auch ist – und so versucht sie, ihn zu erobern. Du kennst doch Sara, sie erprobt ihre weiblichen Reize gern.«
»Noch ein Problem mit einer unserer Töchter«, murmelte Ludwig. »Fehlt nur noch eins mit Anja oder Stephanie…«
»Keine Sorge, da wird nichts passieren«, lächelte Marianne. »Und ich glaube, Armin kann sich selbst ganz gut wehren, überlass das nur ihm.«
»Wehren?«, fragte Ludwig. »Du meinst also nicht, dass er Saras Reizen erliegt?«
»Es sieht bisher jedenfalls nicht danach aus«, erklärte Marianne.
Ludwig, der grenzenloses Vertrauen in die Beobachtungsgabe seiner Frau hatte, verließ halbwegs beruhigt das Haus, um mit Armin ein weiteres Gespräch zu führen – dieses Mal auf einem Spaziergang.
*
Charlotta legte das Telefon zur Seite und dachte nach. Ihr Vater hatte sie angerufen, um ihr mitzuteilen, dass Armin von Thaden noch länger auf Gut Isebing bleiben würde. »Wir sind schon ziemlich weit mit unseren Plänen, Charly, aber eben noch nicht ganz fertig. Und da wir jetzt Nägel mit Köpfen machen wollen…«
Kurz und gut, er hatte es ihr anheimgestellt, ob sie noch bei Helena bleiben oder zurückkehren wollte. Sie hatte nach einer ganzen Woche Abwesenheit mittlerweile großes Heimweh nach Isebing, und sie hätte gern einmal mit Armin von Thaden ein ganz normales Gespräch geführt – eins, in dem sie ihn nicht angriff und er sie nicht mit überheblichem Lächeln übersah, aber dazu würde es wohl sowieso nie kommen, und deshalb konnte sie genauso gut noch hier bleiben, bei ihrer Großmutter. Helena war in der vergangenen Woche