Der kleine Fürst Jubiläumsbox 6 – Adelsroman. Viola Maybach
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Читать онлайн книгу Der kleine Fürst Jubiläumsbox 6 – Adelsroman - Viola Maybach страница 11
»Wie ist er denn so, der Besucher?«, wollte Sara wissen.
»Grässlich«, lautete die Antwort. »Ich kann ihn nicht ausstehen.«
»Und warum nicht? Papa findet ihn doch toll! Was ist so grässlich an ihm?«
Endlich bequemte sich Charlotta unter dem Auto hervor. Ihre blauen Augen blitzten. »Er hat Mama und Papa total eingewickelt«, erklärte sie aufgebracht. »Und mich grinst er immer nur blöd an, weil er weiß, dass er es bei mir gar nicht erst versuchen muss.«
»Was versuchen?«, fragte Sara.
»Sich einzuschleimen«, erklärte Charlotta.
»Aber was hat er dir denn getan?«, fragte Sara, die nicht verstand, warum ihre Schwester so wütend auf den Gast war. Normalerweise ging sie Fremden einfach aus dem Weg.
Sara bekam keine Antwort mehr auf ihre Frage, denn in diesem Augenblick tauchte Ludwig auf und rief: »Ach, Sara, du bist schon da! Dann kann ich dir ja gleich unseren Gast vorstellen…«
Hinter ihm tauchte ein attraktiver Dunkelhaariger auf, dessen Augen sich, aus der Nähe betrachtet, als grün erwiesen. Saras Herz machte einen Satz. Den hatte sie doch schon mal gesehen?
Er lächelte breit und sagte: »Ich habe Ihnen doch versprochen, dass Sie erfahren würden, was ich so komisch fand bei unserer Begegnung – jemand hat Sie mit Namen angeredet, und das war unmittelbar vor meiner Reise zu Ihren Eltern. Ich bin Armin von Thaden.«
»Die alte Dame!«, rief Sara, als sie ihm die Hand reichte. »Die dieser blöde Radfahrer beinahe umgefahren hätte!«
»Genau«, erwiderte Armin.
Ludwig sah verwirrt von Sara zu Armin. »Ihr kennt euch schon?«, fragte er.
»Kennen ist nicht ganz richtig«, meinte Armin. »Aber wir sind einander schon begegnet.« Er schilderte Ludwig ihr Zusammentreffen in wenigen Sätzen. »Und ich wusste natürlich, dass ich deiner Tochter wiederbegegnen würde.«
Langsam gingen sie zu dritt auf das Haus zu, Charlotta hatten sie vollkommen vergessen. Sie starrte ihnen fassungslos nach, dann schob sie sich wieder unter das Auto.
Es wurde wahrhaftig immer schlimmer.
*
Armin fühlte sich wohl wie ein Fisch im Wasser. Nach und nach waren alle Isebing-Geschwister eingetrudelt, und er hatte nicht lange gebraucht, um sie einzuordnen: Thomas war nett, wenn auch ein bisschen angeberisch; die Zwillinge schwebten in anderen Welten, konnten zwischendurch aber überraschend normal sein; Sara war niedlich, aber naiv und träumte, wenn er sich nicht irrte, von einem attraktiven reichen Mann; Stephanie war tüchtig und patent – und Peter, der Älteste, war ein kluger und ausnehmend sympathischer Mann, der nur drei Jahre jünger war als er selbst.
Wie aber passte Charlotta in diese Geschwisterschar? Ihm war gleich klar, dass sie auch in diesem Verbund die Außenseiterin war. Alle schienen sie zu mögen, zugleich aber gab es eine klare Grenze zwischen ihr und den anderen. Am besten schien sie sich mit Peter zu verstehen, was Armin nicht wunderte. Der Älteste hatte eine ruhige, ausgleichende Art, er schaffte es immer wieder, kleine Spitzen, die vor allem Sara gegen ihre jüngere Schwester losließ, zu entschärfen. Es wunderte ihn nicht, dass Rosalie sich in ihn verliebt hatte.
Von ihr hatte Peter im Übrigen sofort gesprochen. »Ich kenne Ihre Schwester«, hatte er gesagt. Das war alles gewesen, doch Armin rechnete damit, dass er das Gespräch bei Gelegenheit noch einmal auf Rosalie lenken würde – vielleicht, wenn sie unter sich waren und er keine neugierigen Fragen von Seiten seiner Geschwister befürchten musste.
Während er über die Isebings nachdachte, begegnete er Charlottas Blick. Der war so unverhüllt feindselig, dass er nun doch erschrak. Was hatte sie nur gegen ihn? Er wollte ihr doch weder etwas wegnehmen, noch ihr zu nahe treten! Doch sie schien ihn als eine Prüfung zu betrachten, die ihr ein böses Schicksal gesandt hatte.
Er wandte vorsichtshalber den Blick ab, denn sie sah angriffslustig aus, und er hatte an diesem Abend kein Verlangen danach, mit ihr zu streiten. Bisher war nämlich kein Tag ohne Zusammenstoß zwischen Charlotta und ihm vergangen, was er wegen ihrer Eltern sehr bedauerte, denn denen war das schrecklich unangenehm.
»Du hättest dich ruhig umziehen können, Charly«, bemerkte Sara in diesem Augenblick, nachdem sie ihre Schwester eine Weile kopfschüttelnd betrachtet hatte. »Man sollte doch meinen, dass dich wenigstens ein Gast im Haus dazu bringt, dich wie ein gesitteter Mensch an den Tisch zu setzen.«
»Sara«, mahnte Marianne leise, während sie einen besorgten Blick zu Charlotta hinüber warf.
Die war bereits aufgesprungen, wobei sie ihren Löffel so heftig in die Suppe warf, dass diese ringsum auf den Tisch spritzte. »Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?«, herrschte sie Sara an. »Ich mache mich doch auch nicht darüber lustig, dass du angemalt bist wie ein Mondkalb, nur weil du meinst, jemanden beeindrucken zu müssen.« Ein finsterer Blick traf Armin. »ICH jedenfalls habe nicht vor, das auch zu tun!« Sie trat einen Schritt zurück, wobei sie ihren Stuhl umstieß, der polternd zu Boden fiel, und verließ mit langen Schritten das Esszimmer.
»Musste das sein, Sara?«, fragte Ludwig mit leichtem Tadel. »Es wäre taktvoller gewesen, deine Bemerkung unter vier Augen zu machen.«
Sara war rot angelaufen vor Zorn über Charlottas Bemerkung. »Takt nutzt bei Charly überhaupt nichts!«, rief sie erregt. »Das wisst ihr doch ganz genau!«
Peter stand auf. »Ich sehe mal, was Charly macht.« Er blickte Sara nachdenklich an. »Du brauchst nicht jedes Mal auf ihr herumzuhacken, Sara«, sagte er. »Das war völlig überflüssig.« Mit diesen Worten folgte er Charlotta.
»Jetzt bin ich auf einmal die Böse!«, rief Sara, die aussah, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen.
»Krieg dich wieder ein«, riet ihr die nüchterne Stephanie ruhig. »Du hast genau gewusst, dass Charly hochgehen würde – wenn du das nicht wolltest, hättest du die Klappe halten müssen.«
»Sehr richtig«, bemerkte Jan beifällig. »Du kannst sie einfach nicht in Ruhe lassen, während Charly dich umgekehrt nie kritisiert, das war heute das erste Mal. Ist dir das noch nicht aufgefallen?«
»Was soll sie denn an mir kritisieren?«, fuhr Sara ihn an. Diese Auseinandersetzung vor dem attraktiven Gast war ihr mehr als peinlich – das war wirklich das Letzte, was sie gewollt hatte.
»Dein perfektes Make-up zum Beispiel – für ein normales Familienabendessen auf einem Gutshof ist es reichlich übertrieben«, erklärte Jan.
Ludwig hielt es nun doch für angebracht, einzugreifen. »Schluss jetzt, bitte«, sagte er. »Ihr seid alle erwachsen, man sollte annehmen, dass ihr euch auch so benehmen könnt.« Er warf Armin einen entschuldigenden Blick zu, stellte jedoch fest, dass sein jüngerer Freund sich offenbar still amüsierte. Jedenfalls sah er nicht so aus, als quälte ihn die familiäre Auseinandersetzung.
Von da an blieb es ruhig. Sara kämpfte noch eine Weile mit den Tränen, beruhigte sich aber, als Armin gutmütig nach ihrer Arbeit fragte. Auch die anderen fingen wieder an, sich zu unterhalten, schließlich hatten sie einander die ganze Woche über nicht gesehen.
Marianne