Der kleine Fürst Jubiläumsbox 6 – Adelsroman. Viola Maybach
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Читать онлайн книгу Der kleine Fürst Jubiläumsbox 6 – Adelsroman - Viola Maybach страница 6
»Mir auch«, erklärte er. »Wissen Sie noch, wie er mich einmal fürchterlich angeschnauzt hat, weil er dachte, ich hätte eine Beule in den Wagen gefahren und wäre zu feige, zu meiner Tat zu stehen?«
Helena musste lachen. »Natürlich weiß ich das noch! Es hat sich dann herausgestellt, dass es einer von unseren Gästen war, der nachts noch eine kleine Spritzfahrt unternommen hat – heimlich. Aber mein Mann hat sich bei dir entschuldigt, oder?«
»Nach allen Regeln der Kunst«, erklärte Robert. Er war froh, dass es ihm gelungen war, Helena abzulenken. In letzter Zeit machte er sich Sorgen um sie, weil sie immer öfter den Kopf hängen ließ. Das kannte er nicht von ihr, sie war eigentlich eine sehr couragierte Person, die sich nicht leicht unterkriegen ließ.
Er half ihr aus dem Wagen und geleitete sie bis zum Haus, obwohl sie versuchte, ihn daran zu hindern. »Behandele mich bitte nicht, als wäre ich krank, Robert!«
»Das tue ich nicht«, behauptete er, »ich bin nur vorsichtig.«
»Übervorsichtig!«, erklärte sie. »Nun lass mich schon los, du musst doch noch den Wagen in die Garage fahren.«
Er hatte den Wagen noch nicht erreicht, als er einen spitzen Schrei aus dem Inneren des Hauses hörte, gefolgt von lautem Gepolter. Erschrocken machte er auf dem Absatz kehrt und rannte zur Haustür, die noch offen stand.
Helena von Isebing lag am Fuß der breiten Treppe, die in den ersten Stock hinaufführte. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt.
»Frau von Isebing, was ist denn passiert?«, fragte Robert, als er versuchte, ihr beim Aufstehen zu helfen. Sie schrie jedoch auf und sackte wieder zusammen.
Tränen standen in ihren Augen. »Ich war schon halb oben, hatte aber etwas vergessen«, flüsterte sie. »Und dann muss ich eine Stufe übersehen haben, als ich wieder nach unten gehen wollte – ich bin die halbe Treppe hinuntergefallen.«
Robert holte ihr ein Kissen und eine Decke, damit sie besser liegen konnte, dann rief er die Notrufnummer an. Eine Stunde später wussten sie, was passiert war: Helena hatte sich einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen.
*
»Wie geht es ihr?«, fragte Marianne am nächsten Tag, als Ludwig nach Hause zurückkehrte. Er war sofort losgefahren, um seine Mutter im Krankenhaus zu besuchen, nachdem Robert Kahrmann ihm mitgeteilt hatte, was passiert war.
»Wie heißt die Floskel? ›Den Umständen entsprechend gut‹ – das ist jedenfalls das, was die Ärzte sagen. Jetzt liegt sie erst einmal im Krankenhaus, aber da will sie natürlich nicht bleiben, Nana. Sie hat geweint, ich erkenne sie kaum wieder. Sie wirkt so mutlos – so, als wäre nach diesem Sturz ihr Leben zu Ende. Herr Kahrmann sagte mir, dass das schon eine ganze Zeitlang so geht. Sie vermisst meinen Vater, sie ist zu viel allein…«
»Wenn wir Platz hätten, könnte sie zu uns ziehen«, sagte Marianne zögernd. »Ich weiß zwar nicht, ob das gut für uns alle wäre, aber…«
»Nein, das wäre es nicht«, erklärte Ludwig. »Du kennst doch meine Mutter, sie ist viel zu eigensinnig. Und wenn nicht alles nach ihrem Kopf geht, kann sie ganz schön grantig werden. Sie sagt das ja selbst.«
»Aber wenn sie sich einsam fühlt, müssen wir uns etwas einfallen lassen, Ludwig. Das wird ja, so lange sie ans Bett gefesselt ist, noch schlimmer sein.«
»Ich weiß«, erwiderte er bedrückt.
Charlotta kam herein. »Wie geht es Omi?«, fragte sie.
Ludwig wiederholte, was er bereits Marianne erzählt hatte und schloss mit den Worten: »Vielleicht kann sie eine Zeitlang zu uns kommen, so lange sie bettlägerig ist. Ich muss darüber noch einmal nachdenken.«
»Omi hierher?«, fragte Charlotta. »Nie im Leben, Papa. Eher geht sie in den Hungerstreik. Sie liebt ihr Haus und will da nicht weg.«
»Kann sein, dass du Recht hast«, gab er zu. »Noch haben wir ja ein wenig Zeit zum Nachdenken. Sie muss mindestens zwei Wochen im Krankenhaus bleiben, so lange können wir ohnehin nichts tun.« Er stockte. »Was ist mit Armin?«, fragte er seine Frau. »Meinst du, ich sollte ihm absagen?«
»Warum fragst du ihn nicht? Du wirst sicher öfter mal zu deiner Mutter fahren zwischendurch, aber du und er, ihr müsst ja nicht ständig zusammenhocken, oder? Von mir aus kann er ruhig kommen – und für dich wäre es vielleicht auch nicht schlecht, wenn du ein wenig Abwechslung hättest. Du hast dich doch auf diesen Besuch gefreut.«
»Das schon, ja, aber ich rufe ihn doch lieber an und schildere ihm die Lage.«
»Ich würde Omi auch gern besuchen«, erklärte Charlotta, als ihr Vater zum Telefonieren ins Nebenzimmer gegangen war. »Von der Arbeit her müsste das eigentlich gehen.«
»Deine Großmutter würde sich sicherlich sehr freuen«, meinte Marianne. »Und vielleicht könntest du bei der Gelegenheit doch einmal vorfühlen, ob sie bereit wäre, wenigstens einige Wochen zu uns zu kommen – so lange, bis sie wieder auf den Beinen ist.«
»Fragen kann ich sie schon, Mama, aber sie wird ablehnen.«
Ludwig kehrte zurück. »Armin möchte auf jeden Fall kommen, wenn es uns nicht stört. Es bleibt also bei unserer Verabredung.«
Marianne lächelte ihm zu. »Das ist gut«, sagte sie. »Charly will zu deiner Mutter, ihr solltet darüber reden, an welchem Tag es am günstigsten wäre.«
»Wenn euer Besuch kommt«, sagte Charlotta schnell. »Das fände ich am besten.«
Sie wartete die Reaktion ihrer Eltern nicht ab, sondern verließ das Haus wieder. Gleich darauf sahen sie sie mit den für sie typischen langen Schritten über den Hof marschieren.
»Darüber hatte sie offenbar schon vorher nachgedacht«, bemerkte Ludwig. »Na ja, mir ist es recht. Dann haben wir wenigstens ein paar ruhige Stunden mit Armin, und du kannst ihn kennenlernen, ohne wegen Charly in Sorge sein zu müssen.«
»Ach, ich bin nicht mehr in Sorge, Ludwig. Sie wird sich unmöglich benehmen, und wir werden es aushalten müssen – so sehe ich das. Wenn dein junger Freund nicht allzu empfindlich ist, wird er sie auch ertragen, oder?«
Er nahm sie in die Arme und gab ihr einen Kuss. Das war seine Art, ihr für ihre Gelassenheit zu danken.
*
Rosalie von Thaden stutzte, als sie im Vorübergehen zufällig den Namen »Isebing« las. Ein Archäologe namens Bernhard von Isebing hielt einen Vortrag über Ausgrabungen in Asien – das Thema interessierte sie. Noch mehr aber interessierte sie der Mann, der ja wohl eines von diesen vielen Kindern sein musste, die Armins neuer Freund Ludwig hatte. Oder vielleicht auch ein Bruder?
Sie beschloss, sich den Vortrag anzuhören. Es konnte ja nicht schaden, sich auf diese Weise zumindest von einem der Familienmitglieder ein Bild zu machen. Bei dem Gedanken, was ihr Bruder dazu gesagt hätte, musste sie lachen. Es hätte ihm, da war sie sicher, nicht gepasst. »Du spionierst!«, hätte er vermutlich gesagt.
Der Vortrag war erst in einigen Stunden, so dass ihr Zeit genug blieb, in Ruhe alles zu erledigen,