Der kleine Fürst Jubiläumsbox 6 – Adelsroman. Viola Maybach
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Читать онлайн книгу Der kleine Fürst Jubiläumsbox 6 – Adelsroman - Viola Maybach страница 3
Gleich darauf kam Jan wieder herunter und lächelte seiner Mutter zu. »Alles wieder in Ordnung, Mama«, sagte er. »Komm, Anja, erklär mir noch mal genau, was du meinst…«
Sie sah ihnen nach, wie sie über den Hof gingen, Anja eifrig redend, Jan aufmerksam zuhörend. Ja, ihre sieben Kinder waren sehr unterschiedlich, aber sie liebte jedes einzelne von ihnen.
*
Baronin Sofia von Kant und ihr Mann, Baron Friedrich, saßen gemeinsam mit Helena von Isebing in ihrem schönsten Salon und tranken Tee miteinander. Die alte Dame sah sehr zerbrechlich aus, aber ihr lebhaftes Mienenspiel ließ diesen Eindruck immer wieder in Vergessenheit geraten.
»Ich bin froh, dass ich mich von Robert habe überreden lassen, euch wieder einmal zu besuchen«, sagte sie jetzt gerade. Robert Kahrmann war ihr Butler – und zugleich ihr Chauffeur. Sie hatte ihn schon gekannt, als er noch ein Kind gewesen war, entsprechend vertrauensvoll war ihr Verhältnis zueinander. »Es ist so schön auf Sternberg – und dieser Blick in euren wundervollen Schlosspark ist einfach unbezahlbar.«
»Du solltest viel öfter kommen, Helena«, meinte die Baronin. »Wir haben dir das ja schon oft gesagt, aber bisher ohne Erfolg, was wir sehr bedauern.«
»Ich weiß, ich weiß.« Helena trank einen Schluck Tee und lehnte sich dann zurück. »Aber ich bin gesundheitlich angeschlagen, für mich ist auch eine kurze Autofahrt schon eine Anstrengung. Das könnt ihr nicht nachvollziehen, ihr seid ja noch jung…«
»So jung nun auch wieder nicht«, warf der Baron lächelnd ein. »Vierzig ist nicht mehr jung, Helena.«
»Verglichen mit mir seid ihr jung!« Helena seufzte. »Manchmal denke ich, dass ich zu viel allein bin. Könnt ihr euch das vorstellen? Sicher, Robert ist da, die Köchin ebenfalls, die Mädchen, die das Haus in Ordnung halten – aber manchmal wünsche ich mir, dass jemand einfach nur neben mir säße, meine Hand hielte und mir etwas erzählte. Das muss nichts Aufregendes sein, aber ich stelle es mir schön vor…« Sie brach ab und lächelte verlegen. »Entschuldigt, dass ich euch mit diesen Dingen langweile.«
»Du langweilst uns nicht«, widersprach die Baronin. »Hör mal, dein Sohn hat sieben Kinder – warum bittest du nicht einen deiner Enkel, für eine Weile zu dir zu ziehen? Du wärst nicht so allein, und für junge Leute ist es auch nicht schlecht, wenn sie beizeiten sehen, wie beschwerlich das Leben im Alter werden kann.«
Helena lächelte. »Da hast du wohl Recht, Sofia, aber so einfach ist das nicht. Die arbeiten oder studieren ja alle oder sie machen eine Ausbildung. Außerdem bin ich kein Mensch, mit dem es sich leicht zusammenleben lässt.«
Sofia und Friedrich lachten ungläubig. »Aber mit dir kommt doch einfach jeder gut aus!«, rief die Baronin.
»Nein, nein, ganz bestimmt nicht«, beteuerte Helena. »Meine jüngste Enkelin ist mir ähnlich. Sie will auch immer mit dem Kopf durch die Wand, schert sich nicht um Konventionen und eckt ständig an. Ich war als junge Frau wie sie.«
Friedrich beugte sich interessiert vor.
»Du und anecken?«, fragte er. »Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.«
»Ja, es fällt mir selbst schwer«, gab Helena zu. »Aber ich habe Fotos von damals, da sieht man recht gut, dass ich mit der Welt auf Kriegsfuß stand. Zum Glück erinnert sich heute kaum noch jemand daran, und nach meiner Eheschließung bin ich dann ja auch recht brav geworden. Wenn mein Mann noch lebte – der könnte euch Geschichten erzählen!« Sie lächelte bei der Erinnerung, dann glitt ihr Blick aus dem Fenster, sie beugte sich ein wenig vor. »Ist das Christian?«, fragte sie. »Der kleine Fürst?«
»Ja«, bestätigte Sofia. »Er war sicher auf dem Hügel.«
Helena sah sie fragend an. »Du meinst auf dem Friedhof?«
Die Baronin nickte. »Er besucht seine Eltern jeden Tag«, erklärte sie. »Wir sind froh darüber, das gibt ihm Kraft. Er erzählt ihnen in Gedanken, was ihn bewegt, und er hat den Eindruck, dass sie ihn hören können.«
»Wie schön«, sagte Helena leise. »Was für eine tröstliche Vorstellung, dass unsere Toten uns begleiten, auch wenn sie von uns gegangen sind. Bei mir und meinem Mann ist es auch so. Ich spreche mit ihm und glaube, dass er mir zuhört.« Sie blickte wieder aus dem Fenster. »Das heißt, Christian hat den Verlust seiner Eltern einigermaßen gut verkraftet?«
»Ja, das glauben wir. Wir versuchen, ihm die Familie zu ersetzen, so gut es geht – unsere Kinder und Christian sind ja auch vorher schon praktisch wie Geschwister aufgewachsen, von daher hat sich nicht viel geändert.«
»Gut, dass ihr schon vor so vielen Jahren nach Sternberg gezogen seid.«
»Ja, das war ein Glück.«
Nach diesen Worten versanken sie in Schweigen, während ihre Gedanken zu Fürstin Elisabeth und Fürst Leopold von Sternberg wanderten, den Eltern von Prinz Christian, die vor etlichen Monaten bei einem schrecklichen Unfall ums Leben gekommen waren. Christian war fünfzehn Jahre alt, aber dieser Verlust hatte ihn reifen lassen. Er war ernster als die meisten Jungen seines Alters, und nachdenklicher.
»Wird er immer noch ›der kleine Fürst‹ genannt?«, fragte Helena nach einer Weile.
Sofia lächelte. »Ja, und das bleibt vermutlich so, bis er volljährig wird. Dann ist er der nächste Fürst von Sternberg.«
»Der ›große Fürst‹«, bemerkte Helena. »Das war ein schönes Bild, wenn Leo mit Christian an der Hand irgendwo auftauchte. Ich glaube, damals ist der Kosename aufgekommen – kann das sein?«
Der Baron nickte. »Der große und der kleine Fürst – so haben die Leute immer gesagt, und dabei ist es geblieben.«
In diesem Augenblick kam Christian zur Tür herein, seinen jungen Boxer Togo hielt er an der kurzen Leine, was dem Hund sichtlich missfiel. »Ruhig, Togo! Du kannst nicht jeden Menschen so stürmisch begrüßen, wie es dir gefällt«, mahnte er.
»Lass ihn ruhig los«, lächelte Helena. »Ich sitze ja, also kann er mich nicht umwerfen, Chris.«
Der kleine Fürst ließ den Hund also von der Leine, und Togo eilte ohne zu zögern auf die Besucherin zu. Er war neugierig und verspielt, Gäste fand er immer besonders interessant.
Christian begrüßte Helena erst nach seinem Hund, denn Togo bestand darauf, zuerst gekrault zu werden, was Helena gerne tat. Anschließend reichte sie Christian die Hand. »Wir haben uns fast ein Jahr nicht gesehen, Chris«, sagte sie.
Er nickte. »Sie kommen eben zu selten«, meinte er mit einem Lächeln.
»Das haben wir auch schon gesagt!«, erklärte die Baronin. »Möchtest du einen Tee mit uns trinken, Chris?«
Er lehnte dankend ab. »Ich muss noch Hausaufgaben machen, ziemlich viel leider.«
Höflich verabschiedete er sich wieder.
»Ein bemerkenswerter Junge«, stellte Helena fest. »Und wie sicher er auftritt! Kaum zu glauben, dass er erst fünfzehn ist.«