Der kleine Fürst Jubiläumsbox 6 – Adelsroman. Viola Maybach

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Der kleine Fürst Jubiläumsbox 6 – Adelsroman - Viola Maybach Der kleine Fürst Box

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Helena. Blass sah sie aus, noch schmaler war sie geworden, und ihre Haut wirkte beinahe durchsichtig.

      Charlotta hatte den Schrecken, der sie beim Anblick ihrer Großmutter durchzuckt hatte, nur mühsam verborgen. »Wie lange musst du denn noch hierbleiben, Omi?«, fragte sie.

      Trotz ihrer sichtbaren Schwäche schimpfte Helena so kraftvoll wie eh und je, wenn ihr etwas nicht gefiel. »Die bilden sich wahrhaftig ein, sie könnten mich hier wochenlang festhalten, stell dir das mal vor? Aber das kommt natürlich überhaupt nicht in Frage! Ich gehe so bald wie möglich nach Hause!«

      »Du kannst nicht laufen«, gab Charlotta zu bedenken. »Und das heißt, du kannst dir überhaupt nicht allein helfen.«

      »Das weiß ich!« Helena funkelte ihre Lieblingsenkelin an, weil sie es gewagt hatte, auszusprechen, was ihr selbst das größte Kopfzerbrechen bereitete. »Aber Robert ist ja auch noch da – und das übrige Personal.«

      »Das sind aber keine ausgebildeten Pflegekräfte«, bemerkte Charlotta. »So viel ich weiß, muss man auf vieles Acht geben, wenn ein Mensch bettlägerig ist. Du könntest dich wundliegen oder…«

      Helena sorgte mit einer ungeduldigen Handbewegung für ein Ende dieser unerwünschten Ausführungen. »Das kann man lernen!«, schnaubte sie. »Ich hätte nie gedacht, dass du dich gegen mich stellst, Charly.«

      »Das tue ich nicht«, versicherte Charlotta. »Ich sage dir nur, dass es nicht so einfach ist, wie du es gerne hättest. Du hast dich schwerer verletzt, als du denkst.«

      Daraufhin fiel Helena sichtlich in sich zusammen, und Charlotta bereute ihre offenen Worte sofort. »Tut mir leid«, sagte sie zerknirscht. »Ich wollte dich nicht entmutigen, Omi, aber es hat auch keinen Sinn, dass du dir Illusionen machst.« Als sie sah, dass in Helenas Augen plötzlich Tränen schimmerten, beugte sie sich über ihre Großmutter und küsste sie liebevoll auf beide Wangen. »Bitte, nicht weinen, Omi. Lass uns lieber überlegen, was wir tun können, damit es dir schnell besser geht.«

      »Ich muss hier raus«, murmelte Helena, und dieses Mal klang ihre Stimme so kraftlos, wie sie sich fühlte. »Krankenhäuser haben mich schon immer verrückt gemacht, Charly. Schon als Kind. Allein, wie die hier mit mir reden – ich kann das nicht ausstehen. So, als hätte ich mir nicht den Oberschenkelhals gebrochen, sondern einen Hirnschaden davongetragen. Dieses krampfhaft muntere Auftreten, wenn sie zur Tür hereinkommen…«

      »Du übertreibst, Omi«, sagte Charlotta. »Bestimmt sind nicht alle so. Aber ich gebe dir Recht: Es wäre für dich besser, wenn du schnell wieder nach Hause kämst. Mama hatte die Idee, dass du vielleicht für ein paar Wochen zu uns…«

      »Nie im Leben!« Schlagartig klang Helena wieder vollkommen gesund. »Nie im Leben, Charly, hast du mich verstanden? Bei euch würde ich verrückt. Ich brauche meinen geordneten Haushalt, in dem jeder weiß, was er zu tun hat – und mich weitgehend in Ruhe lässt. So fühle ich mich wohl.«

      »Aber neulich hast du gesagt, dass du dich manchmal ziemlich allein fühlst«, erinnerte Charlotta sie.

      »Das stimmt, aber deshalb kann ich nicht mein gesamtes Leben ändern, Kind. Ich hätte gern jemanden im Haus, den ich gerne mag und mit dem ich mich zwischendurch unterhalten kann.«

      »Herrn Kahrmann?«, fragte Charlotta. »Aber der wohnt ja schon bei dir.«

      Helena lächelte. »Er ist immer für mich da, das stimmt schon, aber es gibt Dinge, über die ich mit ihm nicht sprechen kann, Charly.«

      »Ja, aber wer sonst…?«, fragte Charlotta verwundert.

      Helena seufzte. »Das ist es ja eben: Für mein Problem gibt es keine Lösung. Ich will nirgends anders hin – und so werde ich allein bleiben müssen. Fertig, aus.«

      Über diese Worte dachte Charlotta noch nach, als sie eine halbe Stunde später ins Auto stieg und zurück zum Gutshof ihrer Eltern fuhr.

      *

      »Man könnte meinen, Sie seien auf der Flucht!«, sagte eine Stimme hinter Rosalie.

      Sie blieb stehen und drehte sich um. Das Blut schoss ihr in die Wangen, als sie den Mann erkannte, der ihr offensichtlich gefolgt war: Es war Bernhard von Isebing. »Bin ich nicht!«, behauptete sie.

      Er betrachtete sie lächelnd. »Sie waren in meinem Vortrag«, stellte er fest. »Und leider sind Sie hinterher nicht zu mir gekommen, um mir eine lebenswichtige Frage zu stellen.«

      »Leider?«, fragte sie verwundert.

      »Sie sind mir sofort aufgefallen«, erklärte er. »Sie sind doch keine Studentin, oder?«

      »Nein, bin ich nicht. Ich habe schon vor Ihrem Vortrag festgestellt, dass ich offenbar die Einzige im Saal war, die sich für das Thema interessierte. Alle anderen waren offenbar Ihretwegen gekommen.«

      Er lachte amüsiert, und sie stellte fest, dass er sehr schöne Augen hatte. »Ja, ich weiß auch nicht, warum gerade ich im Moment so beliebt bin«, stellte er fest. »Das sind so Moden, wissen Sie? Die kommen und gehen. Im nächsten Semester wird es jemand anders sein. Wollen wir eine Kleinigkeit zusammen essen?«

      Sie konnte es nicht fassen. Der Schwarm aller Studentinnen fragte sie – ausgerechnet sie! – ob sie mit ihm etwas essen gehen wollte. Sie hörte sich sagen: »Gern«, und wenig später saßen sie einander in einem Restaurant gegenüber, das er ausgesucht hatte und in dem sie noch nie gewesen war. Es sah gemütlich und nicht allzu teuer aus, und sie fragte sich noch immer, wie sie hier eigentlich gelandet war mit diesem Mann, den sie geradezu unverschämt attraktiv fand.

      Aber mit der Zeit vergaß sie diese Frage, denn es stellte sich heraus, dass Bernhard von Isebing und sie eine Menge gemeinsamer Interessen hatten, und so entspann sich zwischen ihnen ein lebhaftes Gespräch. Schließlich erzählte sie ihm von ihrem Bruder, und Bernhard begann laut zu lachen. »Das gibt es doch gar nicht!«, rief er. »Der Mann, mit dem sich mein Vater angefreundet hat, ist Ihr Bruder?«

      »Ja, und in gewisser Weise bin ich nur deshalb zu Ihrem Vortrag gegangen: Ich bin erst durch den Namen ›Isebing‹ darauf aufmerksam geworden«, gestand Rosalie.

      »Dann müssen Sie uns unbedingt an einem der Wochenenden besuchen, an denen er bei uns ist«, schlug Bernhard vor.

      »Er wäre sicherlich sehr verwundert«, meinte Rosalie.

      »Denken Sie darüber nach«, bat er. »Ich würde mich jedenfalls sehr freuen. Wir könnten zusammen fahren.«

      Doch Rosalie zögerte. »So gut kennen wir uns noch nicht«, fand sie.

      Seine Augen ruhten nachdenklich auf ihrem Gesicht. »Vielleicht haben Sie Recht«, gab er zu. »Aber ich hätte nichts dagegen, wenn sich das bald ändern würde.«

      Sie errötete heftig. Er brachte sie nach dem Essen nach Hause, und zum Abschied umarmte er sie. Halb war sie enttäuscht, dass er keinen Versuch machte, sie zu küssen – halb war sie froh darüber.

      Er war eben ein gut erzogener junger Mann!

      *

      Charlotta blieb in der Tür stehen und betrachtete den Gast ihrer Eltern. Als er aufsah und sie anlächelte, presste sie die Lippen zusammen, um ihm gleich zu zeigen, dass er keine Chance hatte, sich bei ihr einzuschleimen. Was bildete er sich denn ein? Nur weil er zufällig gut aussah und es geschafft

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