Der kleine Fürst Staffel 5 – Adelsroman. Viola Maybach
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Читать онлайн книгу Der kleine Fürst Staffel 5 – Adelsroman - Viola Maybach страница 28
»Das muss es auch«, brummte der Bauer. »Wir brauchen Nachwuchs, nachdem uns doch letztes Jahr zwei Kühe verendet sind.«
»Verendet?«, fragte Arndt verwundert. »Sind sie krank geworden?«
Das Gesicht des Alten nahm jetzt einen grimmigen Ausdruck an. »Überhaupt nicht, es waren meine beiden besten Milchkühe. Aber ein paar Buben hier aus dem Ort haben ein Loch in unseren Zaun gerissen, und die Rindviecher wollten wohl mal sehen, wie es auf der anderen Seite aussieht. Sie sind auf die Straße gerannt, direkt in einen Lastwagen hinein. Es war ein richtiges Glück, dass nicht noch mehr passiert ist, der Fahrer ist unverletzt geblieben – aber natürlich hat er einen Schock bekommen. Zwei weitere Kühe wollten auch noch durch das Loch schlüpfen, das konnte ich verhindern.«
»Das war für die Eltern der Buben aber teuer«, vermutete Arndt.
»Ach was«, brummte Bauer Renninger. »Die Eltern haben doch so schon nichts zu beißen, soll ich die auch noch ins Unglück stürzen? Ich hab zwar viel Arbeit, aber wir kommen zurecht, meine Frau, mein Sohn mit seiner Familie und ich. Und ins Grab kann ich doch nichts mitnehmen, Herr Doktor.«
Arndt lächelte dem alten Mann zu, ihm war dessen Haltung außerordentlich sympathisch. Er blieb noch, bis das Kalb versuchte, sich auf seine staksigen Beine zu stellen, was ihm nach mehreren Anläufen schließlich auch gelang. Da stand es nun und wusste noch nicht so recht, wohin es sich wenden sollte, doch ein kleiner Stups seiner Mutter genügte, ihm den Weg zur ersehnten Milch zu weisen.
»Übernächste Woche dürfte die andere Kuh so weit sein, Herr Doktor, aber wenn es keine Probleme gibt, machen wir das allein, da ist mein Sohn auch wieder da – der ist diese Woche unterwegs.«
»Sonst rufen Sie an, dann komme ich, Herr Renninger.«
Arndt und der alte Bauer wechselten einen kräftigen Händedruck, dann setzte sich Arndt in seinen Kombi und rollte langsam vom Hof. Seine Vertretung ließ sich nicht schlecht an, wahrhaftig nicht.
*
»Sind Sie Herr Wenger?«, fragte Julietta, als sie das Büro des Stallmeisters betrat.
»Der bin ich«, bestätigte Robert Wenger. »Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«
»Julietta von Barrentrop. Sie wussten doch, dass ich komme!« Das klang durchaus vorwurfsvoll.
»Julietta also«, wiederholte Robert gelassen. »Ich duze alle, die hier unter meinem Kommando arbeiten, bei dir werde ich keine Ausnahme machen. Wollen wir gleich einen Rundgang machen?«
Sie rührte sich nicht. »Ich will nicht geduzt werden«, sagte sie störrisch.
»Tut mir leid, aber ich bin hier derjenige, der die Regeln macht.«
»Das dürfen Sie überhaupt nicht!«
»Mag sein. Aber es dient der Vereinfachung der Arbeit. Du kannst ja eine Eingabe beim Herrn Baron machen und dich offiziell beschweren. Was ist nun mit dem Rundgang?«
Julietta nickte mit verschlossenem Gesicht. Robert Wenger und sie würden keine Freunde werden, das stand für sie bereits fest.
Robert stand auf. Er wusste, dass er ziemlich einschüchternd wirken konnte, und darauf legte er es jetzt an. Ihm war bereits einiges zu Ohren gekommen über die junge Dame, die vor knapp zwei Stunden auf Sternberg angekommen war – und er wusste, wie wichtig es war, bestimmte Dinge gleich am Anfang zu klären. Wenn sie sich einbildete, sie könnte ihm hier auf der Nase herumtanzen, weil ihre Eltern mit der Familie von Kant befreundet waren, dann musste er ihr diese Idee möglichst schnell austreiben.
»Was kannst du?«, fragte er, während sie den Hof überquerten.
»Was meinen Sie damit?«, fragte sie zurück. »Ich kann reiten und mit Pferden umgehen – mehr muss ich ja wohl nicht können, um hier ein Praktikum zu machen, oder?«
»Du musst einiges mehr können«, bemerkte er gelassen. »Reiten und mit Pferden umgehen kann hier jeder. Verstehst du? Ohne Ausnahme jeder.«
»Aber nicht so gut wie ich«, trumpfte Julietta auf.
»Sei dir nur nicht zu sicher«, warnte Robert. Sie betraten den ersten Stall, und er beobachtete Juliettas Reaktion aus den Augenwinkeln. Sie war gebührend beeindruckt – gut so! An der Art und Weise, wie sie sich jetzt der ersten Box näherte, sah er, dass sie tatsächlich mit Pferden umgehen konnte. Immerhin ein Pluspunkt, vermutlich der einzige, er machte sich in dieser Hinsicht keine Illusionen. Sie würde sofort anecken mit ihrer hochfahrenden Art, er war gespannt auf die Reaktion der anderen Pferdepfleger, wenn er sie vorstellte.
»Du musst zum Beispiel mit deinen Kolleginnen und Kollegen auskommen«, fuhr er fort. »Die arbeiten alle hart und erwarten von dir, dass du das auch tust. Was weißt du über die Pflege von Pferden? Über ihre Nahrung? Über das, was sie brauchen, um sich wohlzufühlen?«
Es stellte sich schnell heraus, dass Julietta nur über begrenzte Kenntnisse verfügte – genauso hatte er sich das vorgestellt. Sie ritt wahrscheinlich leidenschaftlich gern und auch sehr gut, sie hatte eine natürliche Begabung im Umgang mit Pferden, aber um alles, was mühsam zu lernen war oder Anstrengung bedeutete, hatte sie bisher einen großen Bogen gemacht.
»Du bist morgen zum Frühdienst eingeteilt«, sagte er, als sie sich dem zweiten Stall näherten. »Und zwar deshalb, weil ich dann ebenfalls anwesend sein werde und dich einweisen kann. Später wird das unser erster Pferdepfleger übernehmen, aber morgen kümmere ich mich persönlich um dich.«
»Frühdienst?«, fragte Julietta misstrauisch. »Ich bin eine Nachteule, ich arbeite lieber abends.«
»Es geht leider nicht danach, was du am liebsten machst«, erklärte Robert. »Die Pferde müssen versorgt werden, und da ist jeder mal mit dem Frühdienst dran. Sei froh, du machst das ja nur eine Woche, dann hast du es erst einmal hinter dir, weil es jemanden anders trifft. Wir treffen uns um fünf Uhr in meinem Büro.«
Julietta blieb stehen. »Spinnen Sie?«, fragte sie. »Da muss ich ja um halb fünf schon aufstehen.«
»Wenn du noch einmal in einem solchen Ton mit mir sprichst, bist du schneller wieder draußen, als du es dir vorstellen kannst«, erwiderte Robert scharf. »Falls du es noch nicht begriffen hast: Ich bin hier dein Vorgesetzter und erwartet respektvolles Benehmen, so wie ich auch dich respektvoll behandele – obwohl ich mich allmählich frage, womit du das eigentlich verdienst, so wie du dich aufführst.«
Sie hatte eine hitzige Erwiderung auf der Zunge, das sah er, doch sie bezähmte sich. Immerhin, dachte er, sie gibt sich Mühe, das spricht für sie. Milder setzte er hinzu: »In diesem Stall stehen die Pferde, die wir demnächst verkaufen werden.«
Der Anblick der wundervollen Pferde half Julietta, ihre Fassung zurückzugewinnen. Sie war sich nicht bewusst, dass Robert Wenger sie die ganze Zeit beobachtete, und erst recht ahnte sie nicht, dass sein Urteil über sie viel milder ausfiel, als er es zunächst selbst angenommen hatte. Die Liebe zu den Pferden war ihr so deutlich anzusehen, dass der gestrenge Stallmeister beschloss, der jungen Dame einiges nachzusehen, bevor er den Baron bitten