Der kleine Fürst Staffel 5 – Adelsroman. Viola Maybach
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Читать онлайн книгу Der kleine Fürst Staffel 5 – Adelsroman - Viola Maybach страница 30
»Sieht so aus, ja. Für ihn tut es mir natürlich leid, aber für mich ist das eine Riesenchance.«
»Und trotz der vielen Arbeit haben Sie Zeit, sich auf einer Pferdeauktion umzusehen?«
Arndt lachte. »Ich komme gerade von einem Noteinsatz zurück, Sie werden es nicht glauben. Sonst wäre ich bestimmt nicht hier, aber ich muss praktisch am Auktionsgelände vorbeifahren, um nach Hause zu kommen, da wäre es doch dumm gewesen, nicht wenigstens kurz anzuhalten, meinen Sie nicht?«
»Ich bin jedenfalls froh, dass Sie es getan und wir uns auf diese Weise kennengelernt haben«, erklärte der Baron. »Wenn Sie uns demnächst wieder einen Besuch abstatten, werden Sie dann auch Silberstern untersuchen dürfen.«
»Es wird mir ein Vergnügen sein. Ich denke übrigens, Sie sollten ihn im Auge behalten, er scheint mir sehr nervös zu sein. Er hat jetzt, wie ich hörte, einige Male den Besitzer gewechselt, weil die Leute Pferde heutzutage offenbar vor allem als Kapitalanlage sehen – das hat ihm jedenfalls nicht gut getan. Er braucht Ruhe. Und ein zuhause, auch wenn das sentimental klingen mag. Er weiß nicht, wohin er gehört.«
Friedrich hatte dieser Rede eines noch sehr jungen Mannes mit wachsendem Erstaunen zugehört. Die Worte bewiesen ihm, dass Arndt von Claven den richtigen Beruf gewählt hatte: Er sah ein Tier und war sehr schnell im Stande, sich ein Bild von ihm zu machen. Das konnte beileibe nicht jeder. »Ja, ich habe die Nervosität auch wahrgenommen«, bestätigte er nun. »Wenn wir die Rückfahrt hinter uns haben, wird Silberstern so viel Ruhe haben, wie er benötigt. Außerdem hat er auf Sternberg viel Auslauf, auch das wird dazu beitragen, sein Befinden zu verbessern.«
»Ich wünsche Ihnen viel Glück mit ihm«, sagte Arndt zum Abschied. »Und jetzt will ich nachhause, Herr von Kant – mir geht es nämlich wie Ihrem Hengst: Ich sehne mich nach Ruhe.«
Sie lächelten beide, als sie sich zum Abschied die Hände schüttelten. Es war eine angenehme Begegnung gewesen, der sicherlich weitere folgen würden.
*
»Magst du sie?«, fragte Anna.
Christian und sie saßen im letzten Pferdestall, der nur noch als Abstellraum genutzt wurde, deshalb waren sie hier in der Regel unter sich und zogen sich immer dann hierher zurück, wenn sie ungestört miteinander reden wollten.
»Ich weiß nicht«, antwortete der kleine Fürst ein wenig nachdenklich. »Eigentlich ist Julietta nett, glaube ich, aber sie benimmt sich seltsam.«
»Sie schmatzt«, stellte Anna fest, »und sie ist nicht nett zu Herrn Hagedorn. Das nehme ich ihr am meisten übel. Und wie sie immer rumläuft! Sie ist schon einundzwanzig, aber wenn Mama nicht von ihr verlangte, dass sie sich umzieht, würde sie sich glatt in ihren dreckigen Klamotten zu uns an den Tisch setzen. Dabei stinken ihre Sachen wie verrückt, das muss sie doch eigentlich merken? Ich meine, natürlich stinken sie, wenn man Ställe ausmistet, das weiß jeder.«
»Es ist ihr wohl gleichgültig«, vermutete Christian. »Ich glaube, sie fühlt sich hier ziemlich allein.«
»Das müsste sie aber gar nicht, wenn sie sich anders benähme.« Aus Anna sprach die tiefe Enttäuschung einer Dreizehnjährigen, die sich vor Juliettas Besuch einen Ersatz für die nicht vorhandene ältere Schwester erhofft hatte und sich nun bitter enttäuscht sah. Die junge Frau hatte mit Anna und Christian bisher keine zehn Sätze gewechselt. Sie sah meistens mürrisch aus und wirkte in sich gekehrt. »Sie ist ein richtiger Trampel, Chris, da kannst du sagen, was du willst. Sie sieht wie ein Trampel aus, und sie benimmt sich auch so. Und sie riecht so.«
Er hätte ihr gern widersprochen, musste ihr im Stillen aber Recht geben. Es gab wirklich nicht allzu viel, was für Julietta sprach. Dennoch sagte er: »Ganz so schlimm ist es nicht.«
Doch Anna war nicht in der Stimmung für Kompromisse. »Doch!«, erklärte sie mit Nachdruck. »Es ist genauso schlimm, wie ich gesagt habe. Du brauchst sie überhaupt nicht zu verteidigen!«
Togo kam hereingefegt, blieb direkt vor ihnen stehen und bellte auffordernd. »Ja, ja, wir kommen schon, Togo«, sagte Christian, nachdem er dem Boxer den Hals gekrault hatte. »Du langweilst dich wohl ohne uns, was? Mal sehen, ob wir ein schönes Stöckchen für dich finden.«
Dieses Wort genügte, um Togo wieder nach draußen rasen zu lassen, wo er ein wildes Gebell anstimmte, bis Anna und Christian endlich erschienen und sich anschickten, ihn nach Herzenslust durch den Park zu jagen, indem sie ihm die geliebten Stöckchen warfen.
*
»Trampel« hatte Anna sie genannt. Julietta lehnte mit geschlossenen Augen an der Stallwand. Sie hatte unfreiwillig gelauscht, denn ihr war nicht klar gewesen, dass dieser verlassene Stall nicht nur ihr gelegentlich als Zuflucht diente, sondern auch Anna und Christian – und so hatte sie also erfahren, wie sie von den Teenagern auf Schloss Sternberg gesehen wurde.
War sie das, ein Trampel? Seltsam, früher hatten solche Fragen sie nicht interessiert, aber seit sie hier war, schien es plötzlich wichtiger zu sein, was andere Menschen über sie dachten. Und eins wusste sie plötzlich mit absoluter Gewissheit: Ein Trampel wollte sie nicht sein, und stinken wollte sie natürlich auch nicht.
Sie war nicht besonders eitel – wozu auch? Heiraten würde sie ohnehin nie, und bisher hatte sie es eher lächerlich gefunden, wenn sie ihre Schwester Bettina beim Schminken überrascht hatte. Was für ein Aufwand, bloß um ein Bild zu erzeugen, das mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmte! Sie hatte sich immer viel auf ihre Ehrlichkeit zugute gehalten – und dazu gehörte für sie auch ein ungeschminktes Gesicht. So machte man niemandem etwas vor.
Aber das, was sie beim Lauschen gehört hatte, verunsicherte sie nun doch und zwar so sehr, dass sie an sich halten musste, um nicht zu weinen. Immerhin hatte der kleine Fürst einen halbherzigen Versuch gemacht, seiner Cousine zu widersprechen, aber im Grunde war er wohl ihrer Meinung.
Und wie sah es bei Tante Sofia und Onkel Fritz aus? Bei Konrad? Oder bei Herrn Hagedorn, von dem Anna gesagt hatte, dass sie, Julietta, ihn schlecht behandelte? Sie war sich keiner Schuld bewusst gewesen, bis sie Annas Worte gehört hatte. Nun fiel ihr ein, dass sie wirklich nicht besonders freundlich zu ihm gewesen war, weil sie keinen Anlass dazu gesehen hatte. Dabei war ihr und ihren Geschwistern von den Eltern vermittelt worden, dass Hochmut eine vollkommen inakzeptable Haltung war. War sie hochmütig?
Ein hochmütiger Trampel, dachte sie und hätte über diese Absurdität beinahe gelacht, obwohl ihr die Augen voller Tränen standen.
Als sie den Stall verließ, sah sie sich rasch nach allen Seiten um. Die beiden Jugendlichen und Togo hatten mittlerweile das Schloss erreicht. Rasch schlug sie einen großen Bogen und schaffte es, unbemerkt durch einen Hintereingang ins Gebäude zu schlüpfen. Auch ihre Suite erreichte sie ungesehen.
Dort angekommen zog sie sich aus und stellte sich lange unter die Dusche. An diesem Abend würde sie niemandem einen Anlass bieten, sie einen Trampel zu nennen.
*
»Die erste Woche ist um, Caro«, stellte Adalbert von Barrentrop fest, »und Julietta ist noch immer auf Sternberg. Ich sage das nur, weil ich finde, es ist zumindest ein kleiner Erfolg.«
»Aber?«, fragte sie besorgt. »Du hast doch mit Friedrich gesprochen, oder?«
»Ja, das habe ich. Er war offen zu mir und hat zugegeben,