Sie kannten Richard Strauss. Christoph Wagner-Trenkwitz
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Soeben beim Mittagsmahl Deinen so sehr reizenden Brief vorgefunden und möchte Dir vor Allem ein Kapitallob spenden, daß Du so fleißig und daß Du so hübsch und interessant schreibst; Du hast im Stil wirklich hübsche Fortschritte gemacht! Die gute Lektüre, die ich Dir stets vorsetze, schlägt gute Früchte, daß ich lauter so schöne Briefe zu lesen bekomme! Bravo mein liebes liebes Bauxerl! [...]
... doch sie durchschaut ihn:
Nachmittag ¾ 2 Uhr 5. 10. 99
Liebster Richard!
Heute früh Deinen lieben Brief vom 3.ds. höchlichst erfreut und erstaunt über Deine Elogen betreff meinen Stil; oh Du Schlaumeier, jetzt willst Du mir schmeicheln, um mich in gehobene Laune zu versetzen; ich wüßte nämlich nicht, was ich so besonderes geschrieben hätte. [...]
Am Beginn des folgenden Briefes geriert sich der 37-Jährige ganz als Zukunftsmusiker und Festspiel-Bedürftiger à la Richard Wagner – dann wieder ist er ganz der Privatmann, dem Pauline in ihrem vorangegangenen Brief »Kleiderluxus« vorgeworfen hat.
Prag, 8. Oktober 1901
Also heut, geliebtes Pauxerl, war die erste [»Guntram«-] Probe: von 10 bis 15.30!
Eigentlich war’s fürchterlich: aber in Anbetracht der hiesigen Mittel und daß das tolle Werk eigentlich, wie ich immer mehr einsehe, an einem Normaltheater wegen seiner blödsinnigen, hirnverbrannten Schwierigkeiten absolut unmöglich ist – wars beinahe ein Wunder! Guntram ging eigentlich nur an einem Festspielhaus mit hundert Mann Orchester und dann erst in 50 Jahren, denn vorher ist das Musikohr dafür noch nicht reif. [...]
Schade, daß Du nicht da bist – an solchen Schlachttagen bräuchte man mehr als je tröstlichen Zuspruch, da man den anderen Leuten gegenüber doch immer mehr oder minder Komödie der Gutmütigkeit spielen muß.
Daß ich Kleiderluxus treibe, finde ich großartig, ich der alles trägt bis die Fetzen herunter hängen, der sich mit seinen geflickten Hosen vor der Hausdienerin im Hotel geniert, der bis jetzt lauter Kleider (Frack, schwarzer Rock etc.) von München her noch getragen hat. Jetzt endlich ging’s gar nicht mehr: na wir wollen einmal unsere beiderseitigen Kleiderrechnungen in den letzten drei Jahren vergleichen! Ich würde Dir raten, lieber nicht!
Schluß für heute! Tausend Grüße und Küsse – wärst Du doch hier – Dir und Bubi, Grüße an die Eltern
Dein R.
Wenig später bricht wieder der Streit um den spätsommerlichen Aufenthaltsort Paulines los (Berlin oder Marquartstein?), den er mit demonstrativem Selbstmitleid und rüden Tönen führt. Doch auch Pauline zeigt eine erstaunliche Vehemenz, sie gibt dem Genie – um es mit einem Ausdruck aus dem Skat zu formulieren – »Kontra«.
Charlottenburg, 21. September 1901
Liebe Paula!
Ihr tut Euch ja recht leid; also bis in den Oktober wollt Ihr [in Marquartstein] bleiben? Das sind ja schöne Aussichten, und ich? Von der Schwiegermutter aus Marquartstein rausgeschmissen, von Weib und Kind verlassen, an mich denkt natürlich niemand. [...] Ich habe diese ganze Quängelei so dick satt, wie ich es Dir gar nicht sagen kann! Wir können ja auch in Berlin bleiben und im Grunewald spazieren gehen!
Der Teufel hol die ganze ekelhafte Wirtschaft! Also ich bitte mir aus, daß Ihr nächsten Donnerstag zu Hause seid – nicht länger mehr die armen geplagten Schwiegereltern abfresst, Handtücher abnützt, Bettwäsche ruiniert etc.
Hier ist’s auch hübsch, Bubi wird sich im zoologischen Garten noch sehr gut amüsieren, man kann heute auf dem Balkon sitzen – kurz und gut: es ist genug und definitiv Schluss für alle Zeiten. Mir ist nunmehr die Geduld gerissen! Das Haus ist nicht feucht! Nein! Bitte befühl mal die Wände auf der Nordseite.
... liebes Kind, hab ein Einsehen und komme bald. Brauchst Du noch Geld? Soll ich Dir noch 100 Mark oder mehr schicken? Lebe wohl für heute und denk auch ab und zu mal an die Wünsche Deines Dich herzlich grüssenden Mannes. Bin sowieso mißvergnügt, weil mir nichts einfällt: nun auch noch der ganze Verwandtentratsch!
R!
Marquartstein, 12. Okt. 01
Lieber Richard!
Soeben Deine Karte vom Freitag. – Ich möchte wissen, warum ich und das Kind die ganze Zeit in Berlin sitzen sollten, wo Du immer unterwegs sein mußt. Ich bin froh und dankbar und vergnügt, daß ich hier so gut sein kann und Du mißgönnst es einem. Daß Du ein Egoist bist, hast Du nicht gestohlen, ich bin nun auch so geworden und befinde mich ebenfalls wohl dabei.
Habe ein Einsehen und lasse uns noch diese Woche hier, lieber Richard, wenigstens solange das Wetter so schön; bitte schreib darüber.
Daß ich gern mit meinen Eltern bin, kannst Du nicht verhindern und Deine nächstjährigen Maßregeln, mit denen Du drohst, lassen mich kalt und ich werde sie stets zu umgehen wissen! Tatsache ist, daß ich, wie Du in Berlin schon wußtest und ich Dir nur immer wieder aufs Neue sagen und versichern kann, daß ich ungern und gezwungen zu Dir gehe und daß ich am zufriedensten und ruhigsten hier bin, ob mit, ob ohne Eltern.
10 Großvater Franz mit Enkel Franz
Mehr kann ich dazu nicht sagen, und wenn Du es nicht glaubst, dies ist nicht zu ändern. Aber gerne habe ich dich nicht mehr und ich kann Dich auch nicht mehr so lieben wie früher, bei mir ist’s aus – ohne Grund – aber ich bin fertig mit Dir und das Leben neben Dir ist mir eine Last und eine Lüge. Du hast’s nicht verdient um mich, gewiß, aber ich kann mich nicht mehr zwingen und sehe eigentlich nicht ein, wozu ich noch zurück soll, zu neuen Szenen, Alterationen, die man so schön vermeiden kann!
Willst Du mir nicht in diesem Sinne antworten, dann schicke ich Dir Bubi mit Martha allein; sei noch das eine Mal nachgiebig und gut; aber für mich bist Du, Dein Beruf etc., eine Qual. Wenn ich’s sage, glaubst Du’s nicht, jetzt kann ich nur mehr handeln.
Pauline
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