Ein Wagnis aus Liebe. Susan Anne Mason
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War es zu verrückt, sie einzustellen?
Er bemerkte Schritte auf den Treppen und kurz darauf stand Virginia im Foyer. „Und?“, fragte sie hoffnungsvoll. „Was denkst du? Ist Grace nicht einfach perfekt für diese Stelle?“
„Nun ja, so weit würde ich nicht gehen. Sie hat kein Arbeitszeugnis und ihr fehlt auch die Erfahrung.“
„Papperlapapp. Ich kann es sofort sehen, wenn jemand ein gutes Herz hat. Und Sie würde Christian genauso sehr lieben wie wir.“ Dann verschränkte sie die Arme. „Außerdem: Bisher haben wir lauter gute Zeugnisse gesehen und was hat das gebracht? Gar nichts.“
„Wohl wahr“, gab Andrew mit einem Schulterzucken zurück. „Aber ich werde noch mit Mutter reden, bevor ich irgendetwas entscheide.“
Virginia lächelte und tätschelte ihm liebevoll den Arm. „Natürlich. Ich bin mir sicher, dass du alle Vor- und Nachteile genau abwägen wirst, bis du zu einer vernünftigen Entscheidung kommst“, neckte sie ihn.
„Wenn du das sagst, klingt es, als sei das etwas Schlechtes.“
„Nicht unbedingt. Aber ein bisschen mehr Spontaneität würde dir guttun, Drew. Manchmal muss man einfach auf seinen Instinkt hören.“
„Und was sagt dein Instinkt?“
„Dass Grace eine wirklich nette, mitfühlende Frau ist. Und ein großes Herz für Kinder hat.“
„Ich werde das im Hinterkopf behalten“, sagte er und gab seiner Schwester einen Kuss auf die Wange. „Christian schläft gerade?“
„Ja. Ich hole mir jetzt einen Tee, und wenn er wieder aufwacht, gehe ich mit ihm spazieren. Wie immer.“
„Wenn wir uns tatsächlich für Grace entscheiden sollten, müsste jemand sie anlernen und ihr alles zeigen. Wäre das in Ordnung für dich?“
„Natürlich. Ich bin doch sowieso bei Christian. Das wird sich auch nicht einfach ändern, nur weil er dann ein Kindermädchen hat. Vor allem nicht, wo ich ihn schon bald für länger nicht mehr sehen kann“, sagte Virginia und ein Wink von Traurigkeit stand in ihrem Gesicht.
„Ginny“, sagte Andrew ruhig, „niemand zwingt dich, nach Europa zu reisen, wenn du nicht willst.“
„Aber ich muss gehen. Basil erwartet es von mir, das hast du selbst gesagt.“ Tapfer fügte sie hinzu: „Mach dir keine Gedanken, Drew. Alles wird gut.“
Und doch konnte er nicht anders, als sich um seine kleine Schwester zu sorgen. Basil war nur ihre Zweitwahl und das missfiel Andrew. Der Mann, den sie wirklich geliebt hatte, war schon zu Beginn des Krieges gefallen. Wenigstens war sie inzwischen wieder offener für den Gedanken an eine Ehe. Beinahe drei Jahre hatte sie gebraucht, um über Emmets Tod hinwegzukommen. Andrew sollte froh sein, dass Virginia sich wieder auf jemanden einließ. Er wusste, wie sehr sie sich eine Familie, eigene Kinder wünschte – und das hatte sie auch verdient.
Dann schüttelte er den Kopf, um seine unnützen Gedanken beiseitezuschieben. Stattdessen sollte er sich besser auf das Jetzt konzentrieren und seine Mutter aufsuchen, um ihr vom Gespräch mit Miss Foley zu berichten.
Kapitel 8
O Grace, | 14. August 1914 |
ist die Welt denn verrückt geworden? Ich kann es nicht fassen, dass wir uns im Krieg befinden! Mutter hat mir geschrieben, sie ist am Boden zerstört, weil Owen sich vielleicht freiwillig melden will. Ich kann sie verstehen – Frank will ebenso in den Kampf ziehen. Noch nie habe ich ihn so entschlossen gesehen, aber ich habe Angst. Was soll ich nur tun, Grace, wenn er wirklich geht?
Vor einigen Wochen haben seine Eltern von unserer Beziehung erfahren und es kam zu einem riesigen Streit. Er meinte, es sei ihm egal, was seine Eltern denken, und ich sei ihm wichtiger. Aber wenn das so ist, wieso will er mich dann allein lassen und in den Krieg gehen?
„Sind Sie wirklich sicher, dass Sie das tun wollen?“, fragte Mrs Chamberlain, die im Türrahmen von Graces Zimmer stand.
Als Grace kurz von ihrem Koffer aufblickte, sah sie die Sorgenfalten in Mrs C.s liebevollem Gesicht. Sofort verspürte Grace etwas wie Reue. Grace hatte ihr nicht erzählt, für wen sie arbeiten würde – das würde Mrs C. bestimmt nicht gutheißen.
„Ja, ich bin mir sicher, Mrs C.“, antwortete sie dennoch, ging auf ihre Gastgeberin zu und legte ihr liebevoll eine Hand auf den Arm. „Das Einzige, was meine Freude über die neue Arbeitsstelle ein klein wenig trübt, ist, dass ich die guten Teezeiten mit Ihnen vermissen werde. Ich habe mich bei Ihnen wirklich wohlgefühlt.“
Am nächsten Tag würde Grace ihre Stelle als Kindermädchen bei den Eastons antreten. Sie konnte es immer noch nicht ganz glauben, dass sie sich für sie entschieden hatten, obwohl sie kaum Erfahrungen vorweisen konnte. Es kam überraschend, gab ihr aber zugleich das Gefühl, auf dem Weg zu sein, den Gott für sie bestimmt hatte.
Solange die Eastons nie davon erfuhren, auf welche Weise Grace mit dem kleinen Christian verbunden war, konnte ihre Arbeit als Kindermädchen für alle zum Segen werden. Und es war die Chance, am Leben ihres Neffen teilzuhaben. Sie war zwar nicht sein Vormund, aber dennoch in gewisser Weise für sein Wohl verantwortlich. So machte sie wenigstens ihr Versprechen Rose gegenüber wahr und Graces Schwester konnte in Frieden ruhen.
Der einzige Nachteil dieser Entwicklung war, dass es Mutter nicht allzu glücklich machen würde. Schließlich bedeutete es, dass Grace für unbestimmte Zeit in Kanada bleiben und Christian nicht nach England bringen würde. Doch das war zweitrangig, Christian hatte Priorität. Sie hoffte, dass ihre Mutter das verstehen würde.
Mrs Chamberlain war derweil ins Zimmer getreten und nahm ein Bild von Graces Kommode. Es zeigte Rose am Tag ihrer Abreise aus England. „Oh, meine Liebe. Dass Sie jetzt gehen, fühlt sich so an, als würde ich Rose zum zweiten Mal verlieren. Sie war wie eine Tochter für mich. Und der kleine Christian ist sogar in diesem Haus geboren worden“, schluchzte sie und kramte nach einem Taschentuch.
„Aber Sie verlieren mich ja nicht“, versuchte Grace sie aufzumuntern und nahm ihr vorsichtig das Bild aus den Händen. „Ich bin nur eine Straßenbahnfahrt entfernt und komme Sie gern besuchen, wann immer ich kann.“ Zärtlich strich Grace mit einem Finger über den Bilderrahmen, bevor sie diesen Schatz in ihrem Gepäck verstaute. Dort musste er wohl vorerst versteckt bleiben.
„Was ist mit den Sonntagen?“, fragte Mrs C. „Werden Sie unsere Gottesdienste besuchen? Ich weiß, dass Sie auch Pastor Burke fehlen werden.“
„Wenn ich einen Gottesdienst besuchen kann, komme ich natürlich zu Ihnen“, erwiderte sie. Die kleine Kirche würde sie sicherlich vermissen, inzwischen fühlte sie sich wie ihr Zuhause an.
Grace umarmte ihre Vermieterin. „Was hätte ich nur ohne Sie getan, Mrs C.? Ich danke Gott immer wieder dafür, dass er mich zu Ihnen geführt hat.“
„Auch die schwierigen Situationen kann Gott in etwas Gutes verwandeln“,