Ein Wagnis aus Liebe. Susan Anne Mason
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Читать онлайн книгу Ein Wagnis aus Liebe - Susan Anne Mason страница 21
„Ich würde lieber heute Abend schon dort ankommen, damit ich morgen ausgeruht bin. Außerdem erwartet die Familie mich“, erklärte Grace und verstaute ihre gefaltete Bluse in der Tasche.
„Das leuchtet ein. Würden Sie sich denn wenigstens von Pastor Burke bringen lassen? Ich halte es für keine gute Idee, wenn Sie zu so später Stunde allein mit der Straßenbahn fahren.“
Grace lachte. „Aber Mrs C., es ist nicht einmal sieben Uhr. Es gibt absolut keinen Grund zur Sorge.“
„Und was ist mit Ihrer schweren Tasche?“, stellte Mrs C. mit hochgezogenen Augenbrauen fest. „Wo war das Haus noch gleich?“
„Auf der Spadina Road“, antwortete Grace beiläufig und gab sich weiterhin mit dem Leerräumen des Kleiderschranks beschäftigt. So versuchte sie Mrs C.s Blick zu entkommen.
„Oh, Grace. Bitte sagen Sie mir nicht, dass Sie für die Eastons arbeiten werden.“
Bei diesen Worten hielt Grace inne. Sie hätte wissen müssen, dass ihre Gastgeberin eins und eins zusammenzählen würde. Nun musste sie es ihr doch sagen. „So ist es. Ich bin Christians neues Kindermädchen“, erwiderte sie mit fester Stimme.
Schwerfällig ließ Mrs Chamberlain sich auf das Bett fallen, sodass die alten Federn der Matratze unter ihrem Gewicht quietschten. „Um Gottes willen. Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist.“
„Warum nicht? Ich glaube, sie ist perfekt. Ich werde meinen Neffen kennenlernen und mich selbst um ihn kümmern. So kann ich sicherstellen, dass es ihm gut geht.“
„Aber Sie hintergehen die Eastons. Oder haben Sie ihnen gesagt, wer Sie sind?“, fragte Mrs C. mit einem so durchdringenden Blick, der Grace an Ort und Stelle festnagelte.
„Wie sollte ich? Sie würden mich nicht einmal hereinlassen, wenn sie wüssten, dass ich eine Abernathy bin.“
„Eines versichere ich Ihnen: Das wird nichts als Herzschmerz mit sich bringen“, erwiderte Mrs Chamberlain mit einem Kopfschütteln.
Dieser Kommentar tat weh. Sie klang wie Graces Mutter, die ihre Tochter wieder einmal für eine überstürzte Entscheidung schalt. Verzweifelt suchte Grace nach einem Weg, wie sie Mrs C. von der Richtigkeit ihres Tuns überzeugen konnte und ihr Schuldgefühl über den Betrug verringern würde. Aber sie fand kein stichfestes Argument.
„Was erhoffen Sie sich dadurch, Grace? Wahrscheinlich werden Sie den Kleinen ganz bald schon sehr lieb gewinnen und dann wird es Ihnen das Herz brechen, ihn eines Tages verlassen zu müssen“, sprach Mrs C. weiter.
„Vermutlich haben Sie recht“, gab Grace sich geschlagen, lief im Raum auf und ab und blieb dann am Fenster stehen, wo sie auf die Straße starrte. „Und doch glaube ich, dass diese Möglichkeit von Gott kommt. Das ist, was er und auch was Rose sich von mir wünschen würden. Ich konnte diese Chance nicht einfach ziehen lassen, das hätte ich mein Leben lang bereut.“ Dann drehte sie sich zu ihrer Vermieterin und sagte entschieden: „In meinem letzten Brief an Rose habe ich ihr versprochen, mich um Christian zu kümmern, sollte ihr irgendetwas zustoßen. So kann ich wenigstens mein Wort halten.“
Mrs Chamberlain seufzte besorgt. „Nun gut, soeben haben sich meine abendlichen Gebete um zehn Minuten verlängert“, erklärte sie mit einem kleinen Lächeln. „Auch wenn ich nicht Ihrer Meinung sein sollte, weiß ich, dass Sie nur das Beste im Sinn haben. Also können Sie mit meiner Unterstützung rechnen.“
„Oh, vielen, vielen Dank, Mrs C., das bedeutet mir wirklich viel“, sagte Grace erleichtert und spürte, wie in ihr Tränen aufstiegen. Schnell schluckte sie sie herunter, umarmte die liebe Frau und nahm entschlossen ihren Koffer vom Bett. „Also gut. Ich gehe jetzt besser los, bevor es dunkel wird.“
„Viel Erfolg, Liebes. Und lassen Sie sich nicht unterkriegen.“
„Miss Virginia, da ist Besuch für Sie“, gab Mrs Green von der offenen Tür in den Salon bekannt.
„Wer ist es denn?“, fragte Virginia, als sie von ihrem Buch hochschaute.
„Mr Fleming, Miss“, erwiderte die Hausdame und ein Hauch von Missmut flog über ihr Gesicht, bevor sie ihre Gesichtszüge wieder unter Kontrolle hatte.
Virginia unterdrückte ein Seufzen. Gab es denn niemanden, der Basil mochte? Ja, es stimmte, manchmal war er ziemlich theatralisch. Andere Male wirkte er einfach plump, dann wieder erinnerte er an eine menschengroße Puppe. Und manchmal war er auch nervig, aber im Prinzip war Basil ein Guter.
„Lassen Sie ihn ruhig herein. Und bitten Sie Mrs Hopkins, einen Kaffee für ihn aufzusetzen.“ Basil schwor, dass niemand so guten Kaffee kochte wie Mrs Hopkins.
„Natürlich, Miss.“
Virginia schüttelte ihren Rock auf, setzte sich aufrecht hin und schlug die Beine anmutig übereinander. So, wie es sich für eine feine Dame gehörte.
„Guten Abend, meine Liebe. Wie geht es dir heute?“, verbeugte sich Basil über ihrer vorgestreckten Hand.
„Sehr gut, vielen Dank. Was führt dich her?“
„Das hier“, sagte er und holte mit einer überzogenen Handbewegung einen Umschlag aus seiner Brusttasche.
„Sind das die Tickets?“
„Ganz genau. Du bist nicht nur schön, sondern auch noch schlau, Liebling.“
Virginia musste ein Lachen unterdrücken. Vielleicht war es das, womit er ihr Herz gewonnen hatte: In seinen Augen war sie wahrhaftig schön, während all die anderen in ihr nur eine leicht verbrauchte, vierundzwanzigjährige Jungfer sahen. Nachdem sie ihren geliebten Emmet verloren hatte, hatte Virginia angenommen, für immer allein zu bleiben. Doch dann tauchte Basil Fleming in ihrem Leben auf und mit ihm der erste Hoffnungsschimmer auf eine Zukunft als Familie.
„Ich habe unsere Reise nach Europa gebucht. In genau acht Wochen geht es los“, erklärte er zufrieden.
„Wunderbar“, sagte Virginia und schaffte es, ein Lächeln hervorzubringen. Als Basil zum ersten Mal vorgeschlagen hatte, dass Virginia ihn und seine Familie auf die Reise begleiten könnte, war sie hellauf begeistert gewesen. Andere Länder, Sehenswürdigkeiten wie der Louvre, der Eiffelturm, das Kolosseum in Rom: ein Traum, der endlich Realität wurde.
Doch das war vor Christian gewesen. In den letzten Wochen, die der Kleine in ihrer Familie verbracht hatte, war er ihr ganz unbemerkt immer mehr ans Herz gewachsen.
Vergeblich versuchte Virginia, Basil davon zu überzeugen, das Baby mitzunehmen, aber für ihn war das ausgeschlossen.
„Auf dieser Reise will ich deine ungeteilte Aufmerksamkeit haben. Ich teile dich nicht gern, nicht mal mit einem Kind.“
Diese etwas besitzergreifende Art faszinierte Virginia auf gewisse Weise. Wer würde bei so viel Aufmerksamkeit nicht dahinschmelzen? Und doch störte sie seine Bevormundung manchmal. Wenn er sie wirklich liebte, würde er dann nicht wollen, dass sie glücklich war? Auch wenn das bedeutete, das Kind ihres Bruders großzuziehen?
Basil setzte sich neben sie auf das Sofa und nahm ihre Hände. „Ich habe eine großartige Idee“,