Ein Wagnis aus Liebe. Susan Anne Mason
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Der junge Mann stand ganz nah bei ihr und seine Augen strahlten Mitgefühl aus.
Danke, Herr, dass du mir einen Beschützer geschickt hast.
„Das war das Geringste, das ich tun konnte … für meine Frau“, sagte er mit einem Zwinkern und Grace hoffte nur, dass er die Hitze in ihren Wangen nicht bemerkte.
„Ich heiße Quinten Aspinall. Und wie es aussieht, sind wir nun Reisegefährten.“
„Grace Abernathy“, stellte auch sie sich vor und klappte ihren Mantelkragen hoch. „Ich hätte hier vermutlich nicht allein hochkommen sollen, aber ich musste einfach aus der Kabine raus. Nicht mehr lange und mir wäre die Decke auf den Kopf gefallen, ganz zu schweigen davon, dass meine Zimmergenossin außerordentlich laut schnarcht.“
„Aus demselben Grund bin auch ich hier oben.“
„Quinten?“, rief nun eine weibliche Stimme hinter ihnen. „Stimmt etwas nicht?“
Jetzt erst erblickte Grace eine junge Frau im Schatten. Stirnrunzelnd kam sie auf die beiden zu. Sie hatte makellose Haut, tiefschwarzes Haar und auffallend blaue Augen. Ganz im Gegenteil zu Grace, die in ihrem schlichten grauen Mantel dastand, trug sie die neueste Mode: ein rotes Cape zu einem passenden rot gefederten Hut.
„Nein, alles in Ordnung, Emmaline.“
Grace blickte Quinten finster an. „Sie haben Ihre Frau zurückgelassen, um mir zu helfen?“
„Oh, das ist nicht mein Mann“, lachte Emmaline herzlich und trat einen Schritt auf ihn zu. „Wir haben uns gestern auf dem Schiff kennengelernt. Meine Begleitung hat sich noch nicht an den wackeligen Untergrund gewöhnt. Und als Quinten mich allein hier oben sah, hat er sich ganz galant als Beschützer angeboten, bis Jonathan sich wieder blicken lässt.“
Grace gab ihr Bestes, um ihr Erstaunen zu verbergen. Die junge Frau reiste in männlicher Begleitung? Wie ungewöhnlich.
„Wie es scheint, werden meine Dienste auch hier benötigt“, erklärte er und zwinkerte Grace zu. „Was halten Sie davon, für diese Fahrt eine Art Reisegemeinschaft zu bilden?“
„Wie meinen Sie das?“, scheute sich Grace nicht, ihre Skepsis zu äußern. Eine allein reisende Frau musste vorsichtig sein.
„In Gemeinschaft ist man immer sicherer als allein. Außerdem hätte ich auch nichts gegen ein paar Freunde an Bord.“
Emmaline lachte erneut. „Sagen Sie besser gleich zu. Er wird Sie sonst so lange bearbeiten, bis Sie nachgeben. Glauben Sie mir, ich spreche da aus Erfahrung.“ Dann streckte sie ihre Hand aus, die in einem feinen Handschuh steckte. „Ich bin Emmaline Moore. Und auch ich bin froh darüber, einen Freund an Bord zu haben.“
„Grace Abernathy“, erwiderte Grace lächelnd und schüttelte die Hand. Emmalines ansteckend gute Laune war wohltuend wie ein Heilmittel. Einen Augenblick lang zögerte Grace, dann bot sie ihre Hand auch Quinten an. „Also gut, Mr Aspinall. Wie es scheint, haben Sie soeben eine neue Freundin gefunden.“
„Freunde also. Und bitte nennen Sie mich doch Quinn.“
Hochspritzendes Wasser nässte das Deck und Quinn führte Grace und Emmaline an eine geschütztere Stelle. Er zeigte zu den Stühlen und fragte: „Warum setzen wir uns nicht und lernen uns ein wenig kennen? Es würde mich sehr interessieren, aus welchem Grund Sie nach Kanada reisen. Und warum Emmaline mit einem rätselhaften männlichen Begleiter unterwegs ist, mit dem sie weder verwandt noch verheiratet ist.“
„Das würde mich auch interessieren“, gestand Grace, die es sich gerade auf einem der Stühle bequem machte.
„Ach, das ist kein großes Geheimnis. Jonathan und ich sind zusammen aufgewachsen, wir sind wie Geschwister“, begann sie, als sie sich anmutig auf einen der anderen Liegestühle niederließ. „Als ich ihm von meinem Plan erzählte, nach Kanada zu fahren und nach meinem Vater zu suchen, bestand er darauf, mich zu begleiten. In getrennten Kabinen, versteht sich.“
„Welch ein Glück“, entgegnete Grace. „Ich wünschte, ich hätte auch jemanden, der mich begleitet.“
„Warum sind Sie denn auf der Reise, Grace?“, erkundigte sich Quinn, dessen eine Gesichtshälfte im Schatten lag.
„Ich besuche meine Schwester. Ihr Mann ist im Krieg gefallen, jetzt ist sie ganz allein mit dem Baby.“ Wieder fingerte Grace an dem goldenen Kreuz herum, das ihr um den Hals hing. „Ich hoffe, dass ich sie überzeugen kann, mit mir zurück nach Hause zu kommen.“
„Das tut mir sehr leid für Ihre Schwester“, bekundete Emmaline ihr Beileid und sah ehrlich betrübt aus. „Dieser Krieg hat unzählige Menschenleben gekostet.“
„Das ist wahr.“
Grace atmete die salzige Luft ein und wandte sich dann an Emmaline. „Sie haben gesagt, dass Sie nach Ihrem Vater suchen?“
„Ja. Das ist eine lange Geschichte …“, erwiderte sie und zog ihr Cape hoch bis ans Kinn. „Ich dachte all die Jahre, dass mein Vater tot sei. Als ich dann hörte, dass er lebt, und zwar in Kanada, musste ich mich einfach auf die Suche nach ihm begeben.“
„Das kann ich gut verstehen“, sagte Grace und dachte an die vielen Jahre ohne ihren eigenen Vater. Wenn es irgendeine Möglichkeit gegeben hätte, ihn lebend zu finden, wäre sie dafür sogar bis nach China gereist.
„Und was ist mit Ihnen, Quinn?“
Ein plötzlicher Windstoß drohte, seinen Hut wegzufegen. Schnell nahm er ihn ab und behielt ihn fortan auf seinem Schoß. „Meine Geschichte ist ähnlich, auch ich bin auf der Suche nach Familienmitgliedern. Nach Geschwistern, genauer gesagt.“ In seinen Augen lag ein stürmischer Blick und er biss die Zähne zusammen. „Aber mehr möchte ich darüber nicht erzählen.“
Grace befürchtete, dass es sich um eine leidvolle Geschichte handelte. Es schien, als hätte jeder auf dieser Reise seine eigenen Kümmernisse zu tragen. Trotz allem fühlte sie sich in diesem Moment zum ersten Mal nicht mehr allein, seit sie ihr Zuhause verlassen hatte. „Nun, ich bin jedenfalls dankbar, Sie als meine Reisegefährten zu haben. Und ich bete, dass wir in Kanada die Antworten finden, nach denen wir suchen.“
Quinn nickte, auch wenn sein Gesicht düster wirkte. „So Gott will. Ich hoffe nur, dass wir mit dem, was wir herausfinden, auch leben können.“
Grace zitterte und verbarg sich noch tiefer in ihrem Mantel, während sie sich fragte, was hinter dem seltsamen Tonfall seiner Worte steckte. Nur Gott wusste, was ihnen bevorstand. Im Angesicht einer solch unsicheren Zukunft blieb Grace nichts anderes übrig, als auf ihren Glauben zu bauen und zu vertrauen.
Kapitel 1
Meine liebe Grace, | April 1914 |
ich habe es geschafft! Ich bin in Toronto angekommen. Im April ist es hier immer noch kalt und der Frühling ist kaum zu erahnen. Aber Pastor Burke hat mir geholfen, eine hübsche kleine Pension mitten in der Stadt zu finden. Mrs Chamberlain, die Besitzerin, ist eine freundliche, großzügige Frau. Sie hat mich zusammen mit ein paar anderen Mädchen aus England unter ihre Fittiche genommen und mich