Ein Wagnis aus Liebe. Susan Anne Mason

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Ein Wagnis aus Liebe - Susan Anne Mason

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trat ein. Sobald sich ihre Augen ans Halbdunkel des Inneren gewöhnt hatten, ging sie ein paar Schritte weiter und suchte mit ihrem Blick die Bankreihen ab. Vereinzelt saßen Frauen auf den Bänken, doch einen Pfarrer konnte Grace nicht ausmachen. Gerade wollte sie wieder gehen, als ihr jemand auf die Schulter tippte. „Kann ich Ihnen helfen, Miss?“

      Als Grace sich umwandte, stand vor ihr eine freundlich dreinblickende Frau, die sie mit unverhohlener Neugierde ansah.

      „Ja, vielleicht. Wissen Sie, wo ich Pastor Burke finden kann?“

      „Zu dieser Tageszeit vermutlich bei sich zu Hause.“

      „Ach ja, natürlich“, erwiderte Grace und kam sich etwas dumm vor. Sie wusste auch nicht, wie man vorging, wenn man einen Pfarrer zu Hause aufsuchen wollte; aber da sie unmöglich bis Sonntag warten konnte, blieb ihr nichts anderes übrig.

      „Möchten Sie, dass ich Sie zum Pfarrhaus begleite?“, bot die nette Frau mit einem Lächeln an.

      „Oh, sehr gern. Wenn es Ihnen nichts ausmacht.“

      „Überhaupt nicht. Es ist gleich da vorne, folgen Sie mir.“

      Sie führte Grace zu einem kleinen Häuschen neben der Kirche, das etwas versteckt von der Straße abgewandt war. Die Frau ging zur Tür und klopfte.

      Als sie sich öffnete und ein älterer, leicht zerknitterter Mann im Türrahmen erschien, war Grace sehr erleichtert.

      Sein Blick wanderte von der einen Frau zur anderen. „Mrs Southby. Das ist aber eine unerwartete Überraschung“, sagte er und zog fragend seine Augenbrauen hoch.

      „Die junge Dame hier würde gerne mit Ihnen reden, Pastor. Da habe ich sie kurz herübergebracht“, erklärte sie.

      Der Pfarrer schaute zuerst auf Graces Reisetasche und dann zu Grace selbst. „Sind Sie wegen unseres Einwandererprogramms hier?“

      „N-nicht direkt“, stotterte Grace und ihre Zunge schien wie verknotet, als sie nach passenden Worten suchte. Sie hatte auf eine etwas weniger öffentliche Atmosphäre gehofft und war nicht sehr erpicht darauf, vor der Tür des Pfarrers mit der Sprache herauszurücken.

      „Einen Moment, bitte“, bat er. „Lassen Sie mich nur kurz meine Jacke holen und dann gehen wir in mein Büro.“

      „Hier sind Sie auf jeden Fall an der richtigen Stelle. Pastor Burke ist schon für viele Zugezogene in diesem Land ein wahres Himmelsgeschenk gewesen. Ich bin mir sicher, dass er auch Ihnen helfen kann“, sagte Mrs Southby und lächelte erneut.

      Keine fünf Minuten später verabschiedete sich Pastor Burke von Mrs Southby und bot Grace einen Platz in seinem Büro an. Er selbst setzte sich auf einen hölzernen Stuhl hinter dem vollgestellten Schreibtisch. „Nun, was kann ich für Sie tun?“

      An der Wand hing eine Kuckucksuhr, die gerade die volle Stunde verkündete. Der Lärm zerrte an Graces Nerven. Erst jetzt bemerkte sie, wie müde sie von der Reise war – oder schlicht überfordert vom unerwarteten Ausgang ihrer Ankunft.

      „Wie kann ich Ihnen helfen, Miss?“, fragte Pastor Burke noch einmal.

      „Mein Name ist Grace Abernathy und ich bin Rose Eastons Schwester“, begann sie und merkte, wie sich das Lächeln des alten Mannes auf der Stelle löste. Tiefe Sorge spiegelte sich in seinen Augen wider.

      „O meine Liebe. Mein Telegramm hat Sie wohl nicht erreicht?“

      „Ihr Telegramm?“ Das Wort lief Grace eiskalt den Rücken herunter und ließ sie all das vergessen, was sie gerade hatte sagen wollen.

      „Ja. Ich habe es zu Ihrer Mutter nach England geschickt“, erklärte der Pastor besorgt.

      Der plötzliche Wunsch davonzurennen kam in Grace hoch, aber ihre Füße schienen am Boden festzukleben. „Uns hat nichts erreicht, nein. Ich bin gekommen, weil Rose mich hergebeten hat.“

      Der Pastor stand auf, kam um den Tisch herum und setzte sich neben Grace auf einen Stuhl. „Nun, wie soll ich das sagen …“, begann er und schwieg einen Moment, bevor er weitersprach. „Rose war an der Spanischen Grippe erkrankt. Es tut mir leid, aber sie ist vor etwa drei Wochen gestorben. Alles kam ganz unerwartet und ging sehr schnell …“

      Grace war, als schnürte sich ihr Hals zusammen. „Nein“, flüsterte sie, „das kann nicht sein. Das hätte jemand … Das würde ich wissen …“

      Traurig schüttelte der Pastor den Kopf. „Ich habe das Telegramm losgeschickt, so schnell ich konnte. Es ging an den Postmeister Ihrer Stadt. Ich weiß nicht, warum Sie es nicht erhalten haben.“

      Grace versuchte sich zu erinnern, wo sie vor drei Wochen gewesen war. Das war ungefähr zu der Zeit, als Mutter zu Tante Violet gezogen war, um während Graces Abwesenheit nicht allein zu sein.

      „Ich … das … nein, das kann nicht sein.“ Grace legte ihre Hand vor den Mund, um das Zittern der Lippen zu kontrollieren. „Ich sollte Rose doch wieder nach England bringen! Zu unserer Mutter.“ Der Gedanke daran, dass ihre Mutter diese schreckliche Nachricht erreichen würde, ohne dass Grace für sie da wäre, ließ heiße Tränen in Grace aufsteigen.

      „Es tut mir so schrecklich leid, Miss.“ Eine warme Hand drückte ihr leicht die Schulter.

      Apathisch starrte sie auf ein kleines Loch in einer der Holzdielen.

      All die Pläne, ihre Familie wieder zu vereinen, Rose und den Kleinen nach Hause zu holen, lösten sich in Luft auf. Mit zittrigen Händen holte Grace ein Taschentuch hervor und wischte sich über die nassen Augen. „Was soll ich denn jetzt nur tun?“, flüsterte sie. „Ich hatte vor, mit Rose bei Mrs Gardiner zu wohnen. Sie wollte, dass wir endlich wieder zusammen sind …“, sagte sie und ein Schluchzen wurde laut.

      „Das alles muss ein entsetzlicher Schock für Sie sein“, entgegnete der Pfarrer ruhig. Er ging zur Anrichte und schenkte ein Glas Wasser ein, das er Grace reichte. „Darf ich vorschlagen, dass ich Sie zunächst einmal zu meiner Freundin, Mrs Chamberlain, bringe? Sie führt die Pension, in der auch Rose direkt nach ihrer Ankunft untergebracht war. Ich bin mir sicher, dass Harriet einen Platz für Sie hat, bis Sie entschieden haben, wie es weitergehen soll.“

      Wegen der tränenverschleierten Augen konnte Grace kaum etwas sehen, sie blinzelte nur. Die Gedanken in ihrem Kopf rasten, ohne dass sie Pastor Burkes Worte wahrnahm.

      Er musste ihr Schweigen als Zustimmung verstanden haben, denn er nickte und ging zum Telefon. „In Ordnung. Ich werde Harriet anrufen und ihr Bescheid geben, dass wir gleich kommen.“

      Grace nippte am Wasser und rang um Fassung. Mitten in diesem Moment der Trauer und Überforderung wurde eine Frage in ihr laut: Warum hatte Gott sie den ganzen Weg nach Kanada geführt, nur damit sie erfuhr, dass ihre Schwester nicht mehr lebte? Dass der kleine Christian seine Mutter verloren hatte?

      Nur langsam kam Grace gedanklich wieder in die Gegenwart zurück und bemerkte, wie fest sich ihre Finger um das Glas klammerten.

      „Was ist mit dem Baby? Es ist nicht in ein Kinderheim gekommen, oder?“, fragte sie. Unmöglich konnte sie zulassen, dass ihr Neffe an solch einem Ort groß würde. Er gehörte zur Familie – oder zu dem, was davon noch übrig war.

      Pastor Burke hielt

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