Ein Wagnis aus Liebe. Susan Anne Mason
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ein Wagnis aus Liebe - Susan Anne Mason страница 6
Grace wusste zwar nicht, wie man ein Kind versorgte, aber das würde sie noch schnell genug lernen. Auf jeden Fall wäre Christian bei ihr sicher. Und bei seiner Familie.
Mit einem entschuldigenden Schulterzucken legte der Pfarrer den Hörer zurück. „Wenn ich nicht binnen vierundzwanzig Stunden einen Angehörigen gefunden hätte, der sich um Christian kümmert, hätte die Krankenhausleitung das Jugendamt verständigen müssen. Und da Sie und Ihre Mutter so weit weg waren, hatte ich keine Wahl.“
Ein schreckliches Gefühl kam in Grace auf und ihr Magen zog sich zusammen. Bitte nicht die gefürchteten Schwiegereltern von Rose! Diejenigen, die ihren eigenen Sohn dafür enterbt hatten, dass er sich für sie entschieden hatte. Diejenigen, vor denen Rose das Kind unbedingt hatte verstecken wollen, nachdem ihr Mann gestorben war.
Sie straffte den Rücken und forderte mit fester Stimme: „Sagen Sie mir, wo er ist.“
„Ich habe das Einzige getan, was ich tun konnte. Ich habe seine Großeltern informiert.“ Ein bedauernder Blick legte sich auf sein Gesicht. „Christian lebt nun bei den Eastons.“
Kapitel 2
Als Andrew Easton das Kinderzimmer im zweiten Stock betrat, musste er sich ein Grinsen verkneifen: Seine sonst eher zurückhaltende Schwester lehnte über der Wiege und zog aberwitzige Grimassen, um den kleinen Neffen zum Lachen zu bringen.
„Pass bloß auf, Ginny. Nicht dass dein Gesicht dabei einfriert!“, warnte Andrew sie, als er lachend ins Zimmer kam.
Abrupt hob Virginia den Kopf und zwei leuchtend rote Wangen zierten ihr Gesicht. „Wie lange stehst du da schon?“
„Lange genug, um dich schielen gesehen zu haben.“
„Hmm…“, rümpfte sie die Nase und eine dunkle Haarlocke fiel ihr ins Gesicht. „Christian gefällt es jedenfalls. Mit strahlenden Augen hat er mich angelächelt. Nicht wahr, mein Süßer?“, sagte Virginia und nahm den Kleinen aus der Wiege. Als sie ihm ein Küsschen auf die Wange geben wollte, packte er kräftig nach ihrer Nase.
„Aua! Dafür, dass du noch so klein bist, hast du schon ganz schön viel Kraft“, beschwerte sie sich und nahm ihn auf den anderen Arm. Dann wandte sie sich Andrew zu. „Und was führt dich hierher, Drew, mitten am Tag? Solltest du nicht auf der Arbeit sein?“
„Heute arbeite ich von zu Hause aus und deshalb wollte ich mal eben nach unserem Neffen schauen“, antwortete er und kam zum Kinderbett. „Meinst du, er hat sich schon an sein neues Zuhause gewöhnt?“, fragte er. Seit drei Wochen lebte Christian nun bei ihnen. Andrew konnte sich nicht vorstellen, wie schrecklich es für ein Kind sein musste, noch als Baby zum Waisen geworden zu sein.
Franks Sohn hatte ein glückliches und sorgloses Leben verdient. Und als sein neuer Vormund fühlte Andrew sich dazu verpflichtet, ihm dieses zu bereiten.
Virginia gab ihm das Baby und öffnete Vorhang und Fenster. „Ja, ich glaube, Christian ist dabei, sich an uns zu gewöhnen. Nachts wacht der Arme aber immer noch weinend auf. Vermutlich schreit er nach seiner Mama“, mutmaßte sie und streichelte ihm über den Kopf. „Ich wünschte, Frank hätte ihn wenigstens einmal sehen können.“
„Ich auch. Er wäre so stolz auf ihn“, erwiderte Andrew traurig. Der Tod ihres Bruders machte ihnen allen zu schaffen.
Virginia seufzte. „Wäre seine Frau nach seinem Tod doch bloß zu uns gekommen. Vielleicht …“
Andrew schüttelte den Kopf. Ginny wusste genau, dass ihr Vater so etwas niemals zugelassen hätte. Nicht, solange er in Rose Abernathy den Grund für Franks „gescheitertes Leben“ sah. „Es bringt nichts, sich das Unmögliche zu wünschen, Gin. Lass uns einfach froh darüber sein, dass wir Christian haben. Und mit ihm können wir versuchen, die Dinge wiedergutzumachen. Wir werden unser Bestes geben, damit er eine glückliche Kindheit hat.“
„Darüber wollte ich sowieso noch mit dir reden“, entgegnete Virginia, als sie den Kleinen wieder an sich nahm.
„Worüber genau?“
„Ich habe über meine Pläne für den Sommer nachgedacht und …“, sie holte tief Luft, bevor sie weitersprach. „Und entschieden, meine Reise abzusagen.“ Ein wenig nervös wagte sie es kaum, ihren Bruder anzusehen. Nach einem flüchtigen Blick zu ihm, wandte sie sich schnell wieder dem Baby zu, lockerte eine Haarsträhne, nach der es gerade griff, und setzte sich auf den Schaukelstuhl.
Andrew folgte ihr und suchte auf Virginias Gesicht nach einem Hinweis, der ihren plötzlichen Meinungswechsel erklären konnte. Hatte es wirklich mit Christian zu tun? Oder verbarg sie etwas ganz anderes vor ihm?
„Du hast Basil versprochen, ihn und seine Familie nach Europa zu begleiten. Sie werden sehr enttäuscht sein, wenn du dich jetzt umentscheidest.“
„Aber ich werde doch hier gebraucht. Ich kann Christian nicht auch noch verlassen, wo er sich gerade an mich gewöhnt. Das wäre einfach zu grausam.“
Grausam war wirklich kein passendes Attribut für Virginia. Andrew kannte kaum eine fürsorglichere junge Frau als seine Schwester.
„Kinder stellen sich schnell auf neue Situationen ein“, entgegnete Andrew beschwichtigend. „Und ein Kindermädchen steht ganz oben auf meiner Liste. Sobald wir jemand Passendes gefunden haben, könnt ihr euch gemeinsam um ihn kümmern und Christian kann sich ganz langsam umgewöhnen, bevor du tatsächlich fährst.“
Tränen standen in Virginias Augen und betonten die kleinen goldenen Flecken darin. „Ich kann ihn nicht einfach zurücklassen. Er hat sich schon längst in mein Herz gestohlen. Wenn Basil doch nur in Betracht ziehen würde …“
„Ginny“, unterbrach Andrew sie und beugte sich zu ihr herunter. „Ich weiß, wie sehr du Christian liebst. Aber du kannst nicht einfach dein Leben für ihn aufgeben.“
„Warum denn nicht?“, fragte sie herausfordernd. „Hast du nicht genau dasselbe vor?“
„Nein, habe ich nicht. Ich kümmere mich um Hilfe, und falls ich heiraten sollte …“ Warum brachte ihn das Thema Ehe jedes Mal ins Zögern? „Wenn ich heirate“, sagte er nun mit kräftigerer Stimme, „werden meine Frau und ich die Rolle seiner Eltern übernehmen. So kann Christian mit ein und demselben Kindermädchen aufwachsen.“ Er gab sich Mühe, ein Lächeln aufzusetzen. „Das wird das Beste für ihn sein. Hab nur Geduld.“
Virginia stützte ihr Kinn auf Christians Kopf ab. „Ich hoffe, du hast recht. Auch wenn ich mir zurzeit nicht vorstellen kann, dass es für mich etwas Besseres geben kann als Christian“, gestand sie und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Der schwermütige Ausdruck darin versetzte Andrews Herz einen Stich.
„Geht es hier wirklich um Christian?“, fragte er besorgt. „Oder eher um Basil und dich?“ Dass seine Schwester über die Verbindung mit Basil nicht so erfreut war wie ihr Vater, hatte Andrew bereits bemerkt. Und doch bezweifelte er, dass Virginia sich jemals gegen ihren Vater stellen würde. Nicht nach dem Desaster, das Frank damit ausgelöst hatte.
Bedrückt schaute sie zu Boden.