Als die Sonne nicht unterging. Sigrid-Maria Größing
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Heinrich VIII. wartete die Entscheidung des Papstes nicht ab, er hatte es eilig, Anne Boleyn ins Brautbett zu führen. Obwohl er noch legal verheiratet war, schloss er im Januar 1533 eine neue Ehe mit der jungen Französin. Als der neu ernannte Erzbischof von Canterbury diese Ehe offiziell anerkannte und Katharina in ein Kloster geschickt und ihre Tochter als nicht ehelich bezeichnet worden war, wurde dieses Treiben auf den britischen Inseln selbst dem Papst in Rom zu viel. Er belegte den englischen König mit dem Kirchenbann, der seinerseits die Trennung der Anglikanischen Kirche von Rom offiziell erklärte. Eine neue Glaubensrichtung war aus den fleischlichen Gelüsten eines unersättlichen Königs entstanden.
Aber auch Anne Boleyn lachte das Glück nicht für lange Zeit, denn die Geburt ihrer Tochter Elizabeth war der Anfang vom Ende ihrer Ehe. Für Heinrich hatte auch diese Gemahlin sehr schnell alle Reize verloren, sein Sinn stand schon nach einer ganz anderen Dame. Außerdem hatte Anna begonnen, sich in politische Angelegenheiten zu mischen, was ihr in den Augen des Königs nicht zustand. Anna musste weg. Und da er sich nicht noch einmal offiziell von seiner Gattin scheiden lassen konnte, bestach der englische König Männer und Frauen bei Hofe, die für einen Judaslohn bezeugten, dass die Königin fünf Männern ihre Gunst geschenkt hatte, unter anderem auch ihrem eigenen Bruder. Und für diese Verbrechen konnte es nur eine Strafe geben: den Tod. Am 19. Mai 1536 fand das Blutgericht auf dem Gelände des Towers statt, bei dem nicht nur der Kopf Annes fiel, sondern auch die unschuldigen Männer ihr Leben verloren.
Für Anne Boleyns Nachfolgerin war indessen schon längst das Brautkleid genäht worden, Jane Seymour war noch zu Lebzeiten Annes und Katharinas zu deren Nachfolgerin auf dem Königsthron auserkoren worden. Sie sollte an Heinrichs Seite ein unruhiges Leben führen, denn auf die Dauer hatte das Volk die Eskapaden seines Königs, vor allem in religiöser Hinsicht, satt. Die Katholiken im Norden Englands schlossen sich zusammen und wollten vereint gegen Heinrich VIII. ziehen. Der König reagierte hinterhältig und erklärte, er wolle Jane zur katholischen Königin in York krönen lassen. Die Rebellen gaben sich damit zufrieden und wollten abziehen. Darauf hatte Heinrich nur gewartet: Er ließ die Ahnungslosen festnehmen und kurzerhand hinrichten.
Jane Seymour schenkte dem König den so heiß ersehnten Thronfolger Edward, der allerdings schon von Kindesbeinen an kränklich war. Sie selber starb unmittelbar nach der Geburt des Kindes, wahrscheinlich an Kindbettfieber.
Dass Heinrich lange Zeit Witwer bleiben sollte, konnte sich keiner vorstellen, aber dass er die knöcherne, ältliche, völlig reizlose Anna von Jülich-Kleve zu seiner vierten Gemahlin auserkor, war mehr das Werk seines engsten Vertrauten Thomas Cromwell und seines Hausmalers Hans Holbein, der die Braut geradezu mit einer rosaroten Brille gemalt haben musste. Daher war die Enttäuschung Heinrichs riesengroß, als er mit großem Pomp an die Küste gezogen war, um Anna auf ihrem Einzug in England zu begleiten. Der König fand die Braut so abstoßend, dass er nicht einmal die Ehe mit ihr vollzog, sondern ihr einen Landsitz zuwies und sie reichlich mit Apanagen versorgte, sodass die deutsche »Nichtgemahlin« ein ruhiges beschauliches Leben führen konnte, ohne um ihren Kopf fürchten zu müssen. Anders als die nächste Gemahlin, die entzückende junge Catherine Howard. Wahrscheinlich fand das junge Mädchen den aus allen Fugen geratenen König abstoßend, sodass sie schon am Anfang der Ehe ihren jugendlich feschen Liebhabern nachtrauerte. Dann aber schritt sie zur Tat und vergnügte sich wie in besseren Tagen mit den schönen Jünglingen so lange, bis irgendwelche Spitzel dem König Hinweise auf das Leben und Treiben seiner flatterhaften Gemahlin gaben. Heinrich trafen diese Berichte wie ein Keulenschlag, denn er, der Alternde, hatte sich in das junge Mädchen bis über beide Ohren verliebt. Seine Wut und Rache traf nicht nur die Galane seiner Frau, sondern vor allem sie selber. Als sie erfuhr, dass sie zum Tod auf dem Schafott verurteilt worden war, legte sie am Tage vor ihrer Hinrichtung, ganz in schwarzem Samt gekleidet, ihr reizendes Haupt zur Probe auf den Richtblock.
Noch aber hatte Heinrich von den Frauen nicht genug, obwohl er mittlerweile hundertsechzig Kilo wog und von verschiedenen Krankheiten geplagt wurde. Alles andere als ein Adonis warb er um die dreißigjährige Catherine Parr. Sie wurde für ihn mehr eine Krankenpflegerin als eine Geliebte und hatte das Glück, obwohl sie auch übel verleumdet wurde, den Blaubart zu überleben, der am 28. Januar 1547 an einer Blutvergiftung starb.
Eine der reichsten Frauen ihrer Zeit überlebte fünf Ehemänner
Ihren sechsten Gemahl, den um fünfzig Jahre jüngeren Reichsgrafen Georg Ludwig von Schwarzenberg, setzte Anna Neumann, die Herrin von Murau, zum Universalerben ein.
Die ungewöhnliche Frau wurde am 25. November 1535 in Villach in einer angesehenen und wohlhabenden Familie geboren. Ihr Vater Wilhelm Neumann war ein geschickter Unternehmer, der sein Geld mit Quecksilbergruben, Textil- und Gewürzhandel verdient hatte. Seine Frau Barbara half ihm bei seinen Geschäften und wusste das Geld in der Familie zusammenzuhalten, denn sie galt als ausgesprochen geizig. Nach dem Tode ihres tüchtigen Gemahls, den selbst Kaiser Maximilian geschätzt hatte, heiratete Barbara ein zweites Mal, einen Adeligen namens Hans Seenuß, der das Amt des Burghauptmannes in Villach innehatte. Durch ihn machte sie wahrscheinlich die Bekanntschaft mit den Liechtensteinern, die damals Besitzungen um die Stadt Murau noch ihr Eigen nannten. Denn sie hatten in den letzten Jahrzehnten schlecht gewirtschaftet, ihre Schuldenberge waren immer größer geworden, sodass sie schließlich gezwungen waren, ihre Besitzungen an die zahlreichen Gläubiger zu verkaufen.
Es war in der damaligen Zeit nichts Ungewöhnliches, dass Grund und Boden die Eigentümer wechselten. Missernten, Kriege und Hungersnöte waren nicht selten die Auslöser von familiären Katastrophen. Dabei hatten die Herren von Liechtenstein von Murau eine jahrhundertealte Tradition, die auf den berühmten Minnesänger Ulrich von Liechtenstein, der für seine Burg »Mvrowe« die Landgerichtsbarkeit vom Herzog von Kärnten erhalten hatte, zurückging. Ulrich von Liechtenstein war nicht nur ein Grundherr und Dichter, sondern ein höchst seltsamer Mann, der am liebsten in Frauenkleidern den angebeteten Damen schöne Augen machte und sie mit romantischen Versen entzückte.
Obwohl Kaiser Maximilian I. denen von Liechtenstein immer wieder unter die Arme griff, hatten sie die seinerzeitige Zerstörung der Burg unter dem Böhmenkönig Přemysl Ottokar und die darauffolgende böhmische Besatzung nicht verkraftet und sich immer wieder von der Familie Neumann Geld geliehen. Wie sie die Schulden zurückzahlen wollten, wusste eigentlich niemand so recht.
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