AEIOU. Sigrid-Maria Größing
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Die Zeremonien waren damit noch lange nicht beendet. Papst und Kaiser ritten gemeinsam hinauf zur Engelsburg, der Kaiser mit der Krone auf dem Haupt, während das Volk in den Straßen jubelte. In der Engelsburg überreichte Nikolaus V. dem Kaiser die goldene Rose von Jericho, und Friedrich schlug dreihundert Adelige zu Rittern. Dann begab er sich auf den Weg zum Lateran, wobei es zu einer kritischen Situation kam: Zuschauer, die sich zu nahe an den Kaiser herandrängten, um ihn in seinem prächtigen, von Gold und Juwelen strotzenden Königsmantel besser zu sehen, ja vielleicht sogar berühren zu können, umringten sein Pferd. Friedrich fühlte sich bedroht, es kam zu einem Handgemenge zwischen seinem Gefolge und den Römern. Als die Situation gefährlich zu werden schien, gab Friedrich seinem Pferd die Sporen und sprengte durch die zurückweichende Menge davon.
So viel über die Kaiserkrönung berichtet wurde, so wenig ist über die Eheschließung bekannt, die ebenfalls in Rom stattfand. Friedrich berührte diese Feier wenig, er gab sein Jawort, und damit war für ihn der Fall erledigt. Wahrscheinlich fürchtete er sich sogar vor der Hochzeitsnacht, denn nur so ist zu erklären, dass das Ehepaar auch nach der Hochzeit noch in getrennten Palästen wohnte und nicht mehr Kontakt hatte als vorher. Friedrich ging Eleonore nach wie vor aus dem Weg, wo er nur konnte, und die junge Frau wird es wohl auch nicht besonders zu dem griesgrämigen Sonderling hingezogen haben.
Das Paar setzte seine Reise nach Neapel fort, wo ein Onkel Eleonores residierte. Das merkwürdige Verhalten Friedrichs seiner Frau gegenüber war nicht verborgen geblieben, und auch dem König von Neapel waren Gerüchte zu Ohren gekommen, der Kaiser habe die Ehe noch nicht einmal vollzogen. Kurz entschlossen nahm Alphons Friedrich ins Gebet, befragte ihn, wie es um die delikate Sache stehe und versuchte ihn zu überreden, sie wenigstens in Neapel hinter sich zu bringen. Aber der frischgebackene Kaiser hatte große innere Vorbehalte; er war von der Vorstellung beseelt, Eleonore unmöglich auf italienischem Boden zu seiner Frau machen zu können, da er befürchtete, hier einen »welschen Bastard« mit unbändigem Temperament zu zeugen. Der Himmel sollte ihn vor einem solchen Sohn bewahren! Aber Alphons gab nicht auf. Rauschende Feste und opulente Gastereien sollten den spröden Friedrich animieren, das Beilager mit seiner jungen Frau zu halten. Glanzvolle Bankette wechselten mit Schauspielen, Turnieren und Jagden. Aber all dies konnte die Vorurteile Friedrichs nicht zerstreuen, bis es dem König von Neapel schließlich zuviel wurde: Nach langen, eindringlichen Gesprächen erklärte sich Friedrich endlich bereit, am 16. April 1452 das öffentliche Beilager mit Eleonore zu halten. Mitten auf einem weiten Platz stellte man ein breites Bett auf, das Kaiser und Kaiserin in Anwesenheit des Königs von Neapel und des gesamten Hofstaates gemeinsam bestiegen, beide bis an den Hals bekleidet. Dann zog Friedrich kurz die Bettdecke über ihre Köpfe, so dass sie einen Augenblick lang vor der Öffentlichkeit verborgen waren, gab Eleonore einen Kuss – und die Ehe galt als vollzogen.
Was mag in der jungen Kaiserin vor sich gegangen sein, als sie in aller Öffentlichkeit mit ihrem Gemahl das Bett besteigen musste, obwohl er nach wie vor überhaupt kein Interesse an ihrer Person zeigte? Es wird ihr auch nicht verborgen geblieben sein, dass ihr Schicksal alle am Hofe, Gesinde wie Adelige, vor allem aber ihre eigenen Hofdamen über die Maßen beschäftigte. Durch Liebeszauber wollten sie den Kaiser ins Gemach seiner Frau locken, mit Parfüm vermischtes Weihwasser wurde ausgesprengt, schmelzende Liebeslieder erklangen – aber alles war umsonst, ja, Friedrich verdächtigte sogar Eleonores Amme der Hexerei. Um sie aber nicht vor dem ganzen Hof zu brüskieren, befahl er sie schließlich doch zu sich auf sein Zimmer: und dort konnte er nun endlich dem Reiz der jungen Frau nicht mehr widerstehen. Aeneas Silvius Piccolomini, der Vertraute des Kaisers (und spätere Papst Pius II.), berichtet in seinen Aufzeichnungen pikante Details von dieser verspäteten Hochzeitsnacht.
Nach den glanzvollen Monaten in Neapel traten Friedrich und Eleonore getrennt die Weiterreise nach Venedig an. Die Lagunenstadt gab den hohen Gästen zu Ehren ein rauschendes Fest. Wieder flogen der Kaiserin alle Herzen zu, und als die Stunde des Abschieds nahte, schenkten die Stadtväter Eleonore einen kostbaren Ring im Wert von 1750 Dukaten, der sie immer an die Tage in Venedig erinnern sollte.
Im Kaiser wurden in Venedig alte Erinnerungen wach: Als Kaufmann verkleidet war er vor Jahren hier durch die Märkte gezogen und hatte die Waren aus fernen Ländern bestaunt. Von hier war er 1436 nach Jerusalem gezogen und hatte sich dort unter die Händler gemischt. In den engen, winkeligen Gassen voller fremdartiger Gerüche hatte er nach langem Feilschen so manchen Edelstein erworben. Friedrich konnte sich an den kostbaren Steinen nicht satt sehen, er liebte nicht nur ihren Glanz und ihre Farben, sondern beschäftigte sich auch wissenschaftlich mit ihnen. In seiner Alchimistenküche versuchte er ihrem Geheimnis auf die Spur zu kommen, ja sie eventuell sogar selbst künstlich herzustellen. Alles Geld, das er erübrigen konnte, hatte Friedrich im Orient für Juwelen ausgegeben, und er verfügte über eine phantastische Edelsteinsammlung, obwohl er ständig unter Geldsorgen litt. Es gibt heute noch ein Schmuckstück, das aus dieser Zeit stammt, »ain ring gancz von saffir«. Friedrich kaufte die Steine aber nicht für die Schmuckschatulle; obwohl meist schäbig gekleidet, trug er die wertvollsten Pretiosen selber und hatte an seiner Seite immer einen schwer vergoldeten Dolch hängen, von dem er sich nie trennte, den er aber auch nie benutzte.
Jetzt in Venedig war der Kaiser wieder ganz in seinem Element. Er kaufte orientalische Waren, die man in Österreich kaum kannte, gab ein kleines Vermögen für feinsten Damast und schillernden Atlas, aber auch für Teppiche und scharfe Damaszenerklingen aus. Unauffällig gekleidete Diener mussten die von Friedrich selbst ausgesuchten Waren abholen, da der Kaiser befürchtete, man würde ihn sonst übers Ohr hauen.
Für die Kaiserin ging die Zeit in Italien nur allzu rasch vorüber. In der allgemeinen Festesstimmung hatte sie ihren Mann gar nicht vermisst, der schon bald wieder keine Notiz von ihr nahm. Friedrich war nun einmal kein feuriger Liebhaber, und auch eine entzückende Frau wie Eleonore konnte ihn nicht dazu machen. Einzig der Gedanke, einen Sohn zeugen zu müssen, bewog ihn zu intimen Kontakten mit ihr. Dieser Sohn aber sollte, wenn schon hier gezeugt, so doch unter keinen Umständen das Licht der Welt in Italien erblicken. Als man daher raunte, Eleonore sehe Mutterfreuden entgegen, brach er jäh auf. Ein schweres Gewitter stand am Himmel, als der Kaiser mit seiner Frau die Grenze zu seinen Ländern überschritt, und so mancher im Gefolge vermeinte in den zuckenden Blitzen und im Krachen des Donners ein böses Omen für das zukünftige gemeinsame Leben des Kaiserpaares erkennen zu müssen.
Schließlich erreichte man Wiener Neustadt, wo der Kaiser seine Residenz aufgeschlagen hatte. Grau in Grau zeigte sich die neue Heimatstadt der Kaiserin, nichts erinnerte auch nur im geringsten an die Pracht und die Helligkeit des Südens, kalt und feucht schienen die dicken Mauern der Burg. Das Herz zog sich Eleonore bei dem Gedanken zusammen, hier ihr weiteres Leben verbringen zu müssen, an der Seite eines Mannes, den sie nie für sich gewinnen konnte, so sehr sie sich auch bemühte.
Es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich das Leben so angenehm wie nur irgend möglich zu machen. Im Laufe der Monate hatte sie Vertraute gefunden, mit denen sie sich gerne umgab und portugiesisch sprechen konnte. Vor allem einer Hofdame, die sie aus der Heimat mitgebracht hatte, konnte sie in ihrer Einsamkeit ihr Herz ausschütten. Die Kaiserin entbehrte so ziemlich alles, was sie gewöhnt war. Der Kaiser ließ sie meist allein, denn eben um diese Zeit hatte er wieder mit vielen Feinden zu kämpfen. Die Anhänger des jungen Ladislaus Postumus machten ihm das Leben schwer, ebenso sein Bruder Albrecht, der es geschickt verstand, die Gegner Friedrichs aufzuwiegeln. Jede noch so kleine Gelegenheit nützten die Feinde, um die ohnehin geringe Macht des Kaisers noch mehr zu untergraben. Wann immer Friedrich nicht in Wiener Neustadt weilte, zogen Söldnerhaufen plündernd und brandschatzend durch die Straßen der kleinen Stadt und versetzten die junge Frau, die gerade ihr erstes Kind erwartete, in Angst und Schrecken.
Drei Jahre waren einstweilen seit der Hochzeit vergangen, und Eleonore hatte noch immer keinem Kind das Leben geschenkt. Die Gerüchte in Venedig hatten sich als falsch erwiesen. Hinter vorgehaltener Hand flüsterte man schon,