AEIOU. Sigrid-Maria Größing
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Im November 1455 jedenfalls brachte Eleonore in einer langen, schweren Entbindung einen Knaben zur Welt, der auf den Namen Christoph getauft wurde. Endlich hatte sie ein Wesen, auf das sie ihre Liebe konzentrieren konnte; aber schon im nächsten Jahr klopfte der Tod an die Tore des Palastes. Christoph starb ganz plötzlich am 25. März 1456. Der Tod des Kindes war für Eleonore ein schwerer Schlag, nicht nur, weil sie das Liebste verloren hatte; Friedrich machte ihr auch noch heftige Vorwürfe, sie hätte den Knaben falsch ernährt.
Zwischen dem Kaiser und seiner Frau gab es häufig Diskrepanzen, und die Frage des Essens wurde beinahe täglich aufs neue zum Zankapfel. Friedrich, der Asket, bevorzugte die schweren heimischen Speisen: Breie, Gemüse und Salate durften auf der kaiserlichen Tafel nicht fehlen. Wein war verpönt; der Kaiser trank nur Wasser. Eleonore dagegen liebte Süßspeisen und Leckereien, die sie durch Boten aus Portugal erhielt. Friedrich sah das mit scheelen Augen; oft hatte er versucht, ihr dieses Vergnügen einfach zu verbieten, aber vergeblich: Wenn Eleonore sich auch mit dem kargen Leben in Wiener Neustadt und später in Wien abfand, in einer Sache ging ihr südländisches Temperament mit ihr durch: Beim Essen ließ sie sich nichts vorschreiben.
Im März 1459 kam der zweite Sohn des Kaiserpaares zur Welt, Maximilian. Sofort nach der Geburt wollte Friedrich seiner Frau das Kind wegnehmen, um es nach österreichischer Sitte erziehen zu lassen, aber Eleonore gelang es doch, ihn zu überzeugen, dass ein Säugling in der Obhut seiner Mutter bleiben sollte. Friedrich willigte, wenn auch widerstrebend, ein; als aber die Tochter Helena, eineinhalb Jahre nach Maximilian geboren, als Kleinkind starb, war er endgültig überzeugt, die von der Mutter verabreichten Leckereien wären der Grund ihres frühen Todes. Friedrich verbot ihr strikt, den Kindern weiterhin Süßigkeiten zu geben, und der kleine Maximilian verstand die Welt nicht mehr, als er nur noch dicken, schweren Haferbrei zu essen bekam. Kunigunde, eine weitere Schwester Maximilians, musste in die Gemächer des Kaisers gebracht werden, wo er sie eigenhändig mit Hirse- und Haferbrei vollstopfte.
Ja älter Friedrich wurde, desto ausgeprägter traten seine eigentümlichen, ja skurrilen Charaktereigenschaften hervor. Die Menschen wichen scheu vor ihm zurück, und alles was er anfasste, schien zu misslingen. Er war kein Politiker, und doch musste er sich ein Leben lang mit politischen Kämpfen und Intrigen herumschlagen. Nach dem überraschenden Tod des jungen Ladislaus Postumus (man munkelte von Gift; jüngste Forschungen haben allerdings bestätigt, dass er eines natürlichen Todes gestorben ist) im Jahre 1457 stellten sich die Wiener unter der Führung ihres Bürgermeisters Wolfgang Holzer offen gegen den Kaiser und auf die Seite seines Bruders Albrecht und belagerten die Kaiserfamilie in der Hofburg; Friedrich musste Albrecht Österreich unter der Enns abtreten.
Die Zeit in Wien zählte zu den schrecklichsten Monaten im Leben der Kaiserin. Die Belagerer hatten die Familie von allem abgeschlossen, was zum Leben notwendig war. Der spätere Kaiser Maximilian, damals ein dreijähriger Knabe, erinnerte sich ein Leben lang an diese düstere Zeit, in der nur die Mutter nicht verzweifelte und in ihrer heiteren Art die vor Hunger weinenden Kinder tröstete. Wie glücklich hätte ein Mann mit einer solchen Frau sein können! Friedrich aber wusste wahrscheinlich selbst nicht, was er an Eleonore hatte; er zog sich immer mehr in die Einsamkeit seiner vier Wände zurück und gab sich seinen Spintisierereien hin, an denen er niemanden teilhaben ließ. Den misanthropischen Einzelgänger kümmerte es wenig, was man über ihn dachte und redete, er lebte ganz nach seiner Façon. Räte und Gesinde hatten sich nach seinen Vorstellungen zu richten, und nicht selten ließ er sie mitten in der Nacht zusammenholen, um zu konferieren. Nach solchen nächtlichen Intermezzi legte er sich dann noch einmal zur Ruhe und schlief bis in den Vormittag hinein, obwohl damals Langschläfer als Faulpelze galten. Was kümmerte das Friedrich? Weckte ihn jemand zu ihm nicht genehmer Stunde, dann konnte er äußerst unwirsch werden und die Person, die ihn aus seinen Träumen gerissen hatte, kurzerhand hinauswerfen.
Was sollte bei einem solchen Lebenswandel eine junge Frau an seiner Seite? Wenn sie sich schon mit ihm zeigte, behandelte er sie eher als Tochter, als Ehefrau, meist aber sah er bloß über sie hinweg und verbot ihr alles, woran sie Freude gehabt hätte. Wie die meisten jungen Frauen, auch zu dieser Zeit, war sie an Mode und schönen Kleidern interessiert, liebte weichen Samt und knisternde Seide, aber Friedrich fand dies überflüssigen Tand, ja fast Teufelswerk. Näherte sich ihm eine Dame mit allzu offenherzigem Dekollete, schloss er die Augen und befahl, die Versucherin aus dem Saal zu führen. Er hasste auffällige Kleidung, besonders wenn sie die Grenzen der Schicklichkeit überschritt, wie es auch bei den damals modischen enganliegenden Beinkleidern der Männer der Fall war. Solche Kleidung musste ja zu Laster und sittlichem Verfall führen! Aber auch der Tanz galt für ihn als Versuchung des Teufels. Nur zweimal im Leben war es Eleonore gelungen, ihren Mann durch langes Bitten zu einigen Tanzschritten zu bewegen, beileibe kein Vergnügen für die junge Frau, die bald merkte, wie widerwillig er sich bewegte, so dass ihr bald jede Lust verging. Friedrich soll einmal geäußert haben, dass er lieber fieberkrank darniederliegen wolle als noch einmal das Tanzbein zu schwingen.
Die portugiesische Prinzessin lebte am Hof ihres Mannes wie eine Fremde und führte ein Schattendasein, das nur durch die Kinder Lichtblicke erhielt. Die Kleinen liebten ihre Mutter zärtlich, und Eleonore verbrachte jede freie Stunde bei ihnen. Den Vater sahen Maximilian und Kunigunde selten, und sie waren nicht allzu traurig darüber, denn zeigte sich der Kaiser, so fand er nie ein freundliches Wort für die Mutter oder sie; stets wurde nur genörgelt und getadelt. Eleonore durfte die Räume ihres Mannes nicht betreten, die Friedrich als seine Privatsphäre betrachtete. Nie diskutierte der Kaiser mit ihr politische Probleme, bei denen sie mit ihrem gesunden Realitätssinn durchaus eine Stütze hätte sein können. Eleonore verstand die Passivität ihres Mannes nicht; für sie musste ein Herrscher tatkräftig, rege und leutselig sein, wollte er zum Wohl des Volkes regieren. Sie selbst war durch das Desinteresse Friedrichs an ihrer Person zur Macht- und Bedeutungslosigkeit verurteilt. Es ist wie ein Wunder, dass sie an der Seite ihres Mannes nicht innerlich völlig verkümmerte, dass sie trotz der Abgeschiedenheit, in der sie lebte, immer noch Gelegenheiten fand, bedeutende Persönlichkeiten ihrer Zeit um sich zu scharen. Die Feste, die sie – oft gegen den Willen des Kaisers – gab, wurden zu glanzvollen Höhepunkten in ihrem Leben. Hier konnte sie Politik machen, hier verteidigte sie die Machtansprüche der Habsburger auf den böhmischen und ungarischen Thron, hier fand sie offene Ohren gegen die Ungarn, deren ehrgeiziger König Matthias Corvinus Friedrich schwer zu schaffen machte, und hier zeigte sie bedeutenden, namhaften Männern, die es sich zur Ehre anrechneten, bei der Kaiserin geladen zu sein, die Ziele und Wünsche der habsburgischen Politik auf. Charmant, wie sie war, konnte sie ihre Theorien auf unkomplizierte Art so vortragen, dass alle von der schönen Frau hingerissen waren. Und mit diesen Einladungen nützte sie ihrem politisch unklugen Gemahl wahrscheinlich mehr, als er wahrhaben wollte. Eleonore wurde in den wenigen Jahren, in denen sie in Österreich lebte, innerlich mehr ein Mitglied der Familie Habsburg, als es Friedrich jemals gewesen war. Die feste und enge Bindung an das Geschlecht hat sie ihrem Sohn Maximilian mit auf den Lebensweg gegeben. Er vergaß es nie, dass die »Casa d’Austria« die Vorrangstellung in Europa einnehmen sollte. Die Kaiserin hatte sich im Laufe der Jahre zu einer echten Persönlichkeit entwickelt, sie war es, die ihrem Sohn glänzende Eigenschaften vererbte, und letztlich wurde sie zu einer echten Stammmutter der Habsburger. Als sie am 3. September 1467, wenige Tage vor ihrem 31. Geburtstag, starb, weinten am Kaiserhof viele um sie, am wenigsten wohl ihr eigener Mann, mit dem sie sich überworfen haben soll. Er konnte von nun an ganz in seiner eigenen Welt leben, und keiner störte ihn mehr. Nur selten zeigte er sich seinen Kindern, meist verbunden mit lautem Türengeknall, denn der Kaiser hatte die seltsame Angewohnheit, Türen nicht mit der Hand, sondern mit den Füßen zu schließen. Alles hielt den Atem an, wenn er sich näherte, und besonders die Kinder hatten unter seinen ständigen Rügen und Nörgeleien zu leiden. So waren alle froh, wenn er wieder in seinen Gemächern saß und ungefähre Berechnungen über den Lauf der Gestirne anstellte – er hatte nie genau studiert, wie man dies wissenschaftlich durchführen könne. Das überließ er seinen Hofastrologen und -astronomen, die in seinem Auftrag zu arbeiten hatten. Alles, was mit der Zukunft zusammenhing, interessierte ihn brennend, und je mehr er versuchte, durch allerlei Künste