Wien. Dietmar Grieser
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Vor allem Tochter Olga, die an Mitsukos Seite bis zu deren Ableben ausharrt, bekommt die mütterliche Strenge zu spüren. In eine Villa in Mödling zieht sich die Verwitwete von der Welt zurück, als die Kinder aus dem Haus sind und ihren eigenen Weg gehen. Die großen Wiener Auftritte an der Seite ihrer Söhne, die in der schmucken Uniform der Theresianisten – dunkelblauer Waffenrock, Offizierskappe und Degen mit Goldgriff – auf jeder Gesellschaft bewundernde Blicke auf sich ziehen, sind schon lange nur noch Erinnerung …
Die Verbindung mit der japanischen Heimat hält Mitsuko weiterhin aufrecht, ohne allerdings noch einmal eine Reise in den Fernen Osten anzutreten. Seit dem Tod ihrer Eltern weiß sie, dass sich auch Japan stark gewandelt hat, ein Wiedersehen also wohl mit Enttäuschungen verbunden wäre. Umso mehr bedeutet es ihr, vom Bruder des japanischen Kaisers und dessen Frau empfangen zu werden, als diese auf ihrer Weltreise auch in Wien Station machen; sie hält Kontakt zu japanischen Diplomaten, liest weiterhin japanische Bücher und Zeitungen, spielt auf ihrem Grammophon japanische Musik, und was die Karriere ihres Sohnes Richard betrifft, der als Präsident der von ihm ins Leben gerufenen Pan-Europa-Bewegung Schlagzeilen macht, so bedeutet ihr die kleinste Notiz in einem japanischen Provinzblatt mehr als der schönste Leitartikel in einer der führenden europäischen Zeitungen.
Japan dankt es Maria Thekla Mitsu Gräfin Coudenhove-Kalergi bis heute, dass sie in so vielem die Mitsuko Aoyama von einst geblieben ist: In ihrer Heimat werden Bücher über sie geschrieben, Fernsehserien zeichnen ihr ungewöhnliches Leben nach, in einem Manga für junge Mädchen wird sie als Heldin gefeiert, und so mancher japanische Tourist auf Europa-Reise erweist ihr an ihrem Grab auf dem Hietzinger Friedhof, wo sie seit 1941 unter dem Christuskreuz, dem Familienwappen der Coudenhove-Kalergi, einem Mutter-Kind-Relief und dem Vater-unser-Zitat »Zukomme uns dein Reich« ruht, seine Reverenz. Es ist eine stattliche Gruft, die mit Ausnahme des Mädchennamens jeden Hinweis auf die ferne Herkunft der Toten vermissen lässt, und so lassen manche der Besucher, den Mangel kompensierend, japanische Souvenirs auf den Stufen zurück: Reiskuchen und Sake.
Und mancher Eingeweihter legt bei dieser Gelegenheit auch die paar Schritte zu dem nahen Klimt-Grab zurück: Die Affinität so vieler japanischer Kunstkenner zum Wiener Jugendstil rührt von den starken Einflüssen her, die die japanische Malerei auf Gustav Klimts Werk ausgeübt hat.
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