Wien. Dietmar Grieser

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Wien - Dietmar Grieser

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das einfachste Begräbnis sowie zwanzig Seelenmessen, und da ihn der Tod nicht in seinem Haus in der Inneren Stadt, sondern in der Maxingstraße ereilt (wo sich vermutlich seine dort wohnhafte Lebensgefährtin Adelaide Gaudelet des Sterbenskranken annimmt), fällt auch für Hietzing einiges an Legaten ab: 20 Gulden für die Pfarre, 10 Gulden für die Normalschule. Auf dem Hietzinger Friedhof wird er auch zur ewigen Ruhe bestattet: am 27. Mai 1809, wenige Tage nach Napoleons Niederlage in der Schlacht bei Aspern. Die französische Botschaft in Wien kommt bis heute für die Grabkosten auf.

      Überflüssig zu erwähnen, dass der ehemalige königliche Kammerdiener und spätere Bestsellerautor und Hausbesitzer sich in seinen letzten Wiener Jahren eigenes Personal leisten konnte. Und nach dem Beispiel seines einstigen Herrn, des Königs von Frankreich, der ihm kurz vor seiner Hinrichtung sein letztes bisschen persönliche Habe überschreibt, versäumt es auch Jean Baptiste Cléry in seinem Testament nicht, seinen Diener zu bedenken: »Je donne à mon domestique six chemises et tous mes habits.«

      Sechs Hemden und alle seine Anzüge.

       Der Lichterbaum

       Henriette von Nassau-Weilburg

      Sie ist eine Lichtgestalt des österreichischen Protestantismus – und nicht etwa nur der Lichter wegen, die sie als eine der Ersten hierzulande am Christbaum anzündet. Den schönen Brauch, zu Weihnachten eine Tanne aus dem Wald zu holen, in der guten Stube aufzustellen und mit Wachskerzen zu bestücken, hat es bis dahin nur in ihrer deutschen Heimat gegeben – nun, im Dezember 1816, führt sie ihn auch in Wien ein. Ihr Name: Henriette von Nassau-Weilburg, geboren am 30. Oktober 1797. Zur Zeit ihrer ersten Wiener Weihnacht ist sie 19 Jahre alt.

      Die Geschichte beginnt mit dem Mann, der sie nach Wien holt. Er ist 26 Jahre älter als Henriette, wird seit sechs Jahren als Nationalheld gefeiert – bis heute zählt sein Denkmal auf dem Wiener Heldenplatz, neben dem des Prinzen Eugen, zu den imposantesten Reiterstandbildern der Welt: Erzherzog Karl, der Bezwinger Napoleons, der Sieger von Aspern. Wann hat es je im Hause Habsburg eine erfolgsträchtigere Geschwisterkonstellation als diese gegeben: Karls drei Jahre älterer Bruder Franz ist (als Franz II.) letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reichs und (als Franz I.) erster Kaiser von Österreich; Joseph ist dessen ungarischer Palatin; und der elf Jahre jüngere Johann geht – nicht nur seiner »unebenbürtigen« Ehefrau, der Postmeisterstochter Anna Plochl, wegen – in die Geschichte der Steiermark ein.

      Karl, jetzt, sechs Jahre nach Aspern, Mitte vierzig, hat nach Zwistigkeiten mit dem kaiserlichen Bruder sein Kommando als Generalfeldmarschall niedergelegt und seinen Posten als Gouverneur von Mainz angetreten, hätte nun also die Muße, sein über viele Jahre vernachlässigtes Privatleben neu zu ordnen, sprich: sich um eine Ehegattin umzusehen und eine Familie zu gründen. Seine Ratgeber sparen nicht mit Vorschlägen; er selbst könnte sich als Gespons vor allem eine Prinzessin aus einem der deutschen Fürstenhäuser vorstellen, selbst wenn diese nicht – wie unter Habsburgern eigentlich obligat – katholischen Glaubens sein sollte.

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       Lichtgestalt des österreichischen Protestantismus: Prinzessin Henriette von Nassau-Weilburg

      Tatsächlich fällt seine Wahl auf die (einzige) Tochter des Herzogs von Nassau-Weilburg, den Karl anlässlich des Wiener Kongresses kennengelernt hat. Nunmehr in Mainz residierend, ist es nur natürlich, dass er dem Herzog im kaum 70 Kilometer entfernten Weilburg einen Höflichkeitsbesuch abstattet und bei dieser Gelegenheit die 17-jährige Henriette kennenlernt. Nicht nur von seiner Seite, auch seitens der so viel Jüngeren scheint es Liebe auf den ersten Blick zu sein: Karl sieht in Henriette, wie er alsbald deren Vater brieflich vorschwärmt, »das Urbild des häuslichen Glücks«. Sowohl die Brauteltern wie Karls Adoptivvater Herzog Albert von Sachsen-Teschen und der Kaiser geben ihre Einwilligung, am 8. Juni 1815 wird auf der Weilburg (im heutigen Bundesland Hessen) Verlobung gefeiert, und nur zehn Wochen später trifft auch der in Wien ausgearbeitete Ehevertrag in Mainz ein: Karls Bruder Franz, Seine Kaiserliche Majestät, stellt dem Bräutigam die Erbschaft eines beträchtlichen Vermögens in Aussicht. Auch die Hochzeit findet in der Residenz der Brauteltern statt; das Erste, was Karl am Tag danach unternimmt, ist es, seinem Bruder Johann dafür zu danken, dass er die so Glück verheißende Verbindung von langer Hand eingeleitet hat: »Dein Rat war gut, der Himmel ist voller Geigen.« Henriette wird als sehr gebildet geschildert, spricht mehrere Sprachen und ist, was in Wien besonders zählt, sehr an Musik interessiert.

      Mehr ins Detail geht Karls Generalstabschef Oberst de Lort: »Wenn man die Unschuld, vereinigt mit Liebenswürdigkeit, Anmut und Schönheit darstellen wollte, könnte man kein besseres Vorbild finden als die Prinzessin. Sie ist 17 Jahre alt, mittelgroß, sehr schlank, hat ein Haar von schönstem Schwarz, die braunen Augen voll Ausdruck und Sanftmut, einen bewunderungswürdigen Teint, die Nase, der Mund, das Oval des Gesichtes tadellos. Sie hat nie eine Gouvernante gehabt, ihre würdige Mutter hat sich der Erziehung dieser einzigen Tochter angenommen und einen Engel aus ihr gemacht. Sie ist der Gegenstand unserer aufrichtigsten Bewunderung und unserer heißesten Wünsche für das Glück dieser erhabenen Verbindung.«

      Diesem Glück darf vor allem nicht im Wege stehen, dass Henriette der evangelisch-reformierten Kirche angehört und hieran auch in Zukunft festhalten will. Was aber tun, sollte sich das »durchlauchtigste Ehepaar« an einem Ort im durch und durch katholischen Österreich niederlassen, »wo keine reformierte Kirche gefunden wird«? Für diesen Fall sieht der Ehevertrag vor, Henriette »die Religionsübungen nach ihrem Bekenntnis« zu erleichtern, indem »ein eigener Hofkaplan vom evangelisch-reformierten Glaubensbekenntnis bei Höchstdero Hoflager bestellt« wird.

      Am 8. Dezember 1815 treten Karl und Gemahlin die Reise nach Wien an, am 19. halten sie in ihrem Palais in der Annagasse Einzug. Von der kaiserlichen Familie aufs Herzlichste willkommen geheißen und sogleich mit Besuchen und Gegenbesuchen in ihrer neuen Heimat überhäuft, kommt nur bezüglich Henriettes Religionsausübung Ratlosigkeit auf. Für Menschen ihres Glaubens, so teilt man ihr mit, gebe es in Wien keine Kirche, sondern bloß ein Bethaus – und zwar mit ganz »normaler« Wohnhausfassade. Kirchen gebe es nur für Katholiken. Das bedeutet, dass der Bau Ecke Dorotheergasse/Plankengasse, der Kaiser Josephs II. Toleranzpatent seine Existenz verdankt, weder über einen Turm und eine Glocke noch über einen straßenseitigen Eingang verfügen darf. Ist es jedoch einer Erzherzogin zuzumuten, dass sie »ihr« Gotteshaus nur durch eine Hintertür, also vom Hof aus, betreten kann? Wohl nicht. Und so setzt Henriette durch, dass für sie – durch Umgestaltung eines der Fenster – ein direkter Zugang von der Straße geschaffen wird (samt exklusiv für sie bestimmtem Türschloss). Sollte Ihre Kaiserliche Hoheit allerdings »über kurz oder lang keinen Gebrauch mehr davon machen«, so teilt man dem »löblichen Consistorium der helvetischen Confession« vorsorglich mit, werde das Ganze wieder in den alten Zustand zurückversetzt werden (was denn auch nach Henriettes Tod geschehen wird).

      31. Juli 1816, das hohe Paar lebt nun seit gut sieben Monaten in Wien, Henriette bringt ihr erstes Kind zur Welt. Dass das Töchterchen die Namen Maria Theresia Isabella erhält (und ebenso wie seine späteren fünf Geschwister katholisch getauft und erzogen werden wird), ist auch als Verbeugung vor der einstigen großen Landesmutter zu verstehen. Die Freude über den Neuankömmling im Palais in der Annagasse ist so groß, dass Erzherzogin Henriette auch für die ersten Weihnachten ihres Lieblings besondere Pläne schmiedet. Ist es in Österreich zu jener Zeit üblich, die Kinder nur am Tag des heiligen Nikolaus zu bescheren, so ist Henriette fest entschlossen, vor allem den Heiligen Abend so zu gestalten, wie sie es aus ihrem deutschen Elternhaus gewohnt ist: mit Tannenbaum und brennenden Kerzen. Eigens wird ein Bote nach Weilburg entsandt, um den nötigen Baumschmuck herbeizuschaffen. Im Festsaal des Palais trifft unterdessen Henriette persönlich die nötigen Vorbereitungen – und zwar heimlich, denn auch für Erzherzog Karl soll der Lichtzauber eine Überraschung sein.

      Eine

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