Elfenzeit 5: Trugwandel. Uschi Zietsch
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Читать онлайн книгу Elfenzeit 5: Trugwandel - Uschi Zietsch страница 17
»Aber trotzdem kann man Magie spüren …«
Fabio nickte. »Nun wäre es doch besser gewesen, Julia wäre mitgekommen. Dieser Grabhügel hat Verbindung zur Geisterwelt! Damit ist das Zeitgrab umso bedeutungsvoller …«
»Die Führung fängt an«, unterbrach Nadja. »Kommt.«
Sie folgten der Gruppe an dem imposanten, wunderschön verzierten Eingangsstein vorbei über die Brückenstiege ins Innere. Der von Menhiren gesäumte Gang war sehr schmal, und die Trockenheit darin war sofort auffällig. Eine matte Beleuchtung sorgte für entsprechendes Schattenspiel, ein Vorankommen war fast nur geduckt und im Gänsemarsch möglich.
»Gefällt mir«, murmelte David.
»Entspricht irgendwie dem Stil unseres Vaters«, wisperte Rian. »Aber ob er eine besondere Verbindung zur Geisterwelt hat, weiß ich nicht.«
»Was wissen wir denn schon über Fanmór.«
Nadja zischte leise, weil die Führerin vorn zu reden anfing, und sie hörten aufmerksam zu.
»Der gesamte Grabhügel erstreckt sich über eine Fläche von etwa einem halben Hektar und ist damit der größte bekannte Megalithbau. Er ist elf Meter hoch, sein Durchmesser zählt bis zu fünfundachtzig Meter. Einstmals wurde er von siebenundneunzig Steinen eingefasst, von denen heute nur noch wenige erhalten sind. Der eindrucksvollste steht vorn am Eingang.« Der Rest deckte sich mit dem, was Nadja schon erzählt hatte, und sie richteten ihre Aufmerksamkeit auf die Strömungen innerhalb des Tumulus und tasteten das knochentrockene, kunstvoll aufgeschichtete Gestein ab. In der Hauptkammer verteilten sich die Besucher. Ab und zu blitzte die Stirnlampe der Führerin zwischen den hin- und herschwankenden Leibern hindurch. Nacheinander betrachtete Nadja die drei Ausbuchtungen, die effektvoll ausgeleuchtet waren. Mit ein wenig Verbiegung konnte sie weitere Steinmuster ausmachen, sowie Rückstände von Rauchentwicklung. Der Altar in der Mitte war kaum mehr als solcher erkennbar, auf dem die Leichname wohl verbrannt worden waren. Es konnte sich nur um hochgestellte Persönlichkeiten gehandelt haben, und Nadja hätte darüber gern ein wenig spekuliert und fantasiert. Leider hatte ihr Vater hierzu keine Erzählung, allerdings war er bei weitem nicht so alt wie dieses Bauwerk. Und warum kreuzförmig, dachte sie bei sich. Drei Kammern …
Denk an die Trinität, wisperte es in ihr, eine ferne Stimme. Dunkel erinnerte sie sich, was Morgana zu ihr gesagt hatte, doch dann war es auch schon wieder verschwunden. Sie konnte nichts damit anfangen, nur ein weiteres Rätsel mehr. Im Moment mochte das keine Rolle spielen.
Behutsam tastete sie die Steine ab, blickte zu dem Kraggewölbe hoch. Der Winkel sei derselbe wie bei den Pyramiden, erklärte die Führerin, deswegen wäre hier drin der Alterungsprozess genauso verlangsamt. Ein mehr als achtzig Tonnen schwerer Stein verschloss die Decke, der seit dem Aufsetzen niemals wieder bewegt worden war. Wie ist er überhaupt dort hinaufgekommen?, fragte sich Nadja. Hatte Fanmór ihn auf seine Schultern geladen und ein weiterer Riese ihn aufgesetzt?
Der Stein fühlte sich durch die Trockenheit unwirklich an. Der Getreue konnte nicht hier gewesen sein, seine Kälte hätte sich sofort niedergeschlagen und die erste Feuchtigkeit seit fünftausend Jahren verursacht. Vielleicht hatte er den Gang aus genau diesem Grund noch nicht betreten, um seine Anwesenheit nicht vorzeitig zu verraten, und tüftelte an einem Plan. Oder sammelte seine Kräfte.
Wie es aussah, hatten sie noch Zeit. Die Zwillinge flüsterten miteinander, schüttelten die Köpfe und hoben die Schultern. Sie spürten also nichts Besonderes und hatten keine Ahnung, in welcher Kammer sich das Zeitgrab befand. Ihr Vater stupste sie sacht an, neigte sich und flüsterte ihr ins Ohr: »Das Portal zur Geisterwelt ist geschlossen – und zwar so gut, dass ich es nicht finden kann. Das muss schon vor langer Zeit geschehen sein.«
»Wahrscheinlich, als auch das Zeitgrab versiegelt wurde«, raunte Nadja zurück. »Warum haben sie es überhaupt angelegt, wenn es so gefährlich ist?«
»Viele Dinge der Anderswelt gibt es genau aus diesem Grund, Nadja. Weil sie möglich sind, und weil irgendwann irgendjemand darauf Anspruch erhebt und die Magie nutzen will.«
»Sehr … äh … logisch.«
»Niemand behauptet, dass die Magie logisch im menschlichen Sinne wäre. Sie folgt eigenen Gesetzen. Vielleicht war das Zeitgrab gar nicht beabsichtigt gewesen, sondern wurde versehentlich geöffnet und konnte rechtzeitig versiegelt werden.«
»Nicht vernichtet?«
»Solche Dinge kann man nicht vernichten, genauso wenig wie die Knotenpunkte. Sie sind Bestandteil der materiellen wie spirituellen Erdsphäre.«
Nadja konnte jedenfalls nichts Ungewöhnliches feststellen – außer, wie faszinierend dieser erhabene Ort war, und wie einzigartig. Erneut ließ sie die besondere Stimmung auf sich einwirken. Newgrange gehörte zu ihren absoluten Favoriten der mystischen Wunderbauten. Wie gern hätte sie gewusst, wer hier einst gelebt und das Monument erbaut hatte – und für wen.
Nun bat die Führerin, sich ruhig zu verhalten und nicht in Panik zu geraten, da sie gleich das Licht ausschalten würde. Alle wandten den Blick den Gang zurück, nach Osten. Dann wurde es stockdunkel, aber nur für einen kurzen Moment. Ein Licht, das den Sonnenstand bei Wintersonnenwende simulierte, wurde eingeschaltet und schickte durch die obere Luke beim Eingang einen dünnen Lichtstrahl, der die rund zwanzig Meter den Gang hindurch zielsicher auf den Altar der Hauptkammer traf. Hauchfeiner Staub tanzte im Licht, doch nur für dreißig Sekunden, dann versiegte der Strahl, und die normale Beleuchtung kehrte zurück.
Als Nadja sich in diesem sekundenkurzen Moment, bevor der Schein erlosch und die Beleuchtung wieder anging, umdrehte, sah sie die Augen der Elfen wie Amethyste leuchten, und einen schwach glühenden Punkt auf Davids Brust. Ihre Körper waren von einer dünnen, schimmernden Aura umgeben. Schmale, hohe, perfekt gezeichnete Silhouetten von ätherischer Schönheit. Unwillkürlich hielt sie den Atem an, zum Teil aus Ergriffenheit, zum Teil aus Schrecken, wie deutlich ihre Freunde als Fremdwesen erkennbar waren. Noch immer musste es hier eine magische Strömung geben, auch wenn sie nicht ersichtlich war, sonst wäre es niemals möglich gewesen, die Elfen gegen ihren Willen zu offenbaren. Wahrscheinlich war es ihnen nicht einmal bewusst. Doch der Spuk war sofort wieder vorbei, sobald der Strahl ausgeschaltet war. Und das war nur eine simulierte Sonne gewesen! Wie hätten die beiden wohl im echten Sonnenlicht ausgesehen?
»Gehen wir«, sagte Fabio leise und ergriff ihre Hand. »Schnell.«
»Hast du es auch gesehen?«, fragte sie, während er sie durch den Gang voranschob.
»Natürlich habe ich es gesehen, ein Feuerwerk hätte nicht offensichtlicher sein können. Vermutlich war ich auch nicht ganz unsichtbar. Immerhin wissen wir jetzt eines: Außer uns war kein weiterer Elf hier anwesend, ich habe mich genau umgesehen. Und ich denke, ich kenne jetzt das Problem des Getreuen, und ich habe eine Idee, wie wir ihn aufhalten.«
Draußen brach Nadja als Erstes der Schweiß aus, als sie in die warme, feuchte Luft kam. Vorhin musste es einen Regenschauer gegeben haben, denn Wege und Gras glitzerten nass, doch die Verursacher dafür waren bereits geflohen, kein Wölkchen trübte mehr den blauen Himmel. Im Ganggrab war es kühl und so trocken gewesen, dass man sich anschließend hier draußen vorkam wie in den Tropen.
Pirx und Grog warteten an der Seite und verhielten sich erstaunlich still. Nacheinander strömten die Leute an Nadja und Fabio vorbei und gingen munter schwatzend zum bereits wartenden Bus. Ein paar blieben noch einmal stehen und knipsten letzte Fotos. Nadja beobachtete einen Mann, der auf das Observatorium zusteuerte,