Elfenzeit 4: Eislava. Verena Themsen

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Elfenzeit 4: Eislava - Verena Themsen Elfenzeit

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Rian, als sie die Hausecke erreichten. »Hier lauert Gefahr. Schalte die Taschenlampe aus, ich führe dich.«

      Mats knipste die Lampe aus. Während für ihn nun alles stockfinster erscheinen musste, genügte Rian das wenige Sternenlicht zwischen den Wolken, um alles klar zu erkennen. Der Schwede legte seine Hand auf ihre Schulter und sie schritten vorsichtig voran, auf die nächste Hausecke zu.

      »Wwer isssn da?«, erklang in diesem Moment eine gedämpfte Männerstimme aus dem Haus. Rian erstarrte. Erst mit Verzögerung erkannte sie, dass es die Stimme ihres Bruders war.

      Er kann unmöglich in so kurzer Zeit so viel Alkohol getrunken haben, dass er dermaßen lallt, dachte sie. Als wäre er halb betäubt!

      »Mats …« Selbst im Flüstern konnte sie die Sorge nicht aus ihrer Stimme halten.

      »Ich habe es gehört«, antwortete er leise. »War das David?«

      Rian nickte. In diesem Moment war ein dumpfer Knall zu hören, als würde ein Möbelstück umfallen, und ein hoher, erboster Aufschrei folgte. Ohne zu zögern oder an Mats zu denken rannte Rian los, um die Hausecke herum und dort weiter auf einen schwachen Lichtschein zu, mit den Händen ohne bewusste Anstrengung ein Zaubernetz aus einigen ihrer eigenen Haare webend. Nur am Rand registrierte sie den schwankenden Lichtkegel, der zeigte, dass Mats die Taschenlampe angeschaltet hatte und ihr folgte.

      »David!«, rief sie laut. »David, wo bist du?«

      Das Licht, das sie bemerkt hatte, kam durch einige Fenster und eine breite Glasfront und erleuchtete die weiße Pflasterung einer Terrasse, die davor lag. Eine menschengroße Gestalt schob sich gerade durch die halb geöffnete Tür unbeholfen ins Haus. Rian sah David neben einem umgestürzten Sessel stehen, leicht taumelnd und eine Hand am Kopf, als habe er eine Wunde erlitten. Eine Frau mit offener Bluse kroch auf der anderen Seite des liegenden Möbelstückes weg, als sei sie darüber gestürzt und vom Aufprall noch zu benommen, um aufzustehen.

      Als Rian die Glastür erreichte, schlurfte das Wesen auf David zu. Die Elfe schleuderte mit einem Schrei ihr Geflecht. Die leuchtenden Linien dehnten sich im Flug rasend schnell aus und umwickelten das Wesen, schmiegten sich an seine Haut und begannen dann, zu schrumpfen. Einen Moment taumelte die Gestalt, in ihren Bewegungen behindert, doch dann riss sie die Arme hoch, und das Netz flammte hell auf. Schreckensstarr beobachtete Rian, wie ihr Zauber zerfetzt wurde und in kleinen sprühenden Funken verging.

      Der Unhold hat eine starke magische Aura, schoss es ihr durch den Kopf. Einen mit solchen Energien kann man nicht so einfach einfangen.

      Zumindest aber hatte Rian offensichtlich seine Aufmerksamkeit von David abgelenkt und auf sich gezogen, denn er wandte sich langsam um. Rote Augen glühten der Elfe aus einem Gesicht entgegen, das nur entfernt als menschlich zu erkennen war. Löcher klafften in den Wangen, und die Stirn war eingedrückt, als wäre etwas Schweres dagegen geschlagen worden. Die Haut war grau und matt, über jedem Knochen papiern gespannt, alle Muskeln weggeschrumpft. Weiße Haarbüschel standen vom Kopf wirr in alle Richtungen ab, und fadenscheinige Reste von dem, was einmal seine Kleidung gewesen sein mochte, hingen an den Gliedern. Um den Hals trug der Untote ein silbern glänzendes Amulett mit eingravierten Zeichen.

      »Der Draugr!«, rief Mats, nahm die Axt von der Schulter und packte sie mit beiden Händen.

      6.

       Gefährliche Neugier

       Sie mag mich … sie genießt meine Nähe …

      Wie ein endloser Kreisgesang hallte es in Ainfars Kopf. Was so viele Elfen am Hof sich ersehnten, er hatte es erreicht, wenn auch auf anderem Wege als er früher gehofft hatte, wenn er ihr für kurze Momente nahe war. Sie, die hohe Herrscherin des Schattenlandes, deren Anblick jeden alles vergessen ließ außer dem Wunsch, ihr zu dienen und ihr Wohlwollen zu erlangen … sie liebte ihn.

      Nicht auf die Art, wie sie einen Mann lieben würde, aber es war besser als alles, was Ainfar sich als Mann jemals hätte wünschen dürfen.

      Er räkelte sich in ihrer schlanken Hand, während sie sich mit ihrem Tischnachbarn unterhielt. Es schien, als sei sie ähnlich süchtig nach dem Wohlgefühl seines dichten seidigen Fells geworden wie er nach ihrer Berührung. Ein Kribbeln erfüllte ihn, als ihr Finger über seinen Rücken hinunter strich, und er schnurrte wohlig.

      Bandorchu lachte.

      »Fühlst du dich wohl, mein kleiner Liebling, ja? Dein ganzer Körper bebt …« Man hörte ihr an, dass es ihr gefiel, und so verstärkte Ainfar das Geräusch noch etwas. Zugleich sah er mit seinen schwarzen Knopfaugen zu ihr hoch und wackelte ein wenig mit der Stupsnase. Erneut lachte sie auf.

      »Er ist wirklich allerliebst. Man könnte fast meinen, er wüsste genau, was mir gefällt, und würde alles tun, um mich zu erfreuen.«

      Wie wahr das doch ist, dachte er. Was tu ich nicht alles für einen Blick deiner strahlenden Augen, meine Herrscherin, für dein helles Lachen, deine zärtliche Berührung … würde ich nur einmal, nur ein einziges Mal diese Berührungen auch erwidern dürfen, dich mit meinen Händen liebkosen wie du es bei mir tust, dich die Lust erleben lassen, die du in mir erregst, ohne dass ich es jemals ausleben darf … Ah. Ich würde mein Leben dafür geben. – Und das würde es mich vermutlich auch kosten.

      Mit einem inneren Seufzen ließ er seinen Kopf wieder auf die Hand der Königin sinken, schloss die Augen und gab sich der Glückseligkeit des Augenblicks hin.

      Neben dem Stimmengemurmel hörte er ein Flüstern über sich. Vermutlich erhielt Bandorchu eine Mitteilung, die nicht jeder hören sollte. Ainfar spitzte die Ohren, rührte sich jedoch nicht.

      Im nächsten Moment spürte er, wie Bandorchu erstarrte. Ihre Finger verharrten in seinem Fell, und sie krümmten sich leicht unter einer plötzlichen Anspannung. Schmerzhaft gruben die Kanten ihrer scharfen Nägel sich in seine Haut, und er konnte ein schmerzliches Fiepen nicht unterdrücken. Er öffnete die Augen und starrte zu ihr hoch. Die Schlangenköpfige, die Ainfar schon damals im Garten gesehen hatte – vor Tagen, vor Leben, vor Äonen des Genusses … was ist inzwischen außerhalb dieser Mauern geschehen? –, zog sich zurück. Bandorchus Gesicht war reglos, wie ein Kristall, erstarrt in ihrer absoluten und reinen Schönheit. Lediglich ihre Augen durchbrachen das Bild der Eisstatue, denn sie funkelten und glitzerten in dunklem Feuer.

      »Er ist zurück«, flüsterte sie, und gierige Erregung durchpulste jedes ihrer Worte. »Endlich!«

      Ainfar bewegte sich ein wenig, versuchte, sich aus ihrem schmerzhaften Griff zu lösen. Sie schien es zu bemerken und sah zu ihm hinunter. Schlagartig verschwand die Starre wieder, und ihre Züge wurden weich. Zugleich entspannte sich ihre Hand, und der stechende Schmerz in seiner Seite schwand. Vorsichtig hob sie die Hand, in der er ruhte, bis auf die Höhe ihres Gesichtes. Ainfar fand sich Auge in Auge mit der Herrscherin, und unter der Intensität ihres Blicks erlebte er ein Wechselbad der Gefühle, durchlebte panische Angst und endlose Sehnsucht zugleich.

      »Entschuldige, kleiner Ariàn«, sagte sie mit süßer Unschuld in der Stimme, die so gar nicht zu dem grünen Feuer ihrer Augen passen wollte. »Du musst verstehen, ich bin so aufgeregt … ich bekomme etwas, worauf ich schon lange gewartet habe. Aber was rede ich, du bist nur ein dummes Tier …«

      Ich verstehe es, Herrin!, wollte er hinausbrüllen. Ich verstehe es! Würde ich nur einen Hauch von Euch erhalten, einen Kuss, einen Augenblick allein mit Euch, in meiner wahren Gestalt … die Vorfreude würde mich nicht anders sein lassen als Euch

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