Elfenzeit 4: Eislava. Verena Themsen
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»Das Feuerhaus«, sagte der Große. »Is’ der einzige Ort im Dorf, wo Feuer brennen darf. Für manche Sachen isses halt ganz nützlich, und da essen wir dann auch alle, aber alles in allem mögen wir Feuer halt nich so gern. Is’ eben das einzige, das uns richtig wehtun kann. Naja, un’ Sonnenlicht. Und damit der Alt…mutter ihre Knochen nich kalt werden und sie mit’m Körper nich auch noch so starr wird wie in ihrem Kopf, sitzt se immer beim Feuer dabei.«
Sie erreichten das Haus. Ein Durchgang ohne Tür führte in das dunkle Innere hinein. Im hölzernen Türsturz darüber waren Runen eingeritzt, die böse Geister fernhalten sollten, wobei Rian sich fragte, wie die Magie die Unterscheidung machen sollte, wenn man bedachte, wie wenig die Trolle sich schon untereinander mochten. Dennoch spürte sie, dass echte Magie an dieser Stelle am Werk war.
Hinter der Tür empfing sie ein großer dunkler Raum, der nur zu einem kleinen Teil von flackerndem Feuerschein erhellt wurde, und ein eindringlicher, aber nicht unangenehmer rauchiger Geruch, der die Ausdünstungen der Trolle gnädig überdeckte. Die Lichtkugeln mochten wohl die Nähe des Feuers nicht, oder aber sie wurden absichtlich ferngehalten, um den Effekt der Flammen hervorzuheben.
Das ganze Haus diente offensichtlich nicht zum Wohnen, sondern war ein Gemeinschaftshaus. Es war nur mit Säulen und einfachen Stellwänden unterteilt. An jeder Seite waren mehrere Feuerstellen zu erkennen, teilweise einfache offene Feuerschalen, teilweise Kamine und Öfen aus Lehm, Stein oder Metall. Anhand der Bauformen und der dabei liegenden Geräte war erkennbar, dass jede Stelle zu etwas anderem diente: zum Kochen, Backen, Räuchern, Grillen und Braten. Im Moment war allerdings keine davon angefeuert, obwohl sich in einigen Ecken Trolle herumtrieben und Dinge taten, die Rian nicht genau erkennen konnte.
In der Mitte des Raums flackerte ein großes Feuer, in einer Feuerstelle, die nur von einem Kreis von Setzsteinen eingegrenzt war. Mehrere Holzscheite lagen sorgfältig aufgeschichtet in den Flammen und spendeten Licht in einem Umkreis von mehreren Metern. Immer wieder stiegen Funken auf, wenn die Restfeuchtigkeit im Holz es zum Platzen brachte oder Teile auseinanderbrachen. Ähnlich den Lichtkügelchen tanzten die Funken in der Luft und wurden dann nach oben abgesogen. Etwas erzeugte auch ohne einen gebauten Abzug hier den notwendigen Sog, um den Rauch zum Großteil durch das Dach nach außen zu lenken.
Dicht beim Feuer saß eine einzelne massige Gestalt zusammengesunken und anscheinend schlafend auf einem hochlehnigen und breiten Sitz aus dunklem Holz. Felle polsterten die Sitzfläche und hingen über die geschwungenen Armlehnen, auf denen ihre dicken Arme ruhten. Langes graues Haar hing in fettigen Strähnen von ihrem nach vorn gesunkenen Kopf und verdeckte ihr Gesicht. Unter den Zotteln trug sie ein wohl ehemals ansehnliches burgunderrotes Kleid mit Goldstickerei, das nun aber ausgebeult, abgewetzt und fleckig um ihren Körper hing. Die Finger waren trotz ihrer Körperfülle erstaunlich dürr und von grauer, glatter Haut überzogen.
Die Haltung der Trolle, die Rian und David hierhergebracht hatten, hatte sich seit dem Eintreten in das Haus deutlich geändert. Ihr vorheriges sorgloses Selbstbewusstsein war zunächst einer gewissen Unruhe und sogar Anspannung gewichen, und als sie sich nun der Gestalt näherten, wurden ihre Schritte immer kürzer und zögerlicher. Mehrere Meter entfernt blieben sie schließlich stehen, und es dauerte einen Moment, ehe der Große tief einatmete, weiter vortrat und dann in die Hocke ging, die wohl einem Kniefall gleichzusetzen war. Eine Faust auf dem Boden und den Kopf ein wenig gesenkt sagte er:
»Altmutter, wir haben die Gefangenen gebracht.«
Seine Stimme klang scheu, und nichts war mehr von der Respektlosigkeit zu spüren, die er zuvor im Gespräch gezeigt hatte. Selbst seine Aussprache war deutlich bemühter.
Die Alte atmete keuchend ein und schnaubte, ehe sie langsam den Kopf hob. Eine große Hakennase war das Erste, was zwischen den Zotteln hervorstach, und ein spitzes Kinn, das dieser Nase entgegenzustreben schien. Dann schüttelte die Alte die Haare beiseite. Wangen wurden sichtbar, auf denen die Haut graue Falten bildete, und darüber glosten schwefelgelbe Augen.
»Sieh an, sieh an. Die Elfenvögelchen sind da«, ertönte ein hohes Krächzen.
David atmete scharf ein.
»Birte!«, flüsterte er.
8.
Licht und Schatten
Ainfar fiepte leise und ließ seine kleine Hand über einen der Gitterstäbe des Käfigs gleiten.
»Ich weiß, Kleiner«, sagte Melemida, ohne die tägliche Umgestaltung des Eingangsraums zu unterbrechen, die zu ihren Aufgaben gehörte. »Aber ich kann dich nicht rauslassen, selbst wenn ich es wollte. Die Königin hat deinen Käfig mit ihrem eigenen Siegel verschlossen. Und damit hast du noch richtig Glück gehabt. Der Getreue hätte dir vermutlich genüsslich jedes einzelne Fellhaar herausgerupft und dann angefangen, dir die Haut in kleinen Streifen abzuziehen, wenn sie es erlaubt hätte.« Sie kicherte kurz. »Ich wüsste ja zu gern, was du dort drinnen gesehen hast …«
Ainfar sank wieder auf seine Hände hinunter und betrachtete Melemida. Die Zweige und Borkenstücke, die sie unter Bandorchus Zorn verloren hatte, wuchsen allmählich wieder nach, und sie wirkte nicht mehr wie ein in den Sturm geratener alter Baum, sondern gewann langsam etwas von der Biegsamkeit und Frische eines Sprösslings zurück.
Die Königin war wütend darüber gewesen, dass sie in den Augen Bandorchus die Aufsicht über Ainfar – oder »Ariàn«, wie sie ihn genannt hatte – vernachlässigt und dadurch ihr Schoßtier in Gefahr gebracht hatte. Sie hatte Melemida übel misshandelt, und die Zofe musste danach für einige Zeit mit den Sammlern auf die Ebene. Doch inzwischen hatte die Königin sie zurückgeholt, und die Dryade ging ihren gewohnten Pflichten nach.
Der Tiermann hätte es verstanden, wenn Melemida ihrerseits ihm das Geschehene nachgetragen hätte, doch es schien, als dächte sie nicht einmal daran. In dieser Welt war ein anschmiegsames Schoßtierchen, wie er es darstellte, etwas, das selten war und daher behütet wurde. Das hatte ihm auch das Leben gerettet, als er staubbedeckt und benommen am Boden von Bandorchus Schlafzimmer nach kurzer Bewusstlosigkeit wieder zu sich gekommen war.
»Er gehört mir! Wage es nicht noch einmal, ihn anzugreifen!« Die schneidende Kälte in der Stimme der Königin hatte Ainfar erschauern lassen. Ein Blick nach oben zeigte ihm, dass der Stiefelabsatz des Getreuen nicht mehr über ihm hing. Mit schmerzendem Kreuz raffte er sich wieder auf, um dorthin zu sehen, wo Bandorchu hoch aufgerichtet stand. Ihr Gesicht war zu einer eisigen, von goldenem Haar wie Flammen umlohten Maske erstarrt, und der harte Blick ihrer Augen bohrte sich förmlich in ihr Gegenüber. Ihre Gedanken hatten um ihren Leib ein feuerrotes Kleid geboren, das ihren Zorn mit den Wellen unterstrich, mit denen der Stoff über ihren Körper wogte.
Auch den Getreuen ließ all das offensichtlich nicht unberührt. Mit gesenktem Kopf stand er leicht gebeugt vor ihr, die Hände in die Ärmel seiner Robe geschoben. Er wirkte, als warte er einen Sturm ab.
»Verzeiht, meine Königin. Ich dachte, es sei nur irgendein Tier, das von draußen hereingeschlüpft sei. Ich konnte nicht ahnen, dass Euch etwas an ihm liegt.« Seine Stimme war sanft, fast schon unterwürfig.
Sie schüttelte unwillig ihr Haar zurück. »Jetzt weißt du es. Und ich erwarte, dass du in Zukunft mein Urteil abwartest, ehe du in meinen Mauern deine Macht gegen einen meiner Untertanen einsetzt.«
Der Kopf des Getreuen hob sich ein Stück, und einen Moment schien es fast, als wolle er widersprechen,