Magic Tales - Verhext um Mitternacht. Stefanie Hasse
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Prolog
Die Bronzefiguren am Brunnen des oberen Marktplatzes warfen ihre Schatten auf das unebene Pflaster. Das diffuse Licht der neuen, energiesparenden Straßenlaternen spiegelte sich auf den starren Gesichtern der Marktfrauen und ihren Kundinnen, während die Fassade des modernen Einkaufszentrums gegenüber, die den mittelalterlichen Giebelhäusern nachempfunden war, im Dunkeln lag. Vom alten Stadtzentrum waren nur drei wirklich historische Gebäude übriggeblieben, die nun Zeuge wurden, wie eine Person zwischen der Gastwirtschaft Zum Hasen und dem ehemaligen Rathaus hervortrat und über den Marktplatz huschte. Die Kapuze ihrer langen roten Robe verhüllte ihr Gesicht, als sie sich über den Brunnen beugte.
Magie flammte auf, rotglühend und so anders, dass selbst jede Hexe und jeder Hexer sofort davongelaufen wäre. Die Figuren am Brunnen reflektierten das rote Leuchten, ihre vormals freundlichen Gesichter verzerrten sich zu Fratzen, während sie sich leise knarzend zu bewegen begannen.
Das Metall ächzte, als die Verankerungen rissen. Magie war stärker als Metall. Der kleine Bauernjunge sprang als Erstes vom Brunnen, jeder Schritt von einem sanften roten Schimmer umgeben. Er rannte davon, trommelte gegen die Schaufensterscheiben des Rewe-Marktes und stemmte sich gegen eines der wenigen geparkten Autos. Doch erst mithilfe zweier weiterer Figuren – der Dame mit der Geldbörse und der Marktfrau mit dem Apfel in der Hand – konnte er das Auto so weit anheben, dass es erst auf die Seite kippte und dann mit einem satten Knirschen auf dem Dach liegen blieb. Der Alarm schallte über den oberen Marktplatz hinab bis zum heutigen Stadtkern, die Mittelstraße entlang bis zu den ersten Wohngebäuden.
Das Stadtzentrum erwachte, die Menschen strömten auf die Straßen und mussten fassungslos mitansehen, wie die zum Leben erwachten Figuren des beliebten Marktbrunnens die Stadt verwüsteten.
Doch das war nicht das Ungewöhnliche.
Je mehr Menschen auf die Straße traten, desto mehr von ihnen gesellten sich dazu. Die roten Roben unter langen Mänteln verborgen, die Mienen bemüht schockiert, um zwischen all den verblüfften und panischen Menschen nicht aufzufallen. Aber es war ihr nur für Hexen und Eingeweihte sichtbares rotes Leuchten, das die Brunnenfiguren wie Marionetten bewegte und dafür sorgte, dass in diesem Moment wirklich jeder an Magie glaubte.
~1~
ADELA
Bei allen Dunkelhexen!«, schimpfte ich und schmetterte den hölzernen Stößel in den sowieso schon zerbeulten Kessel, aus dem weißer Rauch aufstieg. Das Echo des Aufpralls schwebte noch einen Moment in meinem Labor umher und vervielfältigte mein Scheitern auf dramatische Weise. Es glitt von den dunklen Holzregalen mit den zahlreichen Zutaten zu der hohen Decke, unter der Kräuterbüschel trockneten, streifte die zahlreichen Gaslaternen, die ich für meine Arbeit immer noch am stimmungsvollsten fand, bis zur Wand hinter mir, an dem das für den Rest der Einrichtung viel zu moderne Edelstahl-Waschbecken hing.
Wieso funktionierte die Verbindung nicht? Ich hatte alles bis ins Detail berechnet, sämtliche Zutaten frisch überall auf der Welt besorgen lassen. Lag es an der Sigille? Hatte ich die Worte falsch gekürzt? Oder war mein Vorhaben, das Medikament mit unserer Heilmagie zu verstärken, zu ambitioniert, als was es letztens sogar im Rat belächelt worden war?
Ich atmete tief ein. Seltsamerweise roch mein Scheitern nach Cola. Aber vielleicht lag das auch an den Inhaltsstoffen des Medikaments.
Also begann ich von vorne und sah mir den Zauberspruch erneut an, kürzte alle Buchstaben, die doppelt vorkamen, und zeichnete – wie Hexen im ersten Ausbildungsjahr! – die Sigille direkt neben dem Hexenrad, das in jedem Grimoire abgedruckt war, als wüsste nicht schon jede Junghexe, an welcher Stelle der drei konzentrischen Kreise des Hexenrades jeder einzelne Buchstabe des Alphabets lag.
Das Ergebnis sah bei einem komplexeren Zauber wie diesem aus, als hätte ein Kind wild aufs Papier gekritzelt. Und das, obwohl der Zauber zu einem knappen Befehl gekürzt war: Verstärke die Wirkung des Medikaments mit Magie.
Vielleicht war »Medikament« zu allgemein und ich musste den Wirkstoff selbst nennen? Magiewissenschaft war – egal was das Wort behauptete – keine Wissenschaft wie die Biochemie, die der Herstellung der Tabletten vor mir zugrunde lag. Ich zerknüllte das Papier mit der Sigille und notierte den Wirkstoff anstatt »Medikament«, kürzte und zeichnete die Sigille erneut.
Schnell kippte ich den noch immer schwelenden Inhalt des Bronzekessels ins Waschbecken an der Wand, füllte ihn anschließend mit drei der Tabletten und streute frisch zerstoßene Kräuter aus der verfärbten Holzschale neben mir darauf.
Jetzt war es an der Zeit, den Zauber an das Element zu übergeben. Die dafür benötigte Kerze stand, ganz wie im Lehrbuch, direkt neben dem Kessel.
Ich konzentrierte mich auf meinen Zauber, während ich das Papier in die Flamme hielt. Meine eigene Sigille, die aus den Buchstaben meines Namens bestand und meine ureigene Magie nach außen brachte, leuchtete auf. Die Magie wand sich in bläulichweißen Rauchschwaden von der Sigille am linken Handgelenk über den Handrücken, floss über meine Finger hinweg in das glimmende Papier mit der Sigille.
»Ciao, Lieblingsschwester«, erklang Glorias Stimme direkt neben meinem Ohr. Vor Schreck ließ ich das brennende Papier fallen. Natürlich nicht in den Kessel, wo es hingehörte, sondern direkt auf den massiven Arbeitstisch aus magiegetränktem Kirschbaumholz. Ein Brandfleck mehr fiel auf der Oberfläche glücklicherweise nicht auf.
Seufzend drehte ich mich zu Gloria um, die ihre Jägeruniform trug. Die dunklen Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten, die eng anliegende weiße Kleidung umschmeichelte ihre Kurven. Mit Blick auf das inzwischen verbrannte Stück Papier auf meinem Arbeitstisch fragte sie: »Kommst du gut voran?«
Ich warf ihr einen Blick zu, der ihr ganz genau sagte, wie gut ich vorankam, ehe ich erwähnte, dass sie nur eine Schwester hatte. Sie grinste mich nur an und klimperte mit ihren dichten Wimpern, ehe sie sich über das aufgeschlagene Grimoire neben meinem Kessel beugte und so tat, als würde sie verstehen, was dort stand.
»Wofür wohl werde ich bei der nächsten Konferenz der Magiewissenschaft ausgezeichnet werden?«, fragte sie unschuldig.
»Wenn es weiter so läuft, für gar nichts.« Ich stieß erneut einen Seufzer aus, las das Stück Papier auf und beförderte es ebenfalls ins Waschbecken, wo ich mir auch direkt die Aschereste von den Fingern spülte.
»Das hast du auch letztes Jahr gesagt. Das Jahr davor auch. Und jedes Mal hast du es geschafft. Es wird klappen, ich glaube an dich, Ela.« Ich sah über die Schulter und Gloria warf mir einen Luftkuss zu. »Was hältst du davon, wenn ich dir helfe?« Ihre dunklen Augen reflektierten die Flamme und ließen Gloria teuflisch-verrückt aussehen. Sie hatte keinerlei Talent für Tränke, geschweige denn für Magiechemie. Daher zweifelte ich ernsthaft daran, ob es eine gute Idee war, wenn sie mir beim Zaubern half.
»Du?«
»Wenn ich schon das Lob für deine Arbeit bekomme, könnte ich dich dabei ja wenigstens unterstützen. Wenn du fertig bist, können wir …«
Ich seufzte. Natürlich gab es einen Grund, weshalb sie hergekommen war.
»Sorry«,