Magic Tales - Verhext um Mitternacht. Stefanie Hasse
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»Was tust du eigentlich hier?«, fragte ich, während ich ihr durch den Innenhof der Villa folgte, wo eben die Außenlaternen mit Dämmerungssensor angingen. Den im Wetterbericht angekündigten schönen Frühlingstag in Rom hatte ich wohl verpasst. Wo war die Zeit denn nur geblieben? »Solltest du nicht noch beim Training sein?«
»Papà meinte, die Vorbereitungen zum Ball seien ebenso wichtig wie das Training.«
Das bezweifelte ich stark. In unserer Familie war das Training oberste Pflicht. Das hatte bis vor vier Jahren auch für mich gegolten. Seit Generationen stellten wir Jägerinnen und Jäger für die gefährlichsten Missionen. Kleidungsfragen hatten nie Priorität. Auch wenn Kleider zum Hexenereignis der Dekade gehörten wie eine Krone zu einer Prinzessin.
Die Erneuerung des Occultatums, das verhinderte, dass Menschen unsere Magie sehen und deshalb verhext werden konnten, war jedoch in erster Linie gefährlich, daher galt: Training über Kleidung. Alle Hexen und Hexer der Welt würden anwesend sein. Nicht nur diejenigen, die sich der lichten Magie und der Erneuerung des Occultatums verschrieben hatten, sondern auch Dunkelhexen, die Magie mit Blut wirkten. Dessen war ich mir mehr als alle anderen Hexen bewusst. Umso wichtiger war meiner Meinung nach das Training.
Gloria sah es anders. »Hattest du deinen Termin bei Signora Rosalia eigentlich schon?« Sie schwebte nahezu zwischen den Beeten im Innenhof hindurch bis zum Eingang der Villa. Ihre dunklen Augen leuchteten, während ich meinen Kopf schüttelte.
»Ich habe mir ihre Entwürfe zeigen lassen, aber ich kann mich einfach nicht entscheiden«, fuhr sie fort, zog mich dann mit sich an den Portraits unserer berühmten Ahninnen vorbei bis zur Eingangshalle, während sie unentwegt plapperte: »Signora Rosalia schwört darauf, dass sie weiß, welche Epoche der Trend bei den Bällen sein wird.« Sie grinste wie früher beim Anblick ihrer Geburtstagsgeschenke. »Wir werden uns vor Angeboten kaum retten können. Hast du in der Hexen heute den Bericht über die Gastgeberfamilie gelesen? Oder die Fotos angeschaut?« Wir stiegen gerade die breite Treppe empor. Gloria hielt sich am mit Blattgoldelementen verzierten Geländer fest, wandte sich um und warf mir einen verschwörerischen Blick zu.
»Du weißt, dass Fotos manipuliert sein könnten.« Was Unwissenden mit Photoshop gelang, funktionierte für uns mit einer lässigen Handbewegung.
»Jetzt verdirb mir doch nicht die Vorfreude!« Ein paar Hexenfunken schossen auf mich zu und ich duckte mich schnell darunter weg, auch wenn sie mich nicht verletzt hätten.
Gloria wusste genau, dass ich diesen Teil der nächsten Wochen verabscheute. Große Bälle, um einen passenden Partner zu finden, waren so … letztes Jahrtausend. All der Prunk, die Zurschaustellung – vor allem bei den Gerüchten rund um unsere Familie, die in den letzten Monaten immer weiter hochgekocht waren wie ein falsch dosierter Trank im Kessel. Gloria würde sich vor Anfragen kaum retten können und Dutzende belangloser Smalltalks mit unpassenden Partnern führen müssen. Über diese Konsequenz des Bans war ich nicht böse. Er hielt mich bis zum letzten Moment von diesen Oberflächlichkeiten fern. Unmagische fanden ihre Partner heutzutage doch auch ohne das ganze Tamtam und ich konnte das auch.
Seufzend ließ ich mich auf das gigantische Himmelbett in Glorias Zimmer fallen und ließ mir von ihr die Entwürfe zeigen, ein Kleid opulenter als das andere. Die Skizzen hatten jedoch alle eins gemeinsam: Sie waren blau – das dunkle Blau der Familie Mescinia. Und es war kein einziges schlichtes, moderneres Kleid darunter. Mir graute schon davor, mich in ein Mieder quetschen zu müssen – denn die waren in diesem Jahrzehnt unumgänglich, gab mir Gloria die Aussage von Signora Rosalia weiter.
»Was hältst du von dem hier?« Gloria deutete auf ein Rokokokleid. Den dunkelblauen Seidenmanteau verzierten vorne etliche Edelsteine, die Ärmel waren innen hochgesteckt, sodass der silbern schimmernde Unterstoff hervorlugte. Mich störte besonders die Raffung an den Hüften, die die Trägerin doppelt so breit erscheinen ließ.
Noch ehe ich Gloria meine Gedanken mitteilen konnte, gingen unsere Handys los. Der Alarmton war nur für einen einzigen Kontakt reserviert. Ich hatte ihn noch nie gehört. Weder in den letzten vier Jahren, in denen ich vor der Hexengemeinschaft verheimlicht wurde, noch in meinen aktiven Jahren davor.
Das Blut gefror in meinen Adern. Der beißende Geruch von Glorias Angst kroch in meine Nase.
Gloria hatte sich schneller gefangen und las die Nachricht vor, die alle Jägerinnen und Jäger in Alarmzustand versetzen musste. »Es gab einen Dunkelhexenanschlag auf Falkhausen. Das ist dort, wo …«
»Ich weiß, wo es ist.« Auch wenn ich seit vier Jahren in meinem Labor allein vor mich hin forschte, kannte ich mich auch in der Hexenwelt aus. Vor allem, wenn es um das Ereignis der Dekade ging: das Walpurgisritual.
Glorias schockgeweitete Augen ließen meinen aufgekommenen Ärger über die mir unterstellte Unwissenheit in Rauch aufgehen wie die Sigille bei einem Zauber.
»Sind Menschen zu Schaden gekommen?«
Glorias Augen flogen über den Text. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, das nicht. Aber sie haben die Auswirkungen von Magie gesehen. Alle Brigaden sollen sofort via Sigillenfährte nach Falkhausen reisen, um die Menschen das vergessen zu lassen.«
Pure Erleichterung durchflutete mich. Es waren nur noch wenige Tage bis zur Walpurgisnacht, wenige Tage bis wir das Occultatum erneuern konnten, das unsere Magie vor den Menschen verbarg. Wenn sie uns bemerkten und wir deshalb das Ritual nicht durchführen könnten, wäre das der Anfang vom Ende. Selbst wenn die Menschen gelegentlich die Auswirkungen von Magie bemerkten, konnten sie dank des Occultatums doch nicht erkennen, wer sie wirkte. Nicht wie früher, als man tatsächlich hin und wieder Hexen gefangengenommen und getötet hatte, weil ihre Magie zu sehen gewesen war.
Glorias Handy summte erneut. Eine normale Nachricht. Mit zusammengezogenen Brauen las sie und sagte dann: »Mamma und Papà haben mich angewiesen, nicht nach Deutschland zu reisen. Ich soll mit dir trainieren.«
»Wirklich?« Es klang zu unglaublich, um wahr zu sein. Ich war seit Jahren nicht mehr beim Training gewesen, hatte mich nur in meinem Labor verschanzt. Es war zu gefährlich für mich. Der Rat und meine Eltern trauten niemandem.
»Alle werden unterwegs sein und die Menschen schnell unter Kontrolle haben. Aber Mamma befürchtet weitere Anschläge. Wir brauchen dann vielleicht jeden Jäger, den wir haben. Und da gehörst du auch dazu.« Dann grinste sie und der süße Geruch ihrer Herausforderung wehte zu mir. »Oder bist du zu eingerostet, um mit mir mithalten zu können?«
»Niemals!« Ich nahm die mir entgegengestreckte Hand an und Gloria zerrte mich hinaus aus ihrem Zimmer bis zur großen Treppe beim Eingang. Die Tür direkt darunter führte zum Trainingsraum.
Noch ehe Gloria die Tür hinter uns geschlossen hatte, warf sie einen Fluch auf mich. Der Angriffszauber blitzte auf, als er auf meine hastig errichtete Verteidigung stieß. Ich sprang über die nächste Welle blauschimmernder Magie hinweg, brachte meine Sigille erneut zum Aufleuchten und schmetterte meinerseits einen Fluch auf Gloria, den sie lachend abwehrte.
»Du bist doch eingerostet, Labormädchen«, lachte sie, in ihren Augen blitzte etwas auf, das ich vorher noch nie gesehen hatte und nicht zuordnen konnte. Sie warf einen Fluch nach dem anderen auf mich, brachte mich zum Stolpern, schnitt in meinen Arm oder sogar direkt in meine Sigille, wenn ich mich nicht schnell genug verteidigte. Es dauerte aber nicht lange, bis sich