Spurensuche. Georg Markus

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Spurensuche - Georg Markus

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Herr Farina entlassen. Vorher gab ihm der Monarch noch den Rat, in Zukunft die Umgebung der Hofburg zu meiden, damit es nicht wieder zu einer solchen Verwechslung käme. Farina war glücklich, so gnädig davongekommen zu sein, und hütete sich, die Geschichte an seinem Arbeitsplatz, der Generalintendanz, zu erwähnen.

      Damit war klar, dass sich die Geschichte in Wien herumsprechen würde, und nach einigen Tagen rief ihn der Generalintendant der Hoftheater, Eduard von Wlassak, zu sich und befahl Herrn Farina, den Bart abzurasieren.

      »Ausgeschlossen, Herr Generalintendant«, erwiderte der, »lieber gehe ich in Pension.«

      Diese Weigerung meldete der Generalintendant dem Obersthofmeister, der wieder dem Kaiser Meldung erstattete. Doch Franz Joseph erklärte: »Warum denn so viele Geschichten machen? Wenn der Mann sonst seinen Dienst brav versieht, soll man ihm seinen Bart lassen, der ihm anscheinend so viel Freude macht!«

      Herr Farina hat seinen Dienst in der Generalintendanz und als Logenschließer noch mehrere Jahre, bis zu seiner endgültigen Pensionierung, versehen. Der Mann, dem es so wichtig war, Franz Joseph ähnlich zu sehen, starb am 19. Mai 1917, nur sechs Monate nach seinem Kaiser, im Alter von 72 Jahren.

      Eine österreichische Köpenickiade.

      Der Einbrecher auf der Ansichtskarte

       Ein fataler Fehler des Meisterdiebes

      Joseph Honsa zählte im Wien der Jahrhundertwende zu den Geschicktesten in seinem Metier. Wobei sein Metier der Wohnungsdiebstahl war. Einmal freilich war der Geschickte sehr ungeschickt, ganz besonders sogar.

      Honsa war an jenem 21. März 1902 wieder einmal »auf Tour«. Diesmal hatte er für seinen Beutezug M. Koller’s Gasthaus Zum Schlüssel auf der Wieden auserkoren: Im ersten Stock nahm er die unbeaufsichtigt auf einem Tisch liegende silberne Taschenuhr des Wirten an sich. War’s bisher ein Dutzendkriminalfall, so folgt jetzt das Kuriose an der Geschichte. Just als »Meisterdieb« Honsa das in der Rittergasse 3/Ecke Kleine Neugasse gelegene Haus verließ, stand vor dem Tor eine kleine Gruppe – bestehend aus Stammgästen und dem Wirtshauspersonal –, die sich, wie damals so beliebt, für eine dieser neumodischen Postkarten fotografieren ließ. Von dem Menschenauflauf überrascht, stellte sich Uhrendieb Honsa einfach dazu. Und wurde geknipst.

      Als Gastwirt Koller den Verlust seiner Taschenuhr bemerkte, ging er sofort zur Polizei, wo man ihm nur wenig Hoffnung machte, sie je wiederzusehen, zumal Wohnungsdiebstähle damals weit verbreitet waren.

      Tage später brachte der Fotograf sein Kunstwerk. Und der Wirt staunte nicht schlecht, als er auf dem Bild einen ihm völlig unbekannten Herrn mit Schnauzbart und »Stößer« am Kopf entdeckte. Den Kriminalisten freilich war sofort klar: Der Abgebildete musste der Dieb sein, der gerade im Moment der Aufnahme das Haus – den Tatort – verlassen wollte.

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      Ließ sich am Tatort fotografieren: »Meisterdieb« Joseph Honsa (ganz rechts) vor dem Gasthaus Koller auf der Wieden

      Joseph Honsa war im Sicherheitsbüro kein Unbekannter: Sein Vorstrafenregister war beachtlich, noch öfter war der »Meisterdieb« aber mangels an Beweisen freigesprochen worden. Diesmal allerdings war jedes Leugnen zwecklos. Das Foto lieferte den eindeutigen Beweis. Honsa rückte die Uhr heraus – und landete im Häfn …

      Der Suaheli-Dolmetsch, der kein Suaheli konnte

       Eine Erinnerung an Wiens »Schwarzmarktkönig«

      In der Akademiestraße, im Zentrum Wiens, gab es nach dem Zweiten Weltkrieg ein einzigartiges Lokal, das Künstlerclub hieß und die prominentesten Schauspieler, Sänger und Musiker der Stadt beherbergte. Curd Jürgens zählte mit seiner damaligen Frau Judith Holzmeister ebenso zu den Stammgästen wie Inge Konradi, Senta Wengraf, Marcel Prawy und der Opernstar Hans Hotter. Im Mittelpunkt des Künstlertreffs stand sein Besitzer Alex Petko, dessen »Nebenjob« einer der Hauptgründe war, dass die berühmten Gäste immer wieder kamen: Herr Petko war Wiens »Schwarzmarktkönig« und verfügte daher über Köstlichkeiten, die man nach dem Krieg in anderen Lokalen nicht bekam. Whisky, Wein und Bier flossen in Strömen, und es gab Käse, Schinken und Salami. Zu den Gästen des Künstlerclubs zählte auch Susi Nicoletti, die mir einmal die skurrile Überlebensgeschichte des »Schwarzmarktkönigs« Alex Petko erzählte.

      Petko war 1942 als junger Mann an die Front einberufen worden, und er wusste, was das zu bedeuten hatte: Überlebenschance eher unwahrscheinlich! Als er die Kaserne betrat, in der er sich zur Musterung einfinden sollte, sah er ein Hinweisschild mit der Aufschrift: »Dolmetscher melden sich Zimmer 14b.«

      Er betrat den angegebenen Raum und erfuhr, dass mehrere Übersetzer für Englisch, Französisch und Russisch gesucht würden. Und einer für Suaheli – für jene besonders schwer zu erlernende Mundart aus der Gruppe der Bantusprachen also, mit der sich die Eingeborenen Kenias und Tansanias verständigen. Unnötig zu erwähnen, dass Alex Petko von dieser Sprache kaum je gehört, geschweige denn auch nur ein Wort beherrscht hätte. Doch die Angst vor der Front war größer als die vor der Prüfungskommission.

      Der Beamte auf Zimmer 14b schickte Herrn Petko zu Wiens einzigem Suaheli-Experten, einem Universitätsprofessor, zwecks Überprüfung seiner Suaheli-Kenntnisse. Petko begab sich dorthin und erkannte innerhalb kürzester Zeit, dass der Prüfer von der ostafrikanischen Küstensprache ebenso wenig Ahnung hatte wie er selbst. Der Professor war aus demselben Grund auf seinen Posten gekommen, wie Herr Petko es nun vorhatte. Und der Professor fühlte sich dort so sicher, weil er nie im Leben gedacht hätte, dass irgendjemand in diesen Breiten des Suahelischen mächtig wäre.

      Eine Hand wusch die andere – die beiden Herren haben einander selbstverständlich gegenseitig nicht verraten. Und so wurde Alex Petko der erste Suaheli-Dolmetsch der Welt, der kein Wort Suaheli konnte.

      Er überlebte auf diese Weise den Krieg und eröffnete, als dieser endlich vorbei war, den Künstlerclub in der Akademiestraße. Susi Nicoletti erinnerte sich des Lokals auch deshalb besonders gerne, weil sie hier ihren späteren Mann Ernst Haeusserman kennengelernt hatte. Und eines Tages erzählte ihr Herr Petko seine Lebensgeschichte und somit auch von seiner lebensrettenden Karriere als Suaheli-Dolmetsch.

      Das Geheimnis des Schnorrerkönigs

       Poldi Waraschitz hat nie etwas bezahlt

      Er war eines der großen Originale der Nachkriegszeit. Leopold »Poldi« Waraschitz hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Reichen und Schönen anzuschnorren und zwischen Kitzbühel, Cannes, München und Wien sehr gut davon zu leben.

      Poldi Waraschitz residierte wie ein König und hat nie einen Groschen dafür bezahlt. Das erledigten für ihn Weltstars wie Liz Taylor, Claudia Cardinale, Curd Jürgens und Sophia Loren, die den Bonvivant zu ihren Premieren

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