Radikalisierung. Farhad Khosrokhavar

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Radikalisierung - Farhad Khosrokhavar

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zur Radikalisierung führen (die Utopie eines universalen, in sämtlichen islamischen Gesellschaften, ja der ganzen Welt herrschenden Neokalifats, der die Dschihadisten anhängen, ist metapolitisch und so wenig zu verwirklichen wie eine klassenlose Gesellschaft).

      Dergestalt wird die Politik durch die Logik der Radikalisierung fehlgeleitet, insbesondere dann, wenn Letztere sich einer supranationalen oder transnationalen Utopie verschrieben hat. Robert Pape (2006) hat darauf hingewiesen, dass die überwältigende Mehrheit von Selbstmordattentaten nicht religiösen Motiven, sondern der Anwesenheit einer fremden Armee auf nationalem Gebiet geschuldet ist. Tatsächlich ist es mir darum zu tun, zwischen zwei Typen von Utopie zu unterscheiden. Die erste ist begrenzt und beruht häufig auf präzisen Beanstandungen und „realistischen“ Forderungen. Der Nationalismus oder seine islamonationalistische Spielart sind das verbreitetste Modell. Das angestrebte Ideal ist ein konkretes, nämlich die Bildung einer Nation. Das ist der palästinensische Fall, aber auch der kaschmirische, tschetschenische … Wenn dieser Utopie derart unüberwindbare Hürden im Weg stehen, dass die Verfechter an ihrer Verwirklichung verzweifeln, tritt eine zweiter Typ von Utopie auf den Plan, den ich „entfesselt“ nenne und bei dem es sich um die Radikalisierung des erstgenannten Typs handelt. Auf den ersten Fall trifft die Hypothese von Robert Pape zu: Nimmt eine fremde Armee für einen mehr oder weniger langen Zeitraum ein Gebiet ein, so besteht bei eklatantem Missverhältnis der Kräfte eines der Mittel zu ihrer Bekämpfung in Selbstmordanschlägen. Ist die Utopie dagegen „entfesselt“ – wie der globale Kampf gegen den Imperialismus, die Errichtung einer weltweiten klassenlosen Gesellschaft oder das von al-Qaida und den von ihr beeinflussten Gruppen verfochtene Neokalifat –, ist ihre Verwirklichung in keiner absehbaren Zukunft denkbar. In Europa haben die Entscheidung für den radikalen Islamismus und die wenigen Selbstmordanschläge nichts mit einer bewaffneten Präsenz im Heimatland ihrer Urheber zu tun, bei denen es sich größtenteils um hausgemachte Terroristen handelt. Diese werden von einem doppelten Groll umgetrieben. Demütigung im Heimatland (in Europa) und Bedrängnis der muslimischen Länder anderswo verschränken sich in einem Modell, in dem die imaginäre Konstruktion von eminenter Bedeutung ist. Die Radikalisierung ist im Fall der beschränkten Utopie anderer Art als in dem der entfesselten Utopie.

      Charakteristisch für die Radikalisierung ist häufig eine Gefühlslage, in der auf der einen Seite erlittene Demütigung und Verzweiflung, auf der anderen Seite aber der Wille, dem Feind eine noch tiefere Demütigung zuzufügen, und die Überzeugung, die Utopie im Ausgang von einer „Theologie der tollkühnen Hoffnung“ verwirklichen zu können, eine zeitlich unbestimmte Aussicht auf einen künftigen Frieden eröffnet. Verzweiflung und Demütigung können sich in gewalttätigem Verhalten (Radikalisierung) aussprechen, ohne zwangsläufig von jener Theologie der tollkühnen Hoffnung begleitet zu werden, aber der Wille, den Feind eine noch tiefere Demütigung spüren zu lassen, ist in sämtlichen Formen der Radikalisierung allgegenwärtig. Im radikalen Islam sind die radikalisierten Akteure von der Idee durchdrungen, infolge des beharrlichen dschihadistischen Kampfes werde Gott eingreifen, um eine auf den Islam gegründete universelle Theokratie zu errichten. Der Wille, den arroganten Westen und eine Welt, die den Idealen, die man verkündet, feindlich gegenübersteht, noch tiefer zu demütigen, ist die Kehrseite dieser Ideologie, die zugleich innerweltlich (jetzt und hier erbittert gegen den Feind kämpfen, ihn demütigen, ihn erniedrigen) und außerweltlich ausgerichtet ist (auf die göttliche Intervention warten, die den übermächtigen Feind vernichten wird).

      1 Ich gebrauche das Wort „terroristisch“ in einem eher journalistischen Sinne. Dabei ist mir bewusst, dass ein und derselbe Gewalttäter der einen Seite als Terrorist, der anderen als Widerstands- und Befreiungskämpfer gilt.

      2 Die Zahl der Personen, die im letzten Jahrzehnt von radikalen Islamisten getötet wurden, war in der muslimischen Welt sehr viel größer als im Westen.

      3 Historisch betrachtet meint terrorisme – der relativ alte Begriff taucht 1794 erstmals auf – die Lehre der Anhänger des „Terreur“, des „Schreckens“ während der Französischen Revolution. Der Begriff bezeichnete also ursprünglich eine Weise der Machtausübung des Staates selber und nicht der Opposition gegen ihn (die Anhänger des Terreur waren mit Robespierre während der „Schreckensherrschaft“ vom März 1793 bis Juli 1794 an der Macht). Der Kampf gegen den Staat unter dem Ancien Régime und die gegen die Macht gerichtete Gewaltausübung wurden eher als tyrannicide, als „Tyrannenmord“, bezeichnet. Erst im 19. Jahrhundert wird terrorisme zum Begriff für den gewaltsamen Kampf gegen die Staatsmacht.

      4 Vgl. Khosrokhavar, Farhad (2009; 2011). Eine ausführliche Bibliographie findet sich im Anhang dieser beiden Arbeiten.

      5 Einen Überblick über die unterschiedlichen Theorien der Radikalisierung unter besonderer Berücksichtigung des radikalen Islamismus gibt: Khosrokhavar, Farhad, „Explanatory approaches to Jihadism“ in: Khosrokhavar (2009), Kap. 1.

      6 Vgl. Della Porta, Donatella (2005).

      7 Vgl. McCauley, Clark & Moskalenko, Sophia (2011). Die Autoren dieser Arbeit untersuchen Prozesse der Radikalisierung. Ihr besonderes Interesse gilt den individuellen oder kollektiven Beschwerdegründen, die von den Radikalisierten vorgebracht werden. Sie analysieren das, was sie die „schiefe Ebene“ nennen: Die allmähliche Radikalisierung der Gruppenmitglieder schreitet in dem Maße fort, in dem ihre individuelle Freiheit abnimmt, während Heroismus, Opferwille und Risikobereitschaft aufgewertet werden und den Entschlossensten eine Vormachtstellung in der Gruppe zuwächst. Die Werte, die innerhalb der geschlossenen Gruppe gelten, gewinnen die Oberhand über die der übrigen Gesellschaft und werden für die Mitglieder verbindlich.

      8 Vgl. Pedahzur, Ami (2004), der ein dreistufiges Modell vorgeschlagen hat.

      9 „Eurabia“ bezeichnet unter Rechtsextremen das Phantasma eines arabisierten Europas.

      10 Engländer pakistanischer Herkunft, der in den Armenvierteln der großen englischen Städte lebt.

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