Radikalisierung. Farhad Khosrokhavar

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Radikalisierung - Farhad Khosrokhavar

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zu entrinnen, wo seine Anomie (Nichtzugehörigkeit zu einer identitätsstiftenden Gruppe) mit Stigmatisierung und sozialer Bedeutungslosigkeit einhergeht.

      Mein Ansatzpunkt ist der einer soziologischen Akteurstheorie, die das Handeln des radikalisierten Individuums in einer globalisierten Welt in den Blick nimmt, in der sein Verhalten drei Bedingungen gehorcht:

      •als gedemütigtes Individuum: Das ist der Fall der Jugendlichen aus französischen Vororten und getto­isierten Vierteln in Großbritannien oder der von Israel gedemütigten jungen Palästinenser, aber auch der Jugendlichen des Nahen und Mittleren Ostens, die häufig eine gute wissenschaftliche Ausbildung genossen haben, aber keine Arbeit finden oder sich von autoritären Regimen ausgegrenzt fühlen … Ob sie aus den Unterschichten oder der Mittelschicht stammen – diese Individuen werfen dem System vor, sie zur Bedeutungslosigkeit zu verurteilen und zu demütigen, indem es sie politisch und ökonomisch an den Rand drängt.

      •als viktimisiertes Individuum: Demütigung, Frustration, Rassismus, soziale und wirtschaftliche Ausgrenzung werden innerhalb einer imaginären Struktur erlebt, die dem Individuum das halb reale, halb fiktive Gefühl, keine Zukunft zu haben, vor verschlossenen Türen zu stehen, kurzum: das Gefühl einer inneren Gettoisierung vermittelt.

      Wer diese Situation passiv erduldet, mag in die Kriminalität oder individuelle Gewalt abrutschen. Wer dagegen aufbegehrt und aktiv wird, tut dies häufig, indem er seine innere Erfahrung ideologisiert und durch Übernahme dschihadistischer Vorstellungen seinen Hass gegen die „Nichtmuslime“ richtet. Der Islamismus bietet eine aktivistische Alternative, die linksextreme Ideologien nicht mehr zu bieten vermögen,

      Diese drei Dimensionen, die im Kontext der Globalisierung ineinandergreifen, haben die radikalisierten Personen verinnerlicht. Die Gewalttat und die Berichterstattung über sie sind nicht mehr voneinander zu trennen. Die symbolische Dimension, die nicht allein der Information, sondern auch der Einschüchterung und Verführung dient, und die Konditionierung des Gegners durch den Schock der Bilder (die beim Täter das Gefühl der Allmacht wecken) gehen Hand in Hand mit der Brutalität der Tat: Das radikalisierte Subjekt handelt nicht allein, um Schaden anzurichten, sondern auch, um im Dienst der eigenen Sache „die Trommel zu rühren“.

      Die Radikalisierung gewinnt also eine imaginäre Dimension ausgehend von Bildern, die man im Internet oder im Fernsehen gesehen hat, und aufgrund von Freundschaften, die nicht nur in der Nähe (die Kumpel), sondern auch in der Ferne, im Internet oder im Gefängnis mit Individuen geschlossen werden, die schon radikalisiert sind oder aufbegehren, weil sie aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit (als Muslim) oder ethnischer Merkmale (als Araber, Schwarzer, „Gris“, wie Franzosen maghrebinischer Herkunft in Frankreich genannt werden) ungerecht behandelt werden.

      Auf anthropologischer Ebene hat die Radikalisierung eine unleugbare politische Dimension, die sich aber auf eine Weise ausdrückt, die man infra- oder suprapolitisch nennen kann (Wieviorka 1988). Infrapolitisch: Indem es sie mit einer affektiven Dimension überblendet und Gewalt zum Mittel seines Handelns macht, bringt das

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