Königin Luise. Gertrude Aretz
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Trotz aller Bescheidenheit und Zurückhaltung war sie durchaus nicht fröhlicher Ausgelassenheit und frohen Festen abhold. Im Gegenteil, sie hatte ihre helle Freude daran. Kam sie doch aus dem leichteren Süden von Deutschland, vom Rhein, wo das Blut lebhafter in den Adern fließt, wo die Menschen sich freier und harmloser ihren Vergnügungen und Freuden hingeben, kurz, wo man das Dasein freudiger genießt als im Norden. Luise tanzte für ihr Leben gern und – was man ihr in den schweren Zeiten nicht immer verzieh –, sie ließ sich gern beim Tanzen bewundern und gab deshalb oft zu Veranstaltungen Anlaß, in denen sie in irgendeiner tanzenden Rolle auftrat. Das gehörte zu ihren kleinen Schwächen, richtiger wohl aber zu den Schwächen der Zeit überhaupt, denn an allen anderen Höfen, in Hannover, in Darmstadt, in Weimar, besonders aber später am Hofe Napoleons gehörten Aufführungen dieser Art, an denen sich die Prinzessinnen des Hauses persönlich beteiligten, zum guten Ton. Auch ihre Vorgängerin in der Gunst des preußischen Volkes, die schöne Königin Sophie Charlotte, hatte es getan. Auch deren Feste und Maskenbälle waren berühmt gewesen. Die junge Kronprinzessin gab sich mit rheinischem Übermut den Faschingsfreuden hin. Schon im Jahre 1794 wurde der Karneval am preußischen Hofe zu einem glänzenden Feste. Alle Tanzvergnügen waren sehr beliebt, weil sie eine angenehme Abwechslung in das im großen und ganzen eintönige Hofleben, wie es Friedrich Wilhelm III. einführte, brachten.
Luise tanzte viel, sehr viel. Nach dem Begriff ihrer Oberhofmeisterin und strengdenkender Menschen vielzuviel für eine jungverheiratete Frau. Aber sie war selig, sich diesen Zerstreuungen hingeben zu können, zumal es ihr nach der Verheiratung nicht leicht gefallen war, sich ohne die mütterliche Liebe ihrer Großmutter und ohne die zärtliche Freundschaft aller ihrer Geschwister, mit denen sie bisher in engster Gemeinschaft gelebt hatte, abzufinden. Denn wenn sie auch ihrem Gatten – schon aus Pflichtgefühl und aus innerer Güte ihres unverdorbenen Herzens – sehr zugetan war, so war ihr Friedrich Wilhelm doch noch außerordentlich wesensfremd. Bereits als Braut hatte sie versucht, ihn zu einem höheren geistigen Leben mit fortzureißen. Denn sie selbst war außerordentlich bildungsbedürftig und suchte die Lücken ihres Wissens, so gut sie es vermochte, auszufüllen. Bei Friedrich Wilhelm jedoch scheiterte alle ihre Geschicklichkeit. Er las höchstens sentimentale Moderomane, Räubergeschichten und Bücher über Pferde und Uniformen. Von Musik verstand er nichts. Nur Militärmärsche, Janitscharenmusik und Tänze fanden seinen Beifall. Es war ein Wunder, daß er die kleinen Lieder geduldig und gern anhörte, die Luise ihm bisweilen vorsang. Vielleicht datierte diese Abneigung gegen alle Hausmusik daher, daß er als Kind nur zu oft gezwungen worden war, den Konzerten beizuwohnen, die sein Vater beinahe täglich veranstaltet hatte. Für Kunst hatte er nicht das geringste Verständnis, und seine Kenntnisse in der Malerei beschränkten sich auf rein militärische Bilder, die er nur von diesem Standpunkt aus betrachtete. Selbst die eigenen ungeschickten Zeichenversuche seiner Jugend waren immer nur Karikaturen von Soldaten. Uniformen und alles, was mit seinem Offiziersberuf zusammenhing – ausgenommen der Krieg – interessierten ihn ungemein. Aber für alles Geistige vermochte er nicht das geringste Interesse aufzubringen.
Auch sein Gefühlsleben war grundverschieden von dem seiner Frau. Infolge einer großen Zurückhaltung war es ihm trotz aller Zuneigung und Liebe nicht gegeben, seine Zärtlichkeit für Luise in so reichem Maße zu zeigen, wie es ihrer warmherzigen Natur Bedürfnis war. So fühlte sie sich in der ersten Zeit schrecklich vereinsamt. Ihre Gemütsstimmung kommt besonders in einem Briefe an den Bruder Georg vom 14. Februar 1794 zum Ausdruck, nachdem die Verwandten, vor allem Georg, aus Berlin abgereist waren:
»Nichts kommt dem Schmerz gleich, den Deine Trennung meinem Herzen verursacht. Ich kann mich nicht in den Gedanken finden, daß ich von Dir so weit entfernt leben muß, und dennoch zwingt mich die Wirklichkeit dazu, die mich denn auch alle Bitterkeit dieses Gedankens empfinden läßt. Die Leere in meinem Hause ist wirklich unbeschreiblich, und besonders die Frühstücksstunde ist für mich ganz schrecklich. So ganz allein sitze ich denn da an meinem Fenster, bin aller angenehmen Unterhaltung mit Dir, bester George, beraubt und beschäftige mich allein mit dem Gedanken, wo meine lieben Reisenden sein werden, und alsdann erfolgen tausend heiße Wünsche für Euer Glück, Ruhe und Zufriedenheit. Gestern war ein harter Tag für mich; ich war über alle Beschreibung melancholisch und traurig, kein Mensch von meiner Gesellschaft war heiter, und keiner hatte das Herz, aus Schonung für mich, viel zu sprechen, so daß das Mittagessen in tödlichster Stille vorbeiging. In dem Augenblick, als wir uns setzten, glaubte ich von Tränen erstickt zu werden, wie ich niemand von meinen Verwandten erblickte; ich mußte sie aber ersticken, weil Tränen öfters anders ausgelegt werden können. Genug hiervon, sonst fange ich wieder an zu brüllen, und das wäre sehr zur Unzeit ... Lieber, bester Junge, ich drücke Dich herzlich in Gedanken an mein trauriges Herz und versichere Dich, daß ich Dich mehr liebe als mein Leben.«
Man spürt, daß sie noch nicht eingelebt ist, weder in ihrer Ehe noch in ihrer Umgebung. Der König Friedrich Wilhelm II., der seine Schwiegertochter sehr liebte, hatte für sie das kronprinzliche Palais Unter den Linden einrichten lassen. Sie bezogen es gleich am Tage nach ihrer Trauung. Es waren zwanzig bis fünfundzwanzig Zimmer, wovon wohl ungefähr zehn zu Luises und ihres Gatten Privatgebrauch zur Verfügung standen. In den weiten, ziemlich kahlen und kalt ausgestatteten Räumen kam sie sich in der ersten Zeit sehr verlassen vor. Nur ihr Schreib-, Schlaf- und Ankleidezimmer war einigermaßen gemütlich. Hier verweilte sie am liebsten. Bisweilen wurde sie auch zur regierenden Königin gerufen und mußte ihr bei Tisch Gesellschaft leisten; der alte König war höchst selten an der Tafel seiner Frau. Diese Mahlzeiten waren durchaus nicht nach Luises Geschmack, denn die Königin liebte ihre Schwiegertochter anfangs wenig, und auch Luise hatte nicht viel für die Königin übrig. Später hat sich beider Verhältnis etwas freundlicher gestaltet, obwohl Luise stets die Sonntage und Donnerstage fürchtete, an denen die Königin in Monbijou Cour hielt. Bei derartigen Gelegenheiten mußte Luise sich immer Zwang antun. Es war zum Sterben steif und langweilig, weil die Königin auf die strengste Etikette hielt und sehr altmodisch war. Zum Glück wohnte Friederike mit dem Prinzen Louis ganz in der Nähe, im »Kleinen Palais«. »Bald waren wir drüben bei ihnen, oder sie bei uns, aber immer war man beisammen«, schreibt die alte Voß in ihr Tagebuch. Sie besuchten auch zusammen Theater und Oper, Konzerte und Bälle, Abendunterhaltungen bei den verschiedenen Gesandten und Ministern und in dem gastlichen Bellevue des Prinzen Louis Ferdinand. Beide Prinzessinnen tanzten sich manche Nacht fast zu Tode.
Aber der Einfluß der jungen Schwester, die viel oberflächlicher war als Luise und mit ihren sechzehn Jahren vielleicht auch des Ernstes und der Überlegung entbehrte, war nicht immer von Vorteil für die Kronprinzessin. Infolge ihrer inneren Einsamkeit war Luise, obwohl sie von allen bewundert und verwöhnt wurde, den geringsten Liebenswürdigkeiten und Schmeicheleien zugänglich und für die kleinste Aufmerksamkeit, die man ihrer Person entgegenbrachte, dankbar. So kam es wohl, daß sie sich im Frühjahr 1794, mehr, als es sich nach den damaligen Begriffen für eine Neuvermählte schickte und es der strengen Hofetikette entsprach, dem schönen Prinzen Louis Ferdinand anschloß, dem jungen Helden, von dem die ganze Welt begeistert war, der sich aber auch eines sehr galanten Rufes erfreute. Bereits im Lager vor Mainz, 1793, hatten sie und ihre Schwester ihn gesehen, und Louis Ferdinand, ein großer Frauenverehrer, war schon damals von der Lieblichkeit der beiden jungen Mädchen entzückt gewesen. Friederike entgingen seine heißen Blicke nicht. Sie schrieb zu jener Zeit an ihre Schwester Therese von Thurn und Taxis: »Der Prinz Louis Ferdinand betrachtet uns beide mit seinen durchdringenden Blicken; er ist sehr liebenswürdig.«
Er war nicht nur sehr liebenswürdig, sondern auch einer der schönsten und gefährlichsten Männer seiner Zeit. Die Frauen rissen sich um ihn. Überall hatte er Liebschaften. Zur Hochzeit der Kronprinzessin war er nicht eingetroffen, obwohl man auch ihn erwartet hatte, weil er, wie seine Schwester erzählt, »nur ungern das Heer und die Vicomtesse von Contade« verließ, mit der ihn sehr enge Bande verknüpften. Aber gerade zum Geburtstag der Kronprinzessin, am 10. März 1794, traf er am Hofe ein. »Er war noch größer