Königin Luise. Gertrude Aretz

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Königin Luise - Gertrude Aretz

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eigenartig aus, daß seine Schwester ihn kaum erkannte. Aber nicht nur sie sah die Schönheit und erlag dem außerordentlichen Zauber, den der Prinz um sich verbreitete. Luise mit ihrem für alles Schöne und Edle empfänglichen Herzen, mit ihrer rheinischen Natürlichkeit war sofort von seiner Persönlichkeit gefangen, um so mehr, da der Prinz sich sichtlich bemühte, Eindruck auf sie zu machen. Louis Ferdinand war feurig und leidenschaftlich, ein Charmeur, ein Frauenverführer. Er hatte viele Frauen gekannt, und keine hatte ihm widerstehen können. Außer seiner männlichen Schönheit war es sein genialer, hinreißender Charakter, der ihm alle Frauenherzen im Sturme eroberte. Der Prinz merkte gleich, daß die junge, reizende Kronprinzessin nicht ganz am richtigen Platze am der Seite jenes steifen, ungelenken Mannes war, der kaum die bezaubernde Schönheit und Lieblichkeit seiner Gattin zu bemerken schien oder zu schüchtern und ungeschickt war, um ihr alles zu sagen, was er empfand.

      In seiner feurigen, aber zügellosen Art versuchte der Prinz sofort Vorteil daraus zu ziehen und der seiner Meinung nach wenig glücklichen jungen Frau den Hof zu machen. Luise nahm die leidenschaftliche Huldigung, die etwas ganz Neues für sie war, wohl zögernd, aber doch nicht ungern entgegen, zumal Friederike sie im gewissen Sinne dazu aufmunterte. Die junge Kronprinzessin sah wohl anfangs nur Freundschaft darin. Aber sie achtete weder der Etikette noch der öffentlichen Meinung. Sie fuhr aus, wann es ihr einfiel, ohne Hofmeisterin, nur mit Friederike, nahm Einladungen an, ohne ihren Mann oder die Gräfin Voß um Rat zu fragen, und lud ebenso unbefangen Personen ein, die am Hofe nicht gern gesehen waren. Sie tanzte die Nächte hindurch, ohne auf ihre Gesundheit und die Ermahnungen des Kronprinzen zu achten. Sie schonte sich in keiner Weise. Dabei war sie körperlich nicht widerstandsfähig. Sie neigte leicht zu Erkältungen. Halsentzündungen waren nichts Seltenes bei ihr. Nach durchtanzten Nächten war sie matt und erschöpft. Oft hatte sie Fieber. Dann lag sie bis Mittag im Bett. Aber alle Ermahnungen fruchteten nichts. Ihre Jugendlust mußte sich austoben.

      Nicht nur in den Hofkreisen erregte sie dadurch Anstoß, sondern auch die Berliner Bevölkerung fing an, mit der von ihr anfangs vergötterten Kronprinzessin unzufrieden zu sein, besonders, als sich das Gerücht verbreitete, sie schenke dem leichtlebigen Prinzen Louis Ferdinand ein Ohr. Der Prinz kam oft schon morgens zu ihr, um, wie er sagte, mit ihr irgendein Detail wegen eines stattfindenden Festes oder wegen eines Maskenkostüms zu besprechen. Kurz, es entwickelte sich zwischen beiden ein sehr freundschaftlicher Verkehr, der besonders von Luise ganz rein empfunden wurde. Anders stand es mit den Gefühlen des leicht entflammenden jungen Mannes. Seiner Freundschaft lagen durchaus andere Absichten zugrunde, und da er schließlich seine Annäherungsversuche nicht von Erfolg gekrönt sah, versuchte er, Friederike zu gewinnen, damit sie als Fürsprecherin bei ihrer Schwester eintrete. Aber Friederike selbst erlag einige Monate später seinem unwiderstehlichen Zauber.

      Vielleicht wäre auch Luise erlegen, hätte sie nicht in ihrer alten Hofmeisterin eine so gute Beraterin und wahre Freundin gehabt. Dem Scharfblick der Voß und ihrer Erfahrung an einem Hofe, an dem es an galanten Abenteuern nicht gemangelt hatte, waren die Absichten des Prinzen Louis Ferdinand natürlich nicht entgangen, noch aber besaß sie nicht das ganze Vertrauen ihrer jungen Herrin. Die Voß meint: »Der Unterschied der Jahre war zu groß zwischen ihr und mir, auch hatte sie etwas Verschlossenes in ihrem Charakter, und ich muß sagen, zum Glück und mit Recht eine große Zurückhaltung, die sie abhielt, sich gegen Personen, die sie nicht näher kannte, auszusprechen.« Hätte Luise damals die Großmutter in der Nähe gehabt, sie würde ihr alles gesagt haben und sich vor den Gefahren der Großstadt in ihre schützenden Arme geflüchtet haben. Schreiben mochte sie ihr vielleicht darüber nicht, weil sie fürchtet, brieflich auch von ihr mißverstanden zu werden. Aber den Bruder Georg, der selbst jung und empfänglich war, ließ sie doch in einem Brief vom April 1794 manches durchblicken: »Ach, einige Worte nur haben so viel Trost für mich«, schrieb sie. »Ich brauche ihn mannigmal ... Berlin ist viel größer als Darmstadt, es sind auch vielmehr Leute allerhand Arten darin – das werde ich gewahr – ... Das Gute wird nicht immer erkannt, glaube mir, ich spreche aus Erfahrung; deshalb muß man aber nicht ablassen, gut zu sein. Dies ist und bleibt mein Grundsatz.« Ehe sie zu dieser Einsicht gekommen war, hatte es jedoch manches Opfer gekostet. Es hatte Tränen, viele Tränen in der jungen Ehe gegeben. Luise hatte nicht einsehen wollen, daß ihre Jugendlust, ihr Frohsinn Einschränkungen erfahren sollten und sie am Berliner Hof nicht mehr so ungebunden leben konnte wie als kleine mecklenburgisch« Prinzessin in Darmstadt. »Alle Welt ist mit ihr unzufrieden«, schrieb die alte Voß. Sogar der König, der Luise sonst zärtlich liebte, war böse auf sie und ließ ihr durch Fräulein von Viereck sagen, sie möge sich ändern. Dem Kronprinzen riet er, seiner Frau zu zeigen, daß »wir hier gewohnt find, uns bei unseren Frauen Gehorsam zu verschaffen«.

      So starke Mittel waren indes bei Luise nicht nötig. Sie kam selbst bald zur Einsicht, daß ihr Mann ihr bester Freund war, und Frau von Voß wies sie ebenfalls darauf hin, daß »niemand ihr volles Vertrauen besitzen, niemand ihr Ratgeber sein dürfe als ihr Gemahl«. Denn er liebte sie aufrichtig. Das fühlte Luise. Anstatt ebenfalls, wie die andern, der jungen, unerfahrenen Frau die Fehler, die sie begangen hatte, vorzuwerfen, verteidigte er sie sowohl gegen den König als auch gegen die Königin. Er war ihr in dieser Zeit des Schwankens ein wirklicher Freund, und Luise erkannte seinen Wert. Der Rausch, in den sie vielleicht für einen Augenblick die Huldigung Louis Ferdinands versetzt hatte, verflog, zumal sie bald merkte, daß er ihrer Schwester ebenso feurig den Hof machte und schließlich von dieser erhört wurde.

      Luise billigte den Leichtsinn ihrer »Englischen Friederike« nicht, aber sie bringt ihr immer die gleiche Liebe entgegen. Mit feinem weiblichen Empfinden verstand sie wohl besser als die andere, wie schwer es war, einem Mann zu widerstehen, der so viele bestechende Eigenschaften besaß wie Louis Ferdinand. Immer hielt sie treu zu dieser Schwester, deren Verhältnis mit dem Prinzen in den Hofkreisen das größte Mißfallen erregte, obwohl man wußte, wie wenig Zuneigung sie bei ihrem Mann gefunden hatte. Es war auch dem Prinzen Louis von Preußen gleichgültig, ob seine Frau andern Männern ihre Liebe schenkte oder nicht.

      Jedenfalls wurde der Idylle Luises und Louis Ferdinands schon dadurch ein Ende gemacht, daß das kronprinzliche Paar am 1. April 1794 für einige Zeit nach Potsdam übersiedelte. »Das störende Element« dieser jungen Ehe war somit aus dem Wege geräumt, und triumphierend berichtet die alte Voß: »Dem Kronprinzen allem gebührt das Verdienst, sie (Luise) in dem Augenblick der Gefahr, wo fremde Einflüsse sich zwischen ihn und sie einzudrängen drohten, durch seine Treue, seine Wahrhaftigkeit und seine Festigkeit vor denselben bewahrt zu haben.« Vielleicht hatte er den Prinzen Louis Ferdinand auch als »fatalen Menschen« bezeichnet, wie es seine Gewohnheit war, wenn er jemand nicht leiden mochte, besonders Großtuer und »Herren mit breitspurigem Wesen«. Er war dann meist sehr kurz zu ihnen und ließ seine Abneigung deutlich merken.

      Überhaupt liebte er wenig Menschen um sich, und der ganze Hoftrubel war ihm schon als jungem Mann zuwider. Aber leider konnte er sich nicht lange des ruhigen Lebens in Potsdam erfreuen, nachdem sie sich, wenn man so sagen will, »gefunden hatten«. Denn erst jetzt schienen sich beide richtig zu verstehen. Seinem Adjutanten und Freund, dem Major Schack, schrieb Friedrich Wilhelm in jenen Tagen voller Zufriedenheit: »Wir leben hier sehr ruhig und für mein Teil sehr angenehm, Berlin regrettiere ich gar nicht und habe mir hier noch nie so gefallen. Alles lebt in Einigkeit, da sich keine fremde Hand ins Spiel mischt, und wir benutzen täglich recht fleißig die schöne Gegend, die so manche anmutige Gegenstände darbietet ... Gott gebe, daß bei unserer Rückkehr nach Berlin nicht neue Mißhelligkeiten und Klatschereien den häuslichen Frieden stören mögen.« Luise aber nennt diese sechs Wochen, die sie in Potsdam verbrachten, die schönsten und glücklichsten ihres Lebens«. Sie gingen rasch dahin. Der Kronprinz mußte im Mai wieder ins Feld. Nach der zweiten Teilung Polens war es im März 1794 unter Kosziusko zu einem Aufstand gekommen. Ihn zu unterdrücken, zogen Russen, Österreicher und Preußen gegen den polnischen Aufrührer. Die völlige Bekämpfung des Aufstandes gelang aber erst im Oktober 1794 durch die Einnahme von Warschau unter Suwarow.

      Diese erste Trennung war für Luise und Friedrich Wilhelm ein harter Schlag. Der Kronprinz war so unglücklich darüber, daß er es kaum zu überstehen meinte. Auch diesmal zog er ungern ins Feld. Er sagte zu

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