David Copperfield. Charles Dickens

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David Copperfield - Charles Dickens Klassiker bei Null Papier

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dem Fens­ter­brett, ein klei­ner Tisch und ein Arm­stuhl mich ah­nen lie­ßen, dass mei­ne Tan­te in die­sem Au­gen­blick in großer Stren­ge dort saß.

      Mei­ne Schu­he be­fan­den sich in ei­nem kläg­li­chen Zu­stand. Die Soh­len wa­ren stück­wei­se los­ge­löst, und das Ober­le­der, bald hier; bald dort ge­platzt, hat­te die Form ei­nes Schu­hes ver­lo­ren. Mein Hut; der mir auch als Nacht­müt­ze ge­dient, war so zer­drückt und ver­bo­gen, dass es jede alte stiel­lo­se Pfan­ne auf ei­nem Mist­hau­fen er­folg­reich mit ihm auf­ge­nom­men hät­te. Mein Hemd und mei­ne Ho­sen, schmut­zig und fle­ckig von Hit­ze, Tau, Gras und dem ken­ti­schen Kalk­bo­den, auf dem ich ge­schla­fen, und au­ßer­dem zer­ris­sen, wä­ren im­stan­de ge­we­sen, eine Vo­gel­scheu­che in mei­ner Tan­te Gar­ten ab­zu­ge­ben.

      So stand ich in der Türe. Mein Haar hat­te, seit ich Lon­don ver­las­sen, we­der Kamm noch Bürs­te ge­se­hen. In Ge­sicht, an Hals und Hän­den hat­ten mich Luft und Son­ne dun­kel­braun ge­brannt. Von Kopf bis zu den Fü­ßen mit Kalk und Staub weiß ge­pu­dert, sah ich aus, als ob ich aus ei­nem Kal­kofen käme. In die­sem Auf­zug, und mei­nes Aus­se­hens mir sehr wohl be­wusst, soll­te ich mich also mei­ner ge­stren­gen Tan­te vor­stel­len.

      Die an­dau­ern­de Ruhe hin­ter dem Wohn­stu­ben­fens­ter ließ mich schlie­ßen, dass sie nicht drin­nen sei. Ich wen­de­te mei­ne Au­gen zu den Fens­tern im ers­ten Stock und sah einen freund­lich aus­se­hen­den Herrn mit blü­hen­dem Ge­sicht und grau­em Haar, der auf ko­mi­sche Wei­se ein Auge zu­kniff, mir meh­re­re Male mit dem Kopf zu­nick­te, mich an­lach­te und wie­der ver­schwand.

      Ich war schon so­wie­so au­ßer Fas­sung ge­nug, aber die­ses Be­neh­men raub­te mir den letz­ten Rest von Mut. Ich stand eben im Be­griff, mich wie­der fort­zu­schlei­chen und mir zu über­le­gen, was am bes­ten zu tun sei, als eine Dame, über ihre Müt­ze ein Ta­schen­tuch ge­bun­den, mit Gar­ten­hand­schu­hen, ei­ner Gar­ten­schür­ze und in der Hand ein großes Mes­ser aus dem Hau­se trat. Ich er­kann­te in ihr so­fort Miss Betsey nach der Art, wie sie aus dem Hau­se stelz­te. Genau so war sie nach der Er­zäh­lung mei­ner Mut­ter auch in un­serm Gar­ten her­um­stol­ziert.

      »Fort!« sag­te Miss Betsey und schüt­tel­te den Kopf und fuhr mit dem Mes­ser durch die Luft, als ob sie ein Ko­te­lett her­aus­schnei­den woll­te.

      »Fort! Kei­ne Jun­gen hier!«

      Ich sah ihr zu, das Herz auf der Zun­ge, wie sie in eine Ecke des Gar­tens ging und sich bück­te, um et­was aus­zu­gra­ben. Dann, ohne einen Fun­ken Mut in mir, aber mit de­sto mehr Verzweif­lung, trat ich lei­se ein, stell­te mich ne­ben sie und be­rühr­te sie mit dem Fin­ger.

      »Wenn Sie ge­stat­ten wür­den, Ma’am«, fing ich an.

      Sie fuhr zu­sam­men und blick­te auf.

      »Wenn Sie ge­stat­ten wür­den, Tan­te!«

      »Eh«, rief Miss Betsey mit ei­nem Ton des Er­stau­nens aus, wie ich nie einen ähn­li­chen ge­hört hat­te.

      »Wenn Sie ge­stat­ten wür­den, Tan­te, ich bin Ihr Nef­fe!«

      »O Gott!« sag­te mei­ne Tan­te und setz­te sich mit­ten im Gar­ten­weg hin.

      »Ich bin Da­vid Cop­per­field aus Blun­der­sto­ne in Suf­folk, wo Sie an dem Abend, als ich ge­bo­ren wur­de, mei­ne lie­be Mut­ter be­such­ten. Ich bin seit ih­rem Tode sehr un­glück­lich ge­we­sen. Man hat mich ver­nach­läs­sigt und nichts ge­lehrt, ich war auf mich selbst an­ge­wie­sen und wur­de zu ei­ner Ar­beit ver­wen­det, die gar nicht für mich pass­te. Des­we­gen bin ich fort­ge­lau­fen zu Ih­nen. Gleich am An­fang wur­de ich be­raubt und muss­te den gan­zen Weg zu Fuß ge­hen und habe in kei­nem Bett ge­schla­fen, seit ich auf der Rei­se bin.«

      Hier war es mit mei­ner Fas­sung zu Ende und mit ei­ner Hand­be­we­gung, mit der ich ihre Auf­merk­sam­keit auf mei­nen zer­lump­ten Zu­stand len­ken woll­te, als Be­weis, was ich ge­lit­ten, brach ich in ein bit­ter­li­ches Wei­nen aus.

      Mei­ne Tan­te, aus de­ren Ge­sicht je­der an­de­re Aus­druck als Ver­wun­de­rung ge­wi­chen war, saß, mich groß an­star­rend, auf dem Kies­weg, bis ich zu wei­nen an­fing. Dann stand sie in großer Hast auf, pack­te mich beim Kra­gen und schlepp­te mich in das Wohn­zim­mer. Ihr ers­tes war hier, einen ho­hen Schrank auf­zu­schlie­ßen, ver­schie­de­ne Fla­schen her­aus­zu­neh­men und mir aus je­der et­was in den Mund zu gie­ßen. Sie muss blind drauf­los ge­grif­fen ha­ben, denn ich weiß ge­wiss, dass ich Anis­was­ser, An­cho­vissau­ce und Sala­tes­sig ge­schmeckt habe. Als ich selbst nach dem Ge­nuss die­ser Stär­kungs­mit­tel noch im­mer ganz au­ßer Fas­sung war und von Schluch­zen ge­schüt­telt wur­de, leg­te sie mich auf das Sofa, steck­te mir einen Schal un­ter den Kopf, das Ta­schen­tuch von ih­rem Kopf un­ter mei­ne Füße, da­mit ich nicht den Über­zug be­schmut­zen konn­te, und setz­te sich hin­ter den be­reits er­wähn­ten grü­nen Schirm. Ihr Ge­sicht konn­te ich nicht se­hen, ich hör­te nur, wie sie von Zeit zu Zeit ei­ni­ge »Gott sei uns gnä­dig!« wie Flin­ten­schüs­se her­vors­tieß.

      Nach ei­ner Wei­le klin­gel­te sie.

      »Ja­net«, sag­te sie, als das Mäd­chen her­ein­kam. »Geh hin­auf, emp­fiehl mich Mr. Dick und sage ihm, ich möch­te ihn ger­ne spre­chen.«

      Ja­net mach­te er­staun­te Au­gen, als sie mich ganz steif auf dem Sofa lie­gen sah, denn ich ge­trau­te mich nicht, eine Be­we­gung zu ma­chen, um nicht mei­ne Tan­te zu er­zür­nen, – und ging dann hin­aus, um ih­ren Auf­trag aus­zu­füh­ren. Mei­ne Tan­te mar­schier­te, die Hän­de auf dem Rücken, im Zim­mer auf und ab, bis der Herr, der mich aus dem obe­ren Fens­ter an­ge­zwin­kert hat­te, la­chend her­ein­trat.

      »Mr. Dick«, sag­te mei­ne Tan­te, »sei­en Sie jetzt kein Narr. Nie­mand kann ge­schei­ter sein als Sie, wenn Sie wol­len. Also bit­te, nur so ver­nünf­tig wie mög­lich!«

      Der Gent­le­man mach­te so­gleich ein erns­tes Ge­sicht und sah mich an, als woll­te er mich bit­ten, nur ja nichts von der Sze­ne vor­hin am Fens­ter zu ver­ra­ten.

      »Mr. Dick«, fuhr mei­ne Tan­te fort, »Sie ha­ben mich ein­mal Da­vid Cop­per­field er­wäh­nen hö­ren. Tun Sie jetzt nicht, als ob Sie kein Ge­dächt­nis hät­ten, denn Sie und ich wis­sen das bes­ser.«

      »Da­vid Cop­per­field«, sag­te Mr. Dick, der sich mei­ner trotz­dem nicht zu er­in­nern schi­en, »Da­vi­d Cop­per­field? Ach ja, rich­tig. Da­vid. Stimmt.«

      »Also«, sag­te mei­ne Tan­te, »dies ist sein Sohn. Er wäre sei­nem Va­ter so ähn­lich wie mög­lich, wenn er nicht sei­ner Mut­ter so gli­che.«

      »Sein Sohn«, sag­te Mr. Dick, »Da­vids Sohn? Wirk­lich?«

      »Ja«, fuhr mei­ne Tan­te fort, »er hat hüb­sche Sa­chen an­ge­stellt. Er ist da­von­ge­lau­fen. Ach, sei­ne Schwes­ter, Betsey Trot­wood, wäre nie da­von­ge­lau­fen.«

      Mei­ne Tan­te schüt­tel­te mit Ent­schie­den­heit

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